Für die maßgeschneiderten Therapien der Zukunft einer personalisierten Medizin steht die Radiologie im Mittelpunkt einer individualisierten Diagnostik. Neben der klassischen Erhebung und Beurteilung des Bildbefundes liegen in vielen Bilddatensätzen bereits heute zusätzliche Informationen vor, die für geschlechts- und andere gruppenspezifische Risikostratifikationen genutzt werden könnten. Zunehmend hat sich die Körperzusammensetzung, also die Verteilung von Muskel, Knochen und Fettgewebe im menschlichen Körper, als ein wichtiger Indikator für die individuelle körperliche Fitness und als möglicher Risikofaktor für klinische Ausgänge etabliert. Im Gegensatz zu dem weit verbreiteten Body Mass Index (BMI) lässt sich anhand der Körperzusammensetzung differenzieren, welche Gewebeanteile zum Körpergewicht beitragen. Der BMI kann nämlich keine Informationen zum Verhältnis von Fettgewebe und Muskelmasse zum individuellen Körpergewicht liefern. Folglich können zwei verschiedene Personen trotz gleichem BMI, Geschlecht und Alter eine komplett unterschiedliche Körperzusammensetzung besitzen. Da sich dank der Bildgebung die Körperzusammensetzung (im Englischen als „Body Composition“ bezeichnet) zuverlässig bestimmen lässt, ist das wissenschaftliche und klinische Interesse an einem Einsatz in der alltäglichen klinischen Routine stetig gewachsen. Bisher bleiben leider wichtige metabolische Informationen aus Bilddatensätzen häufig ungenutzt, obwohl die Analyse der Körperzusammensetzung aus der Bildgebung ohne zusätzliche Belastung für die Patienten und Patientinnen möglich ist. Die moderne Radiologie muss und will sich dieser Herausforderung stellen, um die Qualität der medizinischen Versorgung und Prävention weiter zu verbessern. Die hier vorgestellten Forschungsarbeiten leisten ein Beitrag für die Etablierung einer individualisierten Bildgebung mit ergänzenden metabolischen Informationen in der klinischen Routine. Aufgrund der demographischen Entwicklung und des steigenden Kostendrucks auf das Gesundheitssystem gewinnt die Prävention negativer Ausgänge eine zunehmende Bedeutung. Dabei kann die Radiologie der Zukunft einen Beitrag liefern, da eine zunehmende Anzahl von Personen diagnostische Bildgebung erhalten werden. Im Rahmen der CT-Bildgebung in der klinischen Routine sollen zukünftig opportunistische Screenings mögliche prognostische Parameter der Körperzusammensetzung – wie zum Beispiel Sarkopenie – detektieren und Personen mit drohender Gebrechlichkeit („Frailty“) identifizieren. In der ersten methodischen Originalarbeit wird die Voraussetzung für den Einsatz der automatisierten Analyse der Körperzusammensetzung in der klinischen Routine geschaffen, während in der zweiten methodischen Originalarbeit die Voraussetzung für die Definition eines klinischen Endpunktes geschaffen wird, um die klinische Relevanz der KI-basierten Körperzusammensetzung überprüfen zu können. Ganz im Sinne der Mehrwertinitiativen von Digital Health und der Präzisionsmedizin werden dabei mithilfe von KI bereits vorhandene, aber bisher ungenutzte Informationen aus den individuellen Bilddaten ausgewertet. In der methodischen ersten Originalarbeit wird weltweit zum ersten Mal ein bereits im PACS integrierte und KI-basiertes Netzwerk zur Analyse der Körperzusammensetzung in der CT auf Höhe des dritten Lendenwirbelkörpers mit automatischer Erkennung des dritten Lendenwirbels trainiert und validiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die PACS-integrierte und automatisierte Analyse der Körperzusammensetzung mit extremer Geschwindigkeit und hoher Zuverlässigkeit möglich ist. Damit steht erstmals eine Software-Lösung zur Verfügung, die eine rasante digitale Auswertung großer Bilddatensätze zur Analyse der Körperzusammensetzung ohne zusätzlichen Datentransfer ermöglicht. Im