Hintergrund: Um sektorenübergreifende Versorgung zu stärken, bietet das deutsche psychiatrische Versorgungssystem seit 2003 die Möglichkeit, mit Krankenkassen und regionalen Leistungserbringern ein globales Behandlungsbudget (global treatment budget GTB, auch bekannt als regionales Psychiatrie-Budget RPB) vertraglich zu vereinbaren. Diese Vergütungsform ermöglicht eine integrierte Versorgung psychiatrischer Patientinnen und Patienten, in dieser Ausgestaltung neuerdings auch als innovative flexible und integrierte Therapie (FIT) bezeichnet. Trotz der Entwicklung neuer rechtlicher Rahmenbedingungen (Modellvorhaben nach § 64b SGB V seit 2012), die zum Ziel haben, die Einführung sektorenübergreifender Versorgung zu fördern, und der bereits erbrachten Evidenz über die damit einhergehende Verbesserung der Versorgungsqualität ist das GTB bisher in Deutschland nicht weit verbreitet. Das Ziel dieser Studie ist es daher, ein Spektrum relevanter Einflussfaktoren auf die GTB-Verbreitung des in Deutschland zu ermitteln. Material und Methoden: Es wurden Experteninterviews mit 19 Akteurinnen und Akteuren aus neun deutschen Regionen mit oder ohne etabliertem GTB-Modellvorhaben durchgeführt. Der dabei verwendete Interviewleitfaden basiert insbesondere auf der Theorie von Rogers zur Innovationsdiffusion und wurde um den Ansatz des Innovationssystems erweitert. Die Auswertung erfolgte anhand des inhaltsanalytischen Ansatzes von Mayring. Die deduktiv von Rogers Modell abgeleiteten Code-Kategorien wurden induktiv um Kategorien aus dem Interviewmaterial angereichert. Ergebnisse: Die relativen Vorteile des GTB wie Beobachtbarkeit, optimierte Patientenoutcomes und Behandlungsflexibilität scheinen Entscheidungsträger potenziell vom GTB-Vertragsabschluss zu überzeugen und werden somit als förderliche Faktoren für die Diffusion identifiziert. Dem gegenüber stehen wahrgenommene Risiken wie die als gering angesehene Erprobbarkeit sowie ökonomische Aspekte der Kliniken als diffusionshinderliche Faktoren. Die Teilbarkeit wurde kontrovers beurteilt. Als Nachteil für eine breitere Diffusion des GTB erwies sich die Multiakteurskonstellation im deutschen Gesundheitswesen. Hingegen erwiesen sich eine Monopolstellung des kontrahierenden Leistungsanbieters in der Versorgungsregion sowie eine Non-Profit-Trägerschaft als günstige Rahmenbedingungen. Diskussion und Schlussfolgerungen: Die Rogers Theorie der Diffusion von Innovationen erwies sich als Grundlage für die angewandte qualitative Forschungsmethodik als ein passgenaues Modell. Die Diffusion der integrierten Versorgung auf Basis eines GTB kann durch die schrittweise Einführung der komplexen Versorgungsform über Teilbudgets, eine verbesserte akteursübergreifende Kommunikation sowie die Reduktion der Multiakteurskonstellation optimiert werden. Letzteres ist insbesondere durch eine Reform der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Modellvorhaben förderbar. Es konnten Hypothesen für weiterführende Forschungsfragen generiert werden.
Background: In order to strengthen cross-sectoral care, since 2003 the German mental health care system has offered the possibility of agreeing a global treatment budget (GTB, also known as regional psychiatry budget RPB) with health insurance funds and regional service providers by means of contracting. This form of payment enables integrated care for psychiatric patients, recently also referred to as innovative flexible and integrated therapy (FIT). Despite the development of new legal frameworks (model projects according to § 64b SGB V since 2012) to facilitate the introduction of cross-sectoral care, and the evidence already available regarding the improvement in the quality of patient care, GTB has not been widely used in Germany to date. The aim of this study is to identify a spectrum of relevant factors influencing the diffusion of GTB in Germany. Material and Methods: Expert interviews were conducted with 19 stakeholders from nine German regions with or without an established GTB model project. An interview guide, based in particular on Rogers' theory of innovation diffusion and extended to include the innovation system approach, was used. The evaluation was based on Mayring's content analytic approach. The code categories deductively derived from Rogers' model were inductively enriched by categories from the interview material. Results: The relative benefits of GTB such as observability, improved patient outcomes, and treatment flexibility appear to potentially persuade decision makers to contract GTB and are identified as facilitating diffusion. This is contrasted with perceived risks such as the deemed low trialability of GTB and economic aspects of clinics as factors hindering diffusion. The divisibility was judged controversially. The multi-actor constellation in the German health care system proved to be a disadvantage for further diffusion of the GTB. Whereas a monopoly position of the contracting service provider in the care region as well as a non-profit sponsorship are favourable framework conditions. Discussion and Conclusions: The Rogers' theory of diffusion of innovations proved to be a fitting model as a basis for the applied qualitive research methodology. The diffusion of integrated care based on a GTB can be improved by the gradual introduction of the complex form of care via partial budgets, improved cross-actor communication, and the reduction of the multi-actor constellation. The latter can also be promoted by improving the legal framework for the model projects. Hypotheses for follow-up research questions could be generated.