Der Erwerb von guten sprachlichen und schriftsprachlichen Kompetenzen ist eine der zentralsten Entwicklungsaufgaben in der frühen Kindheit. Umfangreiche nationale wie internationale Forschungsarbeiten bestätigten wiederholt die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung für den erfolgreichen Spracherwerb. In diesem Zusammenhang gilt die sprachliche Bildung von Kindern als eine der wichtigsten Aufgaben frühkindlicher Bildungsinstitutionen. In deutschen Kindertageseinrichtungen werden typischerweise zwei unterschiedliche Ansätze sprachlicher Bildung beschrieben: die Fachkraft-gelenkte, hoch strukturierte additive Sprachförderung über zusätzliche Programme sowie die eher Kind-zentrierte, alltagsintegrierte sprachliche Bildung und Förderung. Letzterer Ansatz wurde auch verstärkt hinsichtlich seines Potentials für eine kompensatorische Förderung von Kindern mit Sprachförderbedarfen diskutiert, was einen weiteren Ansatz sprachlicher Bildung formuliert. Wie die sprachliche Bildung in der Kita-Praxis umgesetzt wird und welche Qualität frühpädagogische Fachkräfte in ihren Interaktionen mit Kindern offerieren, hängt maßgeblich von den professionellen Kompetenzen der Fachkräfte ab. Befunde aus der Lehrkräfteforschung verweisen u. a. auf die Bedeutung von Lehr-Lern-Überzeugungen und fachdidaktischem Wissen für die Unterrichtsqualität. Beide Kompetenzfacetten gelten theoretisch auch für die sprachliche Bildung in Kindertageseinrichtungen als bedeutsam, weil sie darüber informieren, wie sprachliche Lerngelegenheiten ausgewählt und umgesetzt werden. Professionelle Kompetenzen von frühpädagogischen Fachkräften sind jedoch unterforscht, wenngleich in den vergangenen Jahren eine Zunahme an Untersuchungen zu verzeichnen ist. Ein Großteil dieser Studien untersucht Lehr-Lern-Überzeugungen und fachdidaktisches Wissen in den Bildungsbereichen Mathematik und Naturwissenschaften; die Ergebnisse legen nahe, dass die Kompetenzen der Fachkräfte domänenspezifisch erfasst werden sollten. Bislang gibt es jedoch keine Untersuchungen, die Lehr-Lern-Überzeugungen im Bildungsbereich Sprache erforscht haben. Die wenigen Untersuchungen, die zum fachdidaktischen Wissen im Bereich Sprache vorgelegt wurden, setzten sich außerdem kaum mit spezifischen Wissensaspekten auseinander, die zentral für eine alltagsintegrierte sprachliche Bildung und Förderung sind. Vor diesem Hintergrund untersucht die vorliegende Dissertation in drei empirischen Studien die sprachbezogenen Lehr-Lern-Überzeugungen von frühpädagogischen Fachkräften und ihr fachdidaktisches Wissen spezifisch in der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung und Förderung. Die erste Studie untersucht die Struktur und Determinanten von sprachbezogenen Lehr-Lern-Überzeugungen bei frühpädagogischen Fachkräften unter Verwendung eines neuentwickelten Instruments. Die Ergebnisse konfirmatorischer und explorativer Faktorenanalysen wiesen auf eine zweidimensionale Struktur der sprachbezogenen Lehr-Lern-Überzeugungen hin. Unter-schieden wurden Überzeugungen, die auf eine Unterstützung additiver Sprachförderprogramme fokussieren (additive sprachbezogene Lehr-Lern-Überzeugungen), und Überzeugungen, die auf eine alltagsintegrierte sprachliche Bildung und Förderung abzielen (alltagsintegrierte sprachbezogene Lehr-Lern-Überzeugungen). Die Facette der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung und Förderung mit einem kompensatorischen Fokus konnte hingegen nicht als eigenständige Dimension der Lehr-Lern-Überzeugungen abgebildet werden. Es zeigten sich differenzielle Zusammenhänge zwischen den beiden ermittelten Überzeugungsfacetten und fachkraftbezogenen Strukturmerkmalen, während einrichtungsbezogene Strukturmerkmale nicht bedeutsam waren für die sprachbezogenen Lehr-Lern-Überzeugungen. Die zweite Studie nutzt die in Studie 1 etablierte Skala und untersucht, in welchem Zusammenhang sprachbezogene Lehr-Lern-Überzeugungen und die Prozessqualität in Kindertageseinrichtungen unter Berücksichtigung weiterer Strukturmerkmale stehen. Für die Erfassung bereichsspezifischer Prozessqualität kam die Sustained Shared Thinking and Emotional Well-being (SSTEW)-Skala zum Einsatz, konkret die beiden Subskalen „Unterstützung und Förderung der Sprache und Kommunikation“ und „Unterstützung des Lernens und kritischen Denkens“. Als globales Prozessmaß wurde zudem die Caregiver Interaction Scale (CIS) eingesetzt, wobei die Subskalen „Sensitivität“ und „Strenge“ den Indikator „Sensitivität in Interaktionen“ gebildet haben. Die Ergebnisse multipler Regressionsanalysen zeigten, dass additive sprachbezogene Lehr-Lern-Überzeugungen in einem signifikant negativen Zusammenhang mit dem emotionalen Klima in der Gruppe (CIS) standen, während sich ein tendenziell signifikanter Zusammenhang zwischen alltagsintegrierten sprachbezogenen Lehr-Lern-Überzeugungen und kognitiv anregenden Fachkraft-Kind-Interaktionen im Sinne des Sustained Shared Thinking fand (SSTEW-Subskala „Unterstützung des Lernens und kritischen Denkens“). Darüber hinaus waren eher einrichtungs- als fachkraftbezogene Strukturmerkmale bedeutsam für die Qualität der pädagogischen Prozesse. Die dritte Studie untersucht zwei Aspekte fachdidaktischen Wissens explorativ, die sich insbesondere im Kontext der kind- und situationsorientierten frühpädagogischen Praxis in Deutschland als relevant erweisen, da sprachliche Lerngelegenheiten spontan im Kita-Alltag aufgegriffen und genutzt werden müssen: erstens, die Sensitivität für das sprachbezogene Bildungspotential von Alltagssituationen und zweitens, die pädagogische Gestaltung einer sprachförderlichen räumlich-materiellen Umgebung. Ferner wurde geprüft, ob sich das Wissen der Fachkräfte vor dem Hintergrund ihrer Qualifikation unterscheidet. Die Daten wurden über offene Fragen in einer Onlinebefragung erhoben, inhaltsanalytisch ausgewertet und in quantifizierbare Daten überführt. Die Ergebnisse aus Studie 3 verweisen grundlegend auf ein Verbesserungspotential im Hinblick auf die Konkretisierung von relevanten Wissensbeständen bei der Nutzung von Alltagssituationen und pädagogischen Räumen in der sprachlichen Bildung. Die Varianzaufklärung durch die Qualifikation der Fachkräfte fiel insgesamt gering aus. Zusammenfassend leisten die Ergebnisse der drei empirischen Studien einen wichtigen Beitrag für den Diskurs über professionelle Kompetenzen von frühpädagogischen Fachkräften in der sprachlichen Bildung. Implikationen für die frühpädagogische Forschung, Fachpraxis und Bildungspolitik werden diskutiert.