Vergleich zu anderen bereits etablierten semi-manuellen Methoden ist es dadurch möglich, vergleichsweise große Studienkohorten zu analysieren. Dabei können ergänzende metabolische Informationen routinemäßig gewonnen werden, ohne dass dadurch weitere Belastungen für die Patienten und Patientinnen entstehen. Um die klinische Relevanz der KI-basierten Analyse der Körperzusammensetzung untersuchen zu können, werden definierte Endpunkte benötigt. Für die Festlegung des Endpunkts „progressive Aortendilatation“ der Aortenwurzel bei Personen mit Marfan-Syndrom wurde in der methodischen zweiten Originalarbeit die Messgenauigkeit der EKG-getriggerter CT-Angiographie mit der TTE verglichen. Der Vergleich der Messungen in den Bildgebungsmodalitäten CT-Angiographie und TTE erfolgte anhand von Bland-Altman-Grafiken. Die Ergebnisse zeigten, dass bei den seltenen genetischen Aortenerkrankungen große individuelle Messunterschiede vorliegen können, die ein Risiko für das Monitoring bei Personen mit Marfan-Syndrom und verwandten Erkrankungen darstellen. Hier besteht möglicherweise ein Zusammenhang zu der hohen Gefahr der Aortendissektion bzw. -ruptur beim Vorliegen einer progressiven Aortendilatation. Um eine korrekte und vergleichbare Messung der Aortenwurzel durchzuführen, kann daher die EKG-getriggerte CT-Angiographie zum Monitoring bevorzugt werden. Diese Erkenntnisse erlauben die Festlegung, dass für Definition des Endpunktes „progressive Aortendilatation“ bei Marfan-Syndrom nur die genaueren Messungen der EKG-getriggerten CT-Angiographie genutzt werden sollten. Der nun definierte Endpunkt kann für die weitere Auswertung der klinischen Relevanz der KI-basierten Körperzusammensetzung genutzt werden. In den folgenden retrospektiven Studien zum klinischen Einfluss der KI-basierten Körperzusammensetzung wurden verschiedene Studienkohorten ausgewertet. In der klinischen dritten Originalarbeit wurden Personen mit Marfan-Syndrom eingeschlossen, die noch keinen operativen Aortenersatz aufwiesen und innerhalb von zwei Jahren eine Verlaufskontrolle mittels EKG-getriggerter CT-Angiographie erhalten hatten. Aus den bereits vorhandenen Bilddaten wurde die Körperzusammensetzung mittels der neu etablierten KI-basierten Methode analysiert. Es zeigte sich, dass bei Personen mit Marfan-Syndrom eine erhöhte Muskeldichte und ein größerer Psoasmuskel-Index die progressive Aortendilatation vorhersagen können. Da diese bildbasierten Biomarker der Muskulatur mit dem Grad des Trainings korrelieren, kann die Analyse der Körperzusammensetzung dazu beitragen, negative Prädiktoren für eine potenziell lebensbedrohliche, progressive Aortendilatation zu identifizieren und Empfehlungen zum Lebensstil und OP-Zeitpunkt auszusprechen. In der klinischen vierten Originalarbeit wurde der Einfluss der KI-basierten Körperzusammensetzung bei Empfängern aus dem „Eurotransplant Senior Program“ untersucht, das älteren Empfängern Nierentransplantate von älteren Organspendenden zuweist. Die retrospektive Studie konnte einen Einfluss der KI-basierten Körperzusammensetzung auf das zensierte und unzensierte (= nicht zensiert für Tod) Kurzzeit- und Langzeitüberleben der Nierentransplantate belegen. Interessanterweise ist das Kurzzeitüberleben der Nierentransplante stärker von einer reduzierter Muskelmasse beeinflusst, während das Langzeitüberleben der Nierentransplantate stärker durch eine erhöhte viszerale Fettmasse negativ beeinflusst wird. Eine mögliche Erklärung könnte darin bestehen, dass perioperative Komplikationen bei Sarkopenie häufiger auftreten, während vermehrtes Fettgewebe mit einer Verschlechterung der Nierenfunktion assoziiert ist. Im Gegensatz zum Transplantatüberleben, wurde das Überleben der meist multimorbiden Empfänger durch die KI-basierte Körperzusammensetzung nicht beeinflusst. Die