Wie kann eine Geschichte erzählt werden, die traumatisch genug ist, dass sie die Fähigkeiten von Sprache übersteigt? In der Studie geht es darum herauszuarbeiten, wie sich ein Trauma, von dem auf der Inhaltsebene (nicht) erzählt wird, auf formale Weise narrativ manifestiert. Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage bezieht sich die Arbeit auf literatur- und kulturtheoretische sowie medizinisch-psychiatrische Traumakonzepte und verbindet diese Theoriebezüge mit narratologisch grundierten Textanalysen ausgewählter Passagen aus "A Little Life". Diese werden auf die Darstellung von Zeit (Dauer und Tempo des Erzählens), Distanz (Verhältnis von narrativem und dramatischem Modus) und Ort (Übergänge zwischen extra- und intradiegetischer Erzählebene) hin untersucht. Die Arbeit geht von der Annahme aus, dass sich in Yanagiharas Roman eine narrative Traumapoetik entfaltet, bei der Raum- und Zeitstrukturen aus den Fugen geraten, was die Zeit- und Sprachlosigkeit der traumatischen Erfahrung literarisch widerspiegelt. Im Auge des Traumas scheint es keinen präsenten Zeitpunkt des Erzählens zu geben, sondern ein Kollektiv aus vergangenen Momenten, in dem Gegenwart und Vergangenheit verschwimmen.
How can a story be told that is traumatic enough to exceed the capabilities of language? This study is concerned with how trauma is (not) told on a textual level, but manifests itself narratively in a formal way as well. To answer this research question, the work refers to literary and cultural as well as medical-psychiatric concepts of trauma and combines these theoretical references with narrative-based text analyses of selected passages from "A Little Life". These are examined in terms of the representation of time (duration and pace of narration), distance (relation between narrative and dramatic modes), and place (transitions between extra- and intradiegetic narrative levels). The thesis assumes that a narrative trauma poetic unfolds in Yanagihara's novel in which spatial and temporal structures are unhinged, reflecting the timelessness and speechlessness of the traumatic experience in literary terms. In the eye of trauma, there seems to be no present moment of narration, but a collective of past moments in which present and past blur.