Einleitung: BRCA-Mutationsträgerinnen haben ein erhöhtes Risiko an Brust- und Eierstockkrebs zu erkranken. Das richtige Verständnis ihres Risikos ist von entscheidender Bedeutung, da sie gemeinsam mit ihren beratenden Ärzt*innen klinische Empfehlungen abwägen und über risikoreduzierende Maßnahmen entscheiden müssen. Ratsuchende sind nach einer Befundmitteilung häufig einer hohen psychosozialen Belastung ausgesetzt. Die Faktoren Risikoeinschätzung, krankheitsspezifische Angst und der Informationsbedarf spielen hierbei eine wichtige Rolle. Die Risikoeinschätzung sowie die Krankheitsangst beeinflussen wiederum das Gesundheitsverhalten und die Lebensqualität der Ratsuchenden. Eine evidenzbasierte und verständlich vermittelte Risikoinformation befähigt Ratsuchende autonome und informierte Entscheidungen zu treffen. Es gibt bislang kaum Studien, die das objektiv berechnete 10-Jahres-Risiko von BRCA-Mutationsträgerinnen mit dem subjektiv eingeschätzten Risiko vergleichen. Es wurden außerdem in keiner Studie die wechselseitigen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Facetten der Risikoeinschätzung, psychosozialer Faktoren und dem Informationsbedarf untersucht. Diese Forschungslücken soll die vorliegende Arbeit schließen. Methode: Untersuchungsdesign der Studie war eine querschnittliche, nicht-interventionelle, monozentrische Beobachtungsstudie. Sie basierte auf einer Stichprobe von 88 BRCA-Mutationsträgerinnen. Die Studienteilnehmer*innen wurden nach der Beratung mit Selbstbeobachtungsfragebögen zu soziodemografischen und klinischen Daten sowie zu Risikoeinschätzung, krankheitsspezifischer Angst, der Inanspruchnahme von prophylaktischen Operationen und Informationsbedarf befragt. Die subjektive Risikoeinschätzung der Frauen wurde mit ihrem objektiv berechneten Erkrankungsrisiko verglichen. Außerdem wurden die wechselseitigen Zusammenhänge zwischen verschiedenen Facetten der Risikoeinschätzung, psychosozialer Faktoren und dem Informationsbedarf untersucht. Ergebnisse: Es zeigten sich zum Teil deutliche Fehleinschätzungen der Erkrankungsrisiken. 53,2 % der Befragten überschätzten ihr 10-Jahres-Brustkrebsrisiko, 22,6 % unterschätzten es. Bei Eierstockkrebs überschätzten 51,9 % ihr Risiko, während es 5,6 % unterschätzten. Die Befragten unterschieden sich dabei weder hinsichtlich soziodemografischer Faktoren noch hinsichtlich klinischer Faktoren. An Brustkrebs erkrankte Studienteilnehmerinnen zeigten eine höhere krankheitsspezifische Angst als jene ohne Erkrankung. Die krankheitsspezifische Angst stand sowohl bei erkrankten als auch nicht erkrankten Ratsuchenden in einem stärkeren Zusammenhang mit der verbalen Risikoeinschätzung als mit der numerischen Risikoeinschätzung. Auch der Informationsbedarf war bei den Frauen mit einem hohen verbalen Risikogefühl und einer hohen krankheitsspezifischen Angst höher. Frauen mit Kindern hatten einen signifikant höheren Informationsbedarf als Frauen ohne Kinder. Fazit: Ratsuchende können häufig – auch nach der Beratung – ihr Risiko nicht korrekt einschätzen. Wenn Ratsuchende ihr Risiko verbal hoch einschätzen, haben sie eine höhere krankheitsspezifische Angst. Dies hat vor allem hinsichtlich der Überschätzung bereits eine besondere Relevanz für die ärztliche Beratung: Beratende Ärzt*innen müssen darauf vorbereitet sein, die Risikoeinschätzung der Ratsuchenden zu bewerten, nachzufragen, wie hoch sich das Risiko anfühlt und für eine erhöhte krankheitsspezifische Angst sensibilisiert sein. Nur so kann ein entlastender, nachhaltiger und gemeinsamer Entscheidungsfindungsprozess stattfinden.
Introduction: BRCA mutation carriers are at increased risk of developing breast and ovarian cancer. Accurate risk understanding is crucial, as counselees must decide on risk-reducing measures. Counselees are often exposed to a high level of psychosocial stress after being informed of their mutation status. Risk perception, cancer worry and the need for information play an important role here. Risk perception as well as cancer worry significantly influence health behavior and quality of life. Evidence-based and easily accessible risk information empower counselees to make autonomous and informed decisions. There are few studies that calculate the objective 10-year risk of BRCA mutation carriers and compare it to the subjective risk. There are also no studies examining the interrelationships between different facets of risk perception, psychosocial factors, and information needs. The present study aims to fill these research gaps. Methods: The study's research design was a cross-sectional, non-interventional, monocentric observational study. It was based on a sample of 88 BRCA mutation carriers. They were interviewed after counseling with questionnaires on sociodemographic and clinical data as well as risk perception, cancer worry, use of prophylactic surgery, and information needs. Women's subjective risk perception was compared with their objectively calculated risk. Furthermore, the associations between different facets of risk perception, psychosocial factors, and information needs were examined. Results: Significant overestimation of cancer risk was found. 53.2% of participants overestimated their 10-year breast cancer risk, and 22.6% of participants underestimated it. For ovarian cancer, 51.9% overestimated their risk, while 5.6% underestimated it. Participants did neither differ on sociodemographic factors nor on clinical factors. Participants with breast cancer showed higher cancer worry than participants without breast cancer. Cancer worry was more strongly related to verbal risk perception than to numerical risk perception in both diseased and nondiseased counselees. Information needs were also higher among women with a high verbal risk perception and high cancer worry. Women with children had significantly higher information needs than women without children. Conclusion: Counselees are often unable to correctly assess their risk, even after counseling. When counselees verbally overestimate their risk, they have higher cancer worry. This is particularly relevant in view of common overestimation. Consulting physicians must be prepared to evaluate the risk perception of those seeking advice, to ask how high the risk feels and to be sensitized to increased cancer worry. This is the prerequisite for a sustainable, empowering and shared decision-making.