frühzeitige Identifikation möglicher Risikofaktoren anhand der Bildgebung könnte helfen, durch Präventionsmaßnahmen das Überleben der Nierentransplantate in Zukunft zu verbessern. Die Identifikation von bildbasierten Biomarkern hat auch in der Onkologie eine große Bedeutung, da sie helfen könnten durch Präzisionsmedizin klinische Ausgänge zu verbessern. Daher wurde in der klinischen fünften Originalarbeit der Einfluss der KI-basierten Körperzusammensetzung auf das Überleben bei Krebserkrankten mit Pankreaskarzinom untersucht. In dieser retrospektiven Studie wurden die Daten der initialen CT-Bildgebung genutzt, um die Körperzusammensetzung zum Zeitpunkt der Diagnose mittels KI-basierter Analyse auszuwerten. Die Auswertung ergab, dass vor allem bei Krebserkrankten, die eine chirurgische Behandlung erhielten, die Muskelmasse ein wichtiger prognostischer Biomarker ist. Im Verlauf von drei Jahren wurde das Vorhandensein von Sarkopenie und reduzierter Muskelmasse zu einem ebenso bedeutsamen negativen Prädiktor für das Überleben wie die chirurgische Behandlung. Aufgrund der geringen Lebenserwartung bei Patienten und Patientinnen mit Pankreaskarzinom unterstreichen die Ergebnisse, dass die Körperzusammensetzung einen gewichtigen Einfluss auf die Lebenserwartung haben könnte. Eine mögliche Erklärung könnte darin liegen, dass onkologische Patienten und Patientinnen häufig an Kachexie leiden und die intensive Chemotherapie die körperlichen Reserven stark beansprucht. Die Detektion von Erkrankten mit dem Risikofaktor Sarkopenie könnte hilfreich sein, um z.B. durch individuelle Trainingsprogramme und proteinreiche Ernährung die Widerstandskraft zu stärken. Aufgrund der vorgelegten methodischen Originalarbeiten konnten erstmals eine PACS-integrierte Analyse der Körperzusammensetzung auf Höhe des dritten Lendenwirbelkörpers etabliert werden und deren Einfluss bei einem definierten Endpunkt bestimmt werden. Die folgenden klinischen Studien nutzten bereits vorhandene Bilddaten, deren metabolische Informationen bisher nicht genutzt werden konnten. Dabei wurde deutlich, dass die KI-basierte Analyse der Körperzusammensetzung aus CT-Bildgebung in der klinischen Routine ohne größeren Aufwand möglich ist. Die gewonnenen Erkenntnisse vermögen wegen der potenziell lebensbedrohlichen progressiven Aortendilatation bei Personen mit Marfan-Syndrom, dem großen Mangel an Spendern von Nierentransplantaten und der schlechten Prognose bei Krebserkrankten mit Pankreaskarzinom einen relevanten klinischen Beitrag leisten. Durch die Automatisierung und Implementation der Analyse bereits vorhandener, aber bisher noch nicht genutzter Informationen aus der Bildgebung kann die KI-basierte Analyse der Körperzusammensetzung individuelle metabolische Informationen bereitstellen, ohne dass dadurch eine zusätzliche Belastung für die Patienten und Patientinnen entsteht. Die gewonnen Informationen stehen prinzipiell allen Disziplinen der Medizin zur Verfügung und können genutzt werden, um die Prävention zu stärken. Zum Beispiel könnte durch die prä-operative Identifikation von gebrechlichen Personen mit Sarkopenie durch präventiv gezieltes Training oder präventiv proteinreiche Ernährung der Erfolg der Operation optimiert werden. Im Kontext von Digital Health und Präzisionsmedizin kann die Anwendung dieser neuen digitalen Medizintechnologie zur KI-basierten Analyse der Körperzusammensetzung die Effizienz der Gesundheitsversorgung durch die Detektion von Risikofaktoren in der klinischen Routine verbessern und dadurch Therapieplanungen individueller und wirkungsvoller gestalten. Die zusätzlichen metabolischen Informationen sind bereits in der Bildgebung vorhanden und können ohne zusätzliche Belastung für die Patienten und Patientinnen für eine Verbesserung des Gesundheitssystems genutzt werden.