Die Pathogenese einer großen Anzahl von Störungen der Geschlechtsentwicklung (DSD) konnte in den letzten Jahren mit Hilfe der Molekulargenetik geklärt werden. Meine Arbeiten konnten dazu beitragen die Häufigkeit und die klinische Bedeutung von WT1 und NR5A1-Mutationen bei verschiedenen Phänotypen von XY DSD zu bestimmen. NR5A1-Muationen sind aktuell mit einer Häufigkeit von 10-15 % die häufigste Ursache von XY DSD und partieller Gonadendysgenesie unterschiedlicher Ausprägung. XY Patienten mit NR5A1-Mutationen können in der Pubertät eine ausreichende Testosteronproduktion für eine normal männliche Pubertätsentwicklung entwickeln. WT1-Mutationen sind mit einer Häufigkeit von etwa 7,5% deutlich seltener bei XY DSD und Gonadendysgenesie. Eine WT1-Analyse sollte aber bei XY DSD und Gonadendysgenesie immer erfolgen, da Mutationsträger ein sehr hohes Risiko haben im Verlauf eine Nierenerkankung zu entwickeln. Regelmäßige klinische Kontrollen sind dringend indiziert, um eine Nierenerkrankung frühzeitig zu erkennen und behandeln. Das Risiko einen malignen gonadalen Tumor zu entwickeln sollte bei NR5A1-Mutationen und WT1 Nonsense- und Missense-Mutationen durch Longitudinalstudien evaluiert werden. Vorrausichtlich können in den nächsten Jahren die genetischen Ursachen weiterer Fälle von XY und XX DSD mit den neueren molekulargenetischen Methoden (CGH-Array, Exon- und Genomsequenzierung) geklärt werden. Die Analysen der Langzeitergebnissen von DSD aus der deutschen multizentrischen klinischen Evaluationsstudie zeigen, dass Jugendliche und Erwachsene mit DSD häufig Probleme mit Partnerschaften und Sexualität haben und dass Erwachsene mit XY DSD sehr häufig mit dem Operationsergebnis der genitalen Rekonstruktionsoperation unzufrieden sind und sehr oft sexuelle Probleme haben. Die genitale Rekonstruktionsoperation des intersexuellen Genitale kann die Ursache einiger sexueller Probleme sein. Aber auch andere Faktoren wie Scham, Ängste und das Gefühl des Andersseins, aufgrund der besonderen Genitalentwicklung, Gonadektomie und Hormonsubstitution, Infertilität, Mangel and Androgenwirkung, Geheimhalten der Diagnose oder der Mangel an professioneller und sozialer Unterstützung können einen negative Einflüsse auf die Sexualität haben. Der Deutsche Ethikrat empfiehlt nach einer umfassenden Analyse der Situation intersexueller Menschen, dass die Entscheidung über irreversible medizinische Maßnahmen grundsätzlich von den Betroffenen selbst getroffen werden sollte. Diese Empfehlung gilt insbesondere für Gonadektomien, Hormontherapien und rekonstruktive Genitaloperationen. Darüber hinaus ist das Thema Geschlecht (Gender) in den letzten Jahren ins allgemeine gesellschaftliche Bewusstsein gerückt und die Gesellschaft ist bezüglich Unterschieden der Geschlechtsentwicklung offener geworden. Die biologische Prägung der menschlichen Geschlechtsentwicklung konnte nachgewiesen werden. Das bipolare Geschlechtskonzept wurde verlassen. Im Rahmen von DSD werden aktuell die Konzepte der Zweigeschlechtlichkeit des Menschen und des Kontinuums der Geschlechter (Gender) diskutiert. Diese Entwicklungen haben zu einem Umdenken und einer Verbesserung der Behandlung von Menschen mit Unterschieden der Geschlechtsentwicklung geführt. Es wird inzwischen offen mit den Familien über die Ursachen der unterschiedlichen Geschlechtsentwicklung gesprochen und gegengeschlechtliche angleichende Operationen ohne Einwilligung des Kindes werden bei XY DSD nicht empfohlen. Eine psychologische Betreuung der Familien und der Kontakt zu anderen Betroffenen sind neben der medizinischen Behandlung und Beratung in dieser besonderen Situation unbedingt erforderlich. Durch die Verbesserung der Behandlung und die zunehmende gesellschaftliche Toleranz und Akzeptanz sollte zukünftig eine bessere psychische Lebensqualität und gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit unterschiedlicher Geschlechtsentwicklung zu erwarten sein.
In the recent years, the pathogenesis of many disorders of sex development with XY karyotype (XY DSD) could be elucidatd by molecular biologic studies. This work contributes to determining the frequency and clinical significance of WT1 and NR5A1 mutations in individuals with different phenotypes of XY DSD. Up to date, NR5A1 mutations (10-15%) are the the most frequent cause of XY DSD and partial gonadal dysgenesis. XY patients with NR5A1 mutations can produce sufficient testosterone production for normal male pubertal development. WT1 mutations (7.5%) are less frequent in XY DSD and gonadal dysgenesis. However, WT1 analysis should be always performed in XY DSD and gonadal dysgenesis, as patients with WT1 mutations have a very high risk to develop renal disease. Close clinical follow-up is mandatory for early diagnosis and treatment of renal disease in these patients. The risk for development of malignant gonadal tumors in patients with NR5A1 mutations and WT1 nonsense and missense mutations is unclear and should be investigated through longitudinal studies. Certainly, the genetic causes of further cases with XY DSD will be elucidated through novel molecular biologic methods (CGH-Array, exome and whole genome sequencing) in the next years. Long-term outcome data of DSD from the German Multicenter Clinical Evaluation Study show that adolescents and adults with DSD often present problems with intimate relationships and sexuality. Adults are very often dissatisfied with the surgical result of previous reconstructive genital surgery and report frequently sexual problems. Genital reconstructive surgery of ambiguous genitalia can be the cause of some of the sexual problems, but also factors as shame, fears and the feeling of being different because of different genital development, gonadectomy, hormone substitution, infertility, lack of androgen action, nondisclosure of the diagnosis or the lack of psychological and social support could have negative influences on sexuality. In 2010, the German Ethical Counsil has performed a comprehensive analysis of the situation of intersex persons and recommends that only the affected person should decide on irreversible medical procedures as reconstructive genital surgery, gonadectomy and hormone therapies. Moreover, in the recent years the gender issue has moved into public focus and society has opened up with regard to different sex development. Biological priming effects on human gender development could be demonstrated. The bipolar concept of gender (female or male) has been given up. In contrast the concepts of bigender or continuum of gender (female and male) are prevalent at present. These developments have also contributed to a great extent to change and improvement of treatment and care of individuals with differences of sex development. Up to date, the causes of different sex development and options for treatment and care are explained thoroughly and sensitively to the patients and families. Surgery aligning genitals with the assigned sex without patient’s consent are not recommended in YX DSD. Psychological care of the families and contact to other affected persons or families is recommended in addition to medical care. In the future, improvement of care and increasing acceptance by society should change for the better quality of life, psychological well-being and social participation of persons with different sex development.