Postoperative neurokognitive Störungen zu denen das postoperative Delir (POD) und die langfristige postoperative neurokognitive Störung (NCD) zählen, sind schwerwiegende Komplikationen nach Operationen, von denen weltweit bis zu 45 Millionen Patient*innen pro Jahr betroffen sind. Das POD ist mit einer Beeinträchtigung des funktionellen Status, einer längeren Krankenhausverweildauer sowie einer kurz- und langfristigen Erhöhung der Sterblichkeit verbunden. Besonders dramatisch ist, dass das POD mit der Entwicklung langfristiger postoperativer NCD verbunden ist und sich somit durch die enorme Belastung nachhaltig auf die Lebensqualität und Autonomie für Patient*innen und Angehörige auswirkt. Vorbestehende neurokognitive Störungen (preNCD) stellen sowohl für das POD als auch die postoperative NCD einen starken Risikofaktor dar. Die sogenannte cholinerge Achse scheint eine entscheidende Rolle in der Entwicklung des POD und NCD zu spielen. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine systemische Inflammation über eine Passage von Zytokinen durch die Bluthirnschranke über die Aktivierung von Mikrogliazellen eine Neuroinflammation und damit POD und NCD auslösen kann. Diese Mikrogliaaktivierung kann durch eine cholinerge Inhibierung supprimiert werden. Dementsprechend ist die Berücksichtigung der Einnahme von anticholinergen Medikamenten (neben anderen Medikamenten) in der Entwicklung von POD und NCD relevant. Mit der hier vorliegenden Habilitationsschrift möchten wir einen Einblick in den Zusammenhang zwischen Parametern der cholinergen Achse sowie der präoperativen Medikamentenevaluation mit perioperativen neurokognitiven Störungen (preNCD, POD, NCD) geben. Wir konnten zeigen, dass die Aktivität der Acetylcholinesterase als auch die anticholinerge Last der Dauermedikation (gemessen anhand anticholinerger Skalen) mit dem Vorliegen von schweren preNCD assoziiert sind. Weiterführend konnten wir in einem Kandidatengenansatz zeigen, dass genetische Varianten der cholinergen Gene für die muskarinergen Rezeptoren CHRM2 und CHRM4 mit der Entwicklung eines POD assoziiert sind. Während wir für preNCD einen Zusammenhang mit der Einnahme von anticholinerg wirksamen Dauermedikamenten sehen konnten, konnten wir für die Entwicklung eines POD keine Assoziation feststellen. Weiterführend konnten wir auch keinen Zusammenhang zwischen präoperativer Polypharmazie oder der präoperativen Einnahme von potentiell inadäquaten Medikamenten und der Entwicklung von POD oder NCD feststellen. Abschließend konnten wir für das Delirtestinstrument 3-minute diagnostic interview for CAM-defined Delirium (3D-CAM) eine ausreichend hohe Sensitivität und Spezifität für die Detektion des POD nachweisen. Wir konnten zusammenfassend bestätigen, dass die Mechanismen in der Entwicklung von preNCD, POD und NCD komplex sind. Für zukünftige Studien ist es relevant standardisierte Rahmenbedingungen zu schaffen, um den erschwerten Studienbedingungen durch die multifaktorielle Genese von POD und NCD etwas entgegen zu wirken. Zusätzlich sind integrative Ansätze im Sinne von Multiomics-Analysen vielversprechend, um die cholinerge Achse näher zu charakterisieren und neue, bisher unentdeckte Signalwege zu identifizieren.