Einleitung: Trotz insgesamt rückläufiger Suizid- sowie Obduktionsraten in Deutschland bleibt die Anzahl der Sterbefälle durch vorsätzliche Selbstbeschädigung im Alter deutlich erhöht. Die öffentliche Auseinandersetzung mit diesem sensiblen Thema findet nur bedingt statt, dabei wird die ältere Bevölkerung im Zuge des demografischen Wandels einen stetig größer werdenden Anteil in der Gesellschaft einnehmen. Methode: Aus dem Institut für Rechtsmedizin der Charité Universitätsmedizin Berlin erfolgte über einen Zehnjahreszeitraum eine retrospektive Obduktionsstudie aller Personen (n=401) ab dem vollendeten 65. Lebensjahr, welche durch einen Suizid verstarben. Bei n=383 konnten zusätzlich anhand von polizeilichen Ermittlungsakten demografische, soziale sowie anamnestische Variablen und Informationen zu Ort und Umfeld des Suizids erhoben werden. Bei n=364 Fällen konnten toxikologische Gutachten sichergestellt und analysiert werden. Es erfolgte eine deskriptive statistische Auswertung der Daten. Ergebnisse: Das untersuchte Fallkollektiv bestand zu 69,3 % (n = 278) aus männlichen sowie zu 30,7 % (n = 123) aus weiblichen Betroffenen. 74,4 % (n = 285) lebten in selbstständigen Lebensverhältnissen. 44,6 % (n = 171) waren verheiratet oder lebten in einer Partnerschaft. In 32,1 % (n = 123) zeigten sich Anzeichen für Suizidalität. 47,0 % (n = 180) aller Betroffenen wiesen mindestens eine psychische Vorerkrankung auf. Sowohl für Frauen als auch für Männer handelte es sich dabei am häufigsten um affektive Störungen. In 17,0 % (n = 65) der Fälle konnte mindestens ein stattgehabter Suizidversuch im Vorfeld dokumentiert werden. Das häufigste Motiv stellten Depression für Frauen (n = 42) sowie gesundheitliche Probleme (n = 88) für Männer dar. Bei der häufigsten Todesursache handelte es sich bei Männern um Strangulationen, bei Frauen um Polytraumata (meist durch Sturz aus großer Höhe). Diskussion: Die Obduktionsrate in Berlin scheint mit zunehmendem Alter abzunehmen. Vermeintliche soziale Schutzfaktoren im Alter wie erhaltene Selbstständigkeit oder gemeinschaftliches Zusammenleben ließen sich innerhalb des Fallkollektivs nicht bestätigen. Die geschlechtsspezifische Diagnostik psychischer Erkrankungen im Alter stellt weiterhin eine Herausforderung vor allem bei männlichen Betroffenen dar. Anzeichen für Suizidalität werden im privaten Umfeld zwar registriert, jedoch nur selten ernst genommen. Altersspezifische Unterschiede werden besonders bei der Art des Motivs deutlich. Geschlechtsspezifische Unterschiede ließen sich außerdem innerhalb des Todesursachenspektrums feststellen. Schlussfolgerungen: Die konsequente Durchführung von Obduktionen kann zur Aufarbeitung und einem verbesserten wissenschaftlichen sowie gesellschaftlichen Verständnis von Alterssuiziden beitragen.
Introduction: Despite an overall decline in suicide and autopsy rates in Germany, the number of deaths from deliberate self-harm in old age remains significantly high. The public debate on this sensitive topic takes place only to a limited extent whilst in the course of demographic change the older population will become a steadily growing proportion of society. Method: The Institute for Forensic Medicine at Charité Universitätsmedizin Berlin carried out a ten-year retrospective autopsy study of all people (n = 401) aged 65 and over who died as a result of suicide. In n = 383, demographic, social and anamnestic variables as well as information on the location and environment of the suicide could also be collected on the basis of police investigation files. In n = 364 cases, toxicological reports could be obtained and analyzed. A descriptive statistical analysis of the data was carried out. Results: The examined case group consisted of 69.3 % (n = 278) male and 30.7 % (n = 123) female subjects. 74.4 % (n = 285) lived in independent living conditions. 44.6 % (n = 171) were married or lived in a partnership. In 32.1 % (n = 123) there were signs of suicidality. 47.0 % (n = 180) of all those affected had at least one previous mental illness. Both women and men were most often affected by affective disorders. In 17.0 % (n = 65) of the cases, at least one previous suicide attempt could be documented. The most common motives were depression for women (n = 42) and health problems (n = 88) for men. The most common cause of death for men was strangulation, for women it was multiple trauma (mostly from falling from a great height). Discussion: The autopsy rate in Berlin seems to decrease with increasing age. Alleged social protective factors in old age, such as maintaining independence or living together, could not be confirmed within the case collective. The gender-specific diagnosis of mental illnesses in old age continues to be a challenge, especially for male patients. Although signs of suicidality are registered in private, they are rarely taken seriously. Age-specific differences are particularly evident in the kind of motive. Gender-specific differences were also found within the spectrum of causes of death. Conclusion: The consistent execution of autopsies can contribute to the processing and an improved scientific and social understanding of old age suicides.