Nosokomiale Infektionen sind ein häufiges Problem auf Intensivstationen, da sie mit einem prolongierten Krankheitsverlauf, einer längeren Liegezeit und einer erhöhten Mortalität einhergehen. Zur Etablierung personalisierter Prävention fehlen bisher geeignete Risikoscores, welche frühzeitig und standardisiert die Erkennung einer hohen Infektionswahrscheinlichkeit ermöglichen. Ziel dieser Dissertation war es, Scores auszuwerten, die bereits zur Quantifizierung der Krankheitsschwere oder des Pflegeaufwandes verwendet werden. Hierfür wurde die Eignung der vier Scores SAPS2, APACHE2, Core-10-TISS und SOFA als Indikatoren für eine nosokomiale Infektion auf Intensivstation untersucht. Die vorliegende retrospektive Kohortenstudie analysierte alle Aufenthalte auf 7 Intensivstationen (ITS) der Charité – Universitätsmedizin Berlin der Jahre 2017 und 2018. Eingeschlossen wurden alle ITS Aufenthalte im diesem Zeitraum mit einer Liegedauer von mindestens zwei Tagen. Alle vier Scores wurden routinemäßig durch ärztliches Personal am ITS-Aufnahmetag erhoben und dokumentiert. Zudem überprüfte das Hygienefachpersonal im Rahmen eines validierten Infektionssurveillanceprogramms das Auftreten der drei häufigsten nosokomialen Infektionen: primäre Blutstrominfektionen, untere Atemweginfektionen sowie Harnweginfektionen. Die statistische Analyse des Zusammenhangs zwischen Scores und den drei Infektionsarten erfolgte gruppiert und kontinuierlich mittels Ereigniszeitanalysen. Insgesamt erfüllten 5.053 Aufenthalte auf Intensivstation die Einschlusskriterien. Während dieser ITS-Aufenthalte traten 235 nosokomiale Infektionen auf. Die Inzidenzdichte betrug 4,73 Infektionen pro 1000 Liegetage, aufgeteilt auf eine Inzidenzdichte von 1,01 für Blutstrominfektionen, 2,69 für untere Atemweginfektionen und 1,31 für Harnwegsinfektionen. Die mediane Liegezeit bis zu einer nosokomialen Infektion lag bei 11 Tagen [Interquartilsabstand: 6 – 22]. In der Ereigniszeitanalyse zeigte sich, dass alle vier Aufnahmescores mit einem höheren Infektionsrisiko auf Intensivstation assoziiert waren. Das tägliche Risiko für eine nosokomiale Infektion erhöhte sich pro Scorepunkt zwischen 2% für den SAPS2 und 9% für den SOFA (Subdistributions-Hazardrate [95% Konfidenzintervall]: SAPS2 1,02 [1,01-1,02], APACHE2 1,03 [1,02-1,04], Core-10-TISS 1,04 [1,03-1,05], SOFA 1,09 [1,07-1,12], p <0,01). Zusätzlich zeigte sich ein Zusammenhang zwischen den Scores und jeder der drei separat analysierten Infektionsarten. Diese Studie zeigt, dass ein Zusammenhang zwischen erhöhtem SAPS2, APACHE2, Core-10-TISS und SOFA bei Aufnahme und der späteren Entwicklung von nosokomialen Infektionen besteht. Diese explorative Analyse legt somit die Grundlage zur Untersuchung der Scores als Kriterium für Präventionsmaßnahmen nosokomialer Infektionen.
Nosocomial infections are a common issue in intensive care units (ICU). They are associated with a prolonged course of illness, a longer hospital stay and increased mortality. In order to establish personalized prevention, risk scores are needed that allow early and standardized detection of a high probability of infection. The aim of this doctoral thesis and the underlying study was therefore to investigate the suitability of the SAPS2, APACHE2, Core-10-TISS and SOFA scores as risk indicators of nosocomial infection in intensive care units. This retrospective cohort study analyzed all stays of two days or more in 7 intensive care units of the Charité - Universitätsmedizin Berlin in 2017 and 2018. All four scores were documented on the day of admission. In addition, as part of an infection surveillance program, infection control staff monitored daily for the occurrence of the three most common infections: lower respiratory tract infections, urinary tract infections, and bloodstream infections. Statistical analysis of the association between the grouped and continuous scores and the three infection types was performed using time-to-event analyses. A total of n = 5,053 ICU stays met the study criteria. 235 nosocomial infections were encountered. The incidence density was 4.73 per 1000 days, divided into an incidence density of 1.01 for bloodstream infections, 2.69 for lower respiratory tract infections, and 1.31 for urinary tract infections. The median length of stay until infection was 11 days [Interquartile Range: 6 - 22]. Time-to-event analysis showed that all four scores were associated with a higher daily infection risk on ICU (Subdistribution-Hazard-Ratio [95% Confidence Interval]: SAPS2 1.02 [1.01-1.02], APACHE2 1.03 [1.02-1.04], Core-10-TISS 1.04 [1.03-1.05], SOFA 1.09 [1.07-1.12], p <0.01). In addition, there was an association between the scores and each of the three infection types when analyzed separately. This study showed that there is an association between elevated SAPS2, APACHE2, Core-10-TISS, and SOFA on admission and the occurrence of nosocomial infections. This exploratory analysis hereby lays the foundation for investigating the scores as criteria for preventive measures.