Im Rahmen der ambitionierten „End TB strategy“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde für Niedriginzidenzländer das Ziel definiert, eine Elimination der TB als Gesundheitsproblem bis zum Jahr 2050 zu erreichen. Ein wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen TB-Kontrolle ist dabei nicht nur die Identifikation von Risikogruppen, sondern auch die Diagnose und Behandlung der LTBI sowie die optimierte Therapie der manifesten TB. Kinder stellen eine besonders vulnerable Gruppe für TB dar, da sie im Vergleich zu Erwachsenen ein erhöhtes Risiko für schwere, disseminierte Verläufe wie eine TBM haben. Wir konnten zeigen, dass ein Screening auf TB mit einem IGRA-Test bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen auch bei großen Flüchtlingszahlen durchführbar ist und dass nicht nur Kinder- und Jugendliche aus Hochinzidenzländern, sondern auch aus Ländern mit niedriger TB-Inzidenz aufgrund der Bedingungen während der Flucht und bei Unterbringung in Massenunterkünften ein hohes Risiko für eine TB-Infektion aufweisen. Die Flüchtlinge, bei denen eine LTBI diagnostiziert wurde, erhielten eine dreimonatige Chemoprävention mit RMP und INH. Die Therapie wurde insgesamt gut vertragen, die häufigste Nebenwirkung waren transiente gastrointestinale Beschwerden. Dabei stellte sich die Versorgung einer Patientengruppe, die häufig nur temporär untergebracht ist, als herausfordernd dar. Da eine LTBI keine meldepflichtige Erkrankung ist, ist die Nachverfolgung der betroffenen Kinder und Jugendlichen zusätzlich erschwert und damit das Risiko einer nicht adäquat durchgeführten Therapie erhöht. In einer weiteren Erhebungsstudie konnten wir zeigen, dass pädiatrische Pneumologen und Infektiologen in Deutschland, Österreich und der Schweiz meist nur wenige Kinder pro Jahr auf eine TB hin untersuchen und damit das Risiko besteht, dass das Wissen und Erfahrungen zur Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung außerhalb von Zentren deutlich abnehmen. Dies zeigte sich zum einem in einer deutlichen Heterogenität im Management der LTBI, zum anderen in der häufigen Verwendung von langwierigen INH-Monotherapien. Kürzere Kombinationstherapien von INH und RMP sind äußerst effektiv in der Prävention einer TB und mit einer deutlich besseren Medikamentenadhärenz assoziiert als INH-Monotherapien. Eine Therapie ohne Vorliegen von Symptomen durchzuführen, stellt eine große Herausforderung für die Patient*innen dar und es bedarf dringend der Evaluation noch kürzerer Therapien der LTBI auch bei Kindern. Da sich die Prinzipien der Therapie der TB für Erwachsene und Kinder nicht unterscheiden, sollten bei Kindern dieselben Serumspiegel der TB-Medikamente angestrebt werden, wie die, deren Effektivität in Studien bei Erwachsenen gut belegt sind. Wir konnten in einer ersten pharmakokinetischen Studie an 27 Kindern mit pulmonaler TB im Alter von 2-14 Jahren zeigen, dass Kinder niedrigere maximale Serumspiegel und eine verminderte AUC nach einer RMP-Dosis von 10mg/kg KG aufweisen als Erwachsene nach einer RMP-Standarddosis. Für eine adäquate Therapie benötigen Kinder deutlich höhere mg/kg Dosierungen als Erwachsene, was insbesondere für schwere Erkrankungsformen der TB äußerst relevant ist. Eine der schwersten Erkrankungsformen der TB stellt die TBM dar, für die vor allem jüngere Kinder ein hohes Risiko haben. Eine frühzeitige Diagnosestellung und Einleitung der Therapie sind maßgeblich für das spätere Outcome. In einer ersten Arbeit im Rahmen des europäischen Netzwerkes „ptbnet“ haben wir die Anwendung immunologischer und mikrobiologischer Diagnostikverfahren bei Kindern mit TBM in Niedriginzidenzländern untersucht. Siebenundzwanzig europäische Zentren nahmen an dieser multizentrischen, retrospektiven Studie teil. Wir konnten zeigen, dass die aktuellen diagnostischen Tests in Kombination zwar bei mehr als 80% der Kinder mit TBM-Verdacht einen zusätzlichen Hinweis auf eine TB geben, bei fast 20% muss eine Therapie jedoch allein aufgrund des Verdachtes eingeleitet werden. Es bedarf daher dringend einfach anzuwendender, optimalerweise direkt verfügbarer Diagnostika, um alle Kinder mit TBM zu erfassen. In der Auswertung des Managements und Outcomes der TBM in derselben Kohorte zeigte sich eine hohe Morbidität und Mortalität, obwohl sich nur wenige Kinder in einem fortgeschrittenen Erkrankungsstadium präsentierten. Wir konnten den mikrobiologischen Nachweis von M. tuberculosis sowie die Notwendigkeit einer neurochirurgischen Intervention und einer mechanischen Beatmung als Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf identifizieren. Bei einem relevanten Anteil der Kinder wurden die aktuellen Dosisempfehlungen für die antituberkulösen Medikamente sowie die anti-inflammatorische Therapie nicht umgesetzt und niedrigere Dosen verwendet. Zusammenfassend konnten wir in unseren Arbeiten zeigen, dass bei Kindern und Jugendlichen das Screening auf TB in Risikogruppen durchführbar und notwendig ist, dass die diagnostischen Möglichkeiten einer TB insbesondere für die schwere Erkrankungsform einer TBM eine unzureichende Sensitivität aufweisen und dass für das Management und Therapie der TB bei Kindern weiterhin ein Optimierungsbedarf besteht. Die konsequente Detektion von LTBI/TB im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen und Screening von Risikogruppen sowie die Therapie der LTBI mit kürzeren, vereinfachten Therapien stellen die wichtigsten Maßnahmen in Niedriginzidenzländern dar, um das Ziel einer TB-Elimination zu erreichen. Zur Senkung der Morbidität und Mortalität schwerer Erkrankungsformen sind die Generierung und Anwendung weiterer Evidenz aus Therapiestudien zur Optimierung der Versorgung essentiell. In Niedriginzidenzländern ist das Risiko für eine abnehmende Expertise hoch und es bedarf Maßnahmen wie kontinuierlicher Fortbildungsangebote und aktueller Leitlinien, um das Bewusstsein für das Vorhandensein von TB bei Kindern zu verbessern. Die Zusammenarbeit und der Austausch in Netzwerken wie beispielsweise dem ptbnet tragen hierzu maßgeblich bei.