Die Relevanz von Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien stellt weltweit ein zunehmendes Problem für Patient:innen und die Humanmedizin insgesamt dar. Auch wenn in Deutschland Infektionen mit multiresistenten Erregern weiterhin eine untergeordnete Rolle im klinischen Alltag spielen, schränken Resistenzen gegen spezielle Antibiotikagruppen kalkulierte als auch gezielte Therapieregime ein. Eine effektive Strategie, um die weitere Entstehung und Ausbreitung von Resistenzen zu verlangsamen, stellt das Antimicrobial Stewardship dar. Hierbei kommen Strategien zum Einsatz, welche die rationale Anwendung antiinfektiver Therapeutika unterstützen. Die Vermeidung nicht nützlicher antimikrobieller Therapien und die bevorzugte Verschreibung von Antibiotika mit einem optimalen Wirksamkeitsspektrum führen zu einem reduzierten Selektionsdruck auf Bakterien. Darüber hinaus ergeben sich auf Ebene der individuellen Patient:innen Vorteile hinsichtlich eines höheren Therapieerfolgs sowie seltener auftretenden unerwünschten Nebenwirkungen. In der stationären Versorgung in Deutschland kann ein relevanter Anteil der Antibiotikaanwendung verbessert werden. Neben fehlender Indikation oder Notwendigkeit für eine antibiotische Anwendung kommen einer Vielzahl weiterer Faktoren eine Bedeutung bei. Die Dauer der Anwendung von Antibiotika spielt hierbei eine große Rolle. Inbesondere bei den häufig unnötig langen Therapien unkomplizierter Infektionen und Anwendungen zur Prophylaxe bei operativen Eingriffen liegen deutliche Einsparpotenziale. Auch in Bezug auf die Wahl des Wirkstoffs sind Maßnahmen notwendig, um den Stand des medizinischen Wissens besser in die klinische Anwendung einfließen zu lassen. Bestimmte Wirkstoffgruppen sind mit erhöhten Raten an unerwünschten Arzneimittelwirkungen assoziiert und sollten daher nur bei absoluter Notwendigkeit Verwendung finden. In Bezug auf Spektrum und Resistenzsituation der zu erwartenden Bakterien finden bei kalkulierten Therapieregimen breiteste Spektren Anwendung, die teilweise bei Kombinationstherapien eine doppelte Abdeckung von z.B. anaerob wachsenden Bakterien erreichen, die aus klinischer Sicht nicht notwendig ist. Infolge der limitierten Anzahl neuer antibiotischer Wirkstoffe sollte deren Anwendung indikationsspezifisch erfolgen. Hohe Kosten neuer Substanzen limitieren deren irrationale Anwendung. Reduzierte Kosten eines neuen Wirkstoffs gehen in aller Regel mit einer breiteren Verfügbarkeit einher. Dies führt zu einer vermehrten und häufig unkritischen Anwendung.
Die Surveillance des Verbrauchs und der Anwendung von Antiinfektiva spielt bei der Verbesserung der Verschreibungsqualitiät und -menge eine übergeordnete Rolle. Insbesondere in speziellen Bereichen, wie der neonatologischen Intensivmedizin, die über eine langjährige Erfahrung mit der Durchführung von Surveillance und Feedback verfügt, konnten durch spezifische Angebote Verbesserungen erzielt werden. Dies unterstreicht die Bedeutung eines strukturierten und effektiven Feedbacks für den Erfolg von Surveillancemaßnahmen.
Dennoch bleiben relevante Fragen offen und bedürfen weiterer Untersuchung: Was sind strukturelle Risikofaktoren die zur Erklärung von Qualitätsunterschieden in der Anwendung führen? Welche Anwendungsstrategien verlangsamen die Entwicklung antibiotischer Resistenzen im Besonderen? Welche praxistauglichen Maßnahmenbündel führen am effektivsten zu einer rationalen Anwendung antiinfektiver Substanzen? Wie lassen sich diese Strategien am effizientesten in Krankenhäusern umsetzen?