Chronische Depressionen sind als Subtyp depressiver Erkrankungen durch eine persistierende depressive Symptomatik von mindestens zwei Jahren charakterisiert. Im Unterschied zu nicht chronischen Verlaufsformen weisen die Betroffenen u.a. ein geringeres Ersterkrankungsalter, längere Behandlungsverläufe und eine höhere Therapieresistenz auf. Von ätiologischer Bedeutung für chronische Depressionen scheint eine erhöhte Rate an Kindheitstraumatisierungen zu sein, insbesondere in Form emotionaler Vernachlässigung und emotionalem Missbrauch. Diese wiederkehrenden Erfahrungen erlebter Hilflosigkeit werden mit negativen Auswirkungen auf die Entwicklung affektiver und kognitiver Schemata assoziiert, die die Aufrechterhaltung depressiver Symptome sowie psychopathologische Besonderheiten der Betroffenen mit chronischen Depressionen erklären könnten. Unter dieser Hypothese wurden im Rahmen der vorliegenden Habilitationsschrift fünf Studien zusammengetragen, die sich mit psychopathologischen Besonderheiten der Affektivität und Kognition von chronischen Depressionen beschäftigen und den Einfluss einer störungsspezifischen Psychotherapie auf die Psychopathologie von chronischen Depressionen untersuchen. In Studie 1 wurden zwei experimentelle Untersuchungen zum Einfluss zweier verschiedener Arten von negativer Stimmungsinduktion durchgeführt. Dabei zeigte sich unter einer spezifischen Stimmungsinduktion, bei der individuelle auditive Traumaskripte basierend auf erlebten Kindheitstraumatisierungen für die Stimmungsinduktion benutzt wurden, eine erhöhte affektive und kognitive Reaktivität in der Patient:innengruppe. Unter einer unspezifischen Stimmungsinduktion mit Hilfe von emotional negativen Bildern und trauriger Musik dagegen, ließ sich keine signifikante Veränderung der Affektivität und der Kognition detektieren. Betroffene mit chronischen Depressionen zeigten hier im Gegensatz zu gesunden Kontrollpersonen eine abgestumpfte Reaktivität (engl. blunted emotional reactivity). Diesen Befund aufgreifend, wurde in Studie 2 untersucht, ob es sich bei der abgestumpften Reaktivität auf emotionale Reize um ein psychopathologisches Charakteristikum der chronischen Depressionen handelt. Dabei zeigte sich hypothesenkonform, dass Betroffene, die sich im Erkrankungsverlauf, nicht der Erkrankungsschwere, unterschieden eine hohe affektive Reaktivität auf eine unspezifische Stimmungsinduktion zeigten, die mit der Antwort gesunder Kontrollpersonen vergleichbar war. Demnach scheint eine abgestumpfte Reaktivität auf emotionale Reize ein psychopathologisches Charakteristikum der chronischen Depressionen im Gegensatz zu nicht-chronischen Verläufen zu sein. Aus diesen beiden eigenen Befunden sowie weiteren, allerdings heterogenen Befunden aus der Literatur, ergab sich die Frage, ob die reduzierte affektive und kognitive Reaktivität auf emotionale soziale Reize Auswirkungen auf die soziale Funktionsfähigkeit von Betroffenen mit chronischen Depressionen hat, die u.a. durch die hohe Rate an Einsamkeit und sozial-vermeidendem Verhalten in dieser Gruppe nahegelegt werden. In Studie 3 wurde hierzu Empathiefähigkeit in Form eines Selbstberichts (subjektiv) sowie in Form eines computerisierten Verhaltensexperiments (objektiv) untersucht. Dabei gaben beide Gruppen, Betroffene mit chronischer und nicht-chronischer Depression, subjektive Defizite ihrer Empathiefähigkeit an, welche sich entgegen der Hypothese jedoch nicht objektiv bestätigen ließen. Es zeigte sich in dieser Versuchsanordnung demnach kein spezifisches Empathiedefizit assoziiert mit chronischen Depressionen, obwohl ein eingeschränktes soziales Funktionsniveau, das Ausdruck eines Empathiedefizits sein könnte, für die Betroffenen als charakteristisch angenommen wird. Das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) ist mit einem interpersonellen Fokus speziell für diese interpersonellen Besonderheiten dieser Betroffenengruppe konzipiert worden. Es adressiert dysfunktionale kognitiv-affektive Schemata, um Betroffenen dabei zu helfen, zwischenmenschliche Situationen zu bewältigen und soziales Vermeidungsverhalten zu überwinden. CBASP wurde ursprünglich als Einzeltherapie für das ambulante Setting entwickelt. In Studie 4 konnte repliziert werden, dass die Adaptation für ein multidisziplinäres stationäres Setting vergleichbar effektiv und auch im Rahmen einer Akutstation umsetzbar ist. Im Einklang mit den CBASP Modellannahmen konnte hierbei außerdem gezeigt werden, dass die Verringerung der Depressivität in Zusammenhang mit einer Verbesserung der zwischenmenschlichen Probleme steht. Sofern Empathiefähigkeit also bedeutsam für die Verbesserung der interpersonellen Probleme ist, kann angenommen werden, dass Betroffene mit chronischen Depressionen sehr wohl ein Empathiedefizit aufweisen, welches jedoch unter der Versuchsanordnung in Studie 3 nicht zu detektieren war. In Studie 5 wurde daher erneut ein objektives Verfahren der Empathiefähigkeit eingesetzt, welches diesmal jedoch unter einer emotionalen Stresssituation getestet wurde. Hierbei fungierte die in Studie 1 bereits erfolgreich eingesetzte Reaktivierung von Kindheitstraumatisierungen zur Stimmungsinduktion als individueller Stressor. In der Tat konnte unter dieser Bedingung ein Defizit der kognitiven Empathiefähigkeit im Vergleich zu gesunden Personen ermittelt werden. Es ließ sich zudem im Einklang mit dem theoretischen CBASP-Modell zeigen, dass es zu einer Verbesserung der Empathiefähigkeit im Rahmen einer Behandlung mit CBASP kommt, welche wiederum mit der Verbesserung der depressiven Krankheitsschwere assoziiert war. Zusammenfassend betonen die Ergebnisse dieser fünf Studien die klinische Relevanz spezifischer Therapieformen für Betroffene mit chronischen Depressionen, mittels derer gezielt affektive und kognitive Schemata adressiert werden, die mit Einschränkungen der sozialen Funktionsfähigkeit assoziiert sind. Unklar ist bislang ob sich das unter Laborbedingungen gezeigte Empathiedefizit von Betroffenen mit chronischen Depressionen auch in realen Interaktionen darstellen lässt und ob dies spezifisch mit CBASP oder unspezifisch auch mit anderen etablierten Therapieverfahren verbessert werden kann. Der Ausblick dieser Arbeit stellt daher mögliche Ansätze zukünftiger Forschungsdesigns dar, mit deren Hilfe interpersonelle Probleme alltagsnäher untersucht und für die Therapieevaluation verwendet werden können.
