Zwangsmaßnahmen sind Ausdruck des Spannungsfeldes zwischen zwei gegensätzlichen Polen, in dem sich die Psychiatrie bewegt: Der Hilfe zur Autonomie und der Fürsorge für nichtselbstbestimmungsfähige Personen. Das Ziel dieser Dissertation ist die Evaluation einer Nachbesprechung einer Zwangsmaßnahme in Bezug auf das subjektive Erleben von Zwang in der Behandlung der betroffenen Patient:innen. Die Nachbesprechung einer Zwangsmaßnahme soll deren emotionale Bewältigung erleichtern und gegenseitiges Verständnis für ihr Zustandekommen fördern. Die Nachbesprechung könnte Teil eines partizipativen, patientenorientierten Behandlungskonzepts sein, welches Autonomie fördert und insbesondere auch die „Reparatur“ von Brüchen in der therapeutischen Beziehung anstrebt. Derzeit gibt es jedoch kaum Evidenz aus kontrollierten Studien, die untersuchen, ob es sich hierbei um eine wirksame Intervention handelt. Im Rahmen der vorliegenden randomisiert-kontrollierten, multizentrischen Studie wurden n = 105 Patient:innen mit schweren psychischen Erkrankungen aus sechs Kliniken in Berlin, die während ihrer aktuellen Hospitalisierung mindestens eine Zwangsmaßnahme erlebt haben, untersucht. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Zwischenauswertung vor Abschluss der Datenerhebung. Der primäre Endpunkt subjektiver Zwang wurde mit den Instrumenten MacArthur Admission Experience Survey (AES), Coercion Ladder (CL) und Coercion Experience Scale (CES) operationalisiert und gemessen. Die primäre Analyse des primären Endpunktes wurde in einer modifizierten Intention-to-treat-(mITT)-Stichprobe durchgeführt. Als Sensitivitätsanalyse wurde der primäre Endpunkt auch in den Per-protocol-(PP) und As-treated-(AT)-Stichproben betrachtet. Als sekundäre Studienfrage wurde der Einfluss von psychosozialer Funktion, Diagnose, Geschlecht, Alter und der von den Patient:innen angenommenen Gründe für die Zwangsmaßnahme auf den subjektiv erlebten Zwang betrachtet. Es zeigte sich in der mITT-Analyse kein signifikanter Unterschied hinsichtlich subjektiv erlebten Zwangs (AES, CL und CES) zwischen der Nachbesprechungsgruppe und der Treatment as usual (TAU-) Gruppe. In der Sensitivitätsanalyse (AT) gab es hingegen einen signifikanten Gruppenunterschied im Sinne einer Reduktion des subjektiven Zwangs in der Interventionsgruppe. In der PP-Stichprobe zeigte sich ein signifikanter Interaktionseffekt zwischen Gruppe und Geschlecht hinsichtlich CES- und AES-1-Scores, wobei die Nachbesprechung bei Frauen den empfundenen Zwang reduzierte. Es kann interpretiert werden, dass eine Nachbesprechung hilfreich sein kann, um subjektiv empfundenen Zwang zu reduzieren, wobei sich in der vorliegenden Zwischenauswertung keine eindeutige Evidenz hierfür zeigte. Weitere Untersuchungen mit höherer Fallzahl sind notwendig, um die gefundenen Tendenzen zu bestätigen und um mögliche geschlechtsspezifische Unterschiede weiter zu erforschen.
Coercive measures are an expression of the tension between two opposing poles in which psychiatry operates: assistance to autonomy and care for persons incapable of self-determination. The aim of this dissertation is the evaluation of a debriefing of a coercive measure regarding the subjective perception of coercion of the affected patients. The debriefing of a coercive measure is supposed to facilitate its emotional coping and promote mutual understanding of its occurrence. Debriefing could be part of a participatory, patient-centered approach to treatment that promotes autonomy and, in particular, seeks to "repair" breaks in the therapeutic relationship. However, there is currently little evidence from controlled trials examining whether this is an effective intervention. The present randomized-controlled, multicenter study examined n = 105 patients with severe mental illness from six hospitals in Berlin, who experienced at least one coercive intervention during their current hospitalization. The present work is an interim analysis prior to the completion of data collection. The primary endpoint of subjective coercion was operationalized and measured using the MacArthur Admission Experience Survey (AES), Coercion Ladder (CL), and Coercion Experience Scale (CES) instruments. Primary analysis of the primary endpoint was conducted in a modified intention-to-treat (mITT) sample. As a sensitivity analysis a per-protocol (PP) and an as-treated (AT) sample of the primary endpoint were conducted. As a secondary study question, the influence of psychosocial functioning, diagnosis, gender, age, and the patients assumed reasons for the coercive measure on subjectively experienced coercion were considered. There was no significant difference in mITT analysis regarding subjectively experienced coercion (AES, CL, and CES) between the debriefing group and the treatment as usual (TAU) group. In contrast, in the sensitivity analysis (AT), there was a significant group difference in terms of a reduction in subjective coercion in the intervention group. In the PP sample, there was a significant interaction effect between group and gender in terms of CES and AES-1 scores, with debriefing reducing perceived coercion in women. It can be interpreted that debriefing may be helpful in reducing subjectively perceived coercion, although no clear evidence for this was shown in the present interim analysis. Further studies with higher case numbers are needed to confirm the trends found and to further explore possible gender differences.