Chronic depression is a subtype of depressive disorders characterized by depressive symptoms that persist for at least two years. Compared to non-chronic forms of depression, patients suffer from an earlier disease onset, longer treatment duration and higher rates of treatment resistance. Childhood traumatization, particularly emotional neglect and emotional abuse, is supposed to increase the likelihood of depression chronicity. According to the cognitive model of depression, these recurrent episodes of helplessness are assumed to give rise to dysfunctional affective and cognitive schemata that increase the individual’s vulnerability to depression and maintain the depressive state. According to this hypothesis, the present thesis encompasses five studies on psychopathological features of chronic depression and on the impact of a therapeutic approach specifically developed for patients with chronic depression, i.e. the Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP). In study 1, two experiments on two different mood induction procedures were conducted. An individual mood induction based on an autobiographical episode of childhood traumatization increased affective and cognitive reactivity in patients with chronic depression, while an unspecific mood induction with pictures and sad music did not evoke statistically significant affective or cognitive reactions in patients in contrast to a healthy control group. Such blunted emotional reactivity was hypothesized to represent a specific psychopathological characteristic of chronic depression. Therefore, study 2 investigated the same experiment including patients with an equal symptom severity but non-chronic form of depression. In line with our hypothesis, patients with non-chronic depression showed high affective reactivity comparable to healthy controls. This finding supports the assumption of emotional bluntedness to be specific to chronic depression. These results, together with heterogeneous reports from the literature, raised the question whether reduced affective and cognitive reactions to emotional stimuli interfere with social functionality in patients with chronic depression. Therefore, in study 3 affective and cognitive empathy were investigated via self-report (subjective) and via a computerized empathy task (objective). Both patient groups (chronic and non-chronic depression), reported subjective empathy deficits, however, contrary to the hypotheses, there were no objective deficits in comparison to a healthy control group. Thus, we did not find reduced empathy in patients with chronic depression, although interventions specifically tailored to these patients assume social dysfunctions as relevant factor in the etiology and maintenance of chronicity. In this regard, CBASP addresses dysfunctional cognitive and affective schemas to help patients to cope with social interactions and to reduce social-avoidance behavior. Originally, CBASP was developed for individual outpatient sessions. Study 4 investigated an adoption of CBASP to a multidisciplinary inpatient treatment format. We replicated previous results on the effectiveness and feasibility of the inpatient treatment on a general acute psychiatric unit and showed that reduction in depressive severity was associated with a reduction in interpersonal problems, as the CBASP model predicts. The reduction in interpersonal problems was assumed to be related to an increased empathic functioning. Therefore, we investigated cognitive and affective empathy a second time, but changed the experimental design of study 3 by inducing emotional stress while performing the empathy task. For stress induction, we used the autobiographical mood induction procedure that turned out to increase affective and cognitive reactivity in study 1. We suggested that impairments in empathy may become apparent only when patients are in stressful emotional situations. Indeed, study 5 revealed that patients with chronic depression exhibited reduced empathy in comparison to healthy controls, as expected. Moreover, empathic functioning normalized over CBASP treatment, as a function of the reduction in depressive severity, as the CBASP model predicts. Such reduced cognitive and emotional empathy are supposed to exacerbate real-life interpersonal conflicts, which may in turn contribute to the chronicity of depression. In summary, the results of the five studies demonstrate the clinical relevance of specific interventions for patients with chronic depression that target affective and cognitive schemas related to social functioning. It is a matter of debate, whether such deficits under laboratory conditions can be transferred to deficits in real-life interactions and whether there are other interventions despite CBASP that increase empathic functioning in patients with chronic depression. The outlook of the present thesis introduces future applications for investigating social interactions in daily routine and for the evaluation of therapy.