Hintergrund: Chronische Nierenerkrankungen betreffen eine von zehn Personen weltweit und tragen in hohem Maße zur globalen Morbidität und Mortalität bei. Die häufigsten Gründe für die Entwicklung einer chronischen Nierenerkrankung sind Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie – nichtsdestotrotz ist die Ätiologie der terminalen Niereninsuffizienz in 20 % der Fälle unklar. Wenn eine terminale Niereninsuffizienz im Spätstadium diagnostiziert wird, führen Nierenbiopsien häufig zu uneindeutigen Ergebnissen oder ihre Durchführung ist sogar kontraindiziert. Der diagnostische Nutzen von Next Generation Sequencing (NGS) wurde bislang vorwiegend in pädiatrischen Kohorten demonstriert, da bei Erwachsenen meist keine monogenetische Erkrankung vermutet wird. Eine molekulargenetische Diagnose hat Auswirkungen auf die Therapie, die Prognose und das klinische Management von Patient*innen und ihren Familienangehörigen und ist besonders im Kontext von Nierentransplantationen relevant.
Methodik: In dieser monozentrischen Studie analysierten wir systematisch die Eurotransplant- Nieren-Warteliste der Charité Berlin Mitte und stratifizierten die vorliegenden Grunderkrankungen in „eindeutig“ und „unklar“. Anhand spezifischer NGS-Panels untersuchten wir die Kohorte der Patient*innen mit unklarer Ätiologie auf Mutationen in über 600 Genen, bei denen ein Zusammenhang mit der Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz beschrieben ist.
Ergebnisse: Von den 635 untersuchten Erwachsenen konnten wir bei 245 eine eindeutige Nierengrunderkrankung feststellen (38,6 %), bei 340 (53,5 %) wurde die Klassifikation „unklare Nierengrunderkrankung“ vorgenommen und bei 50 (7,9 %) lag ein Verdacht für eine fokal segmentale Glomerulosklerose (FSGS) oder ein atypisch hämolytisch urämisches Syndrom (aHUS) vor. Die NGS-Panel-Diagnostik wurde in der Kohorte der Patient*innen mit unklaren Ätiologien bei all jenen durchgeführt, die unter dem 40. Lebensjahr dialysepflichtig wurden. Zusätzlich wurden die 50 Patient*innen mit klinischem Verdacht für eine FSGS oder ein aHUS unabhängig vom Alter in die genetische Testung eingeschlossen. Insgesamt wurden 126 Patient*innen untersucht, genetische Varianten wurden bei 26 Individuen (20,6 %) detektiert. In 14 Fällen (11,1 %) wurden die Varianten als pathogen oder wahrscheinlich pathogen klassifiziert, die übrigen als Varianten unklarer Signifikanz (VUS). Die meisten identifizierten Mutationen betrafen Gene, welche Komponenten der glomerulären Basalmembran kodieren.
Schlussfolgerung: Mit einer diagnostischen Aufklärungsrate von 11,1 % wurde der Anteil der unklaren Nierengrunderkrankungen um 3,6 % (von 390 auf 376 Fälle) reduziert und damit der Anteil der hereditären Diagnosen um 11,8 % (von 119 auf 133 Fälle) erhöht. Diese Studie zeigt, dass genetische Testungen in Fällen unklarer Grunderkrankungen die Diagnosestellung optimieren. Eine korrekte Diagnose verbessert die Patient*innenversorgung und reduziert sekundäre Kosten für das Gesundheitssystem.
Background: Chronic kidney disease (CKD) is a highly relevant and prevalent condition, affecting approximately 1 in 10 persons globally and increasing the burden of morbidity and mortality worldwide. The main reasons for CKD are diabetes mellitus and arterial hypertension – nonetheless, the etiology for end-stage renal disease (ESRD) remains undetermined in around 20 % of cases. When ESRD is diagnosed at a late stage, kidney biopsies are often inconclusive or even contraindicated. The diagnostic utility of Next Generation Sequencing (NGS) has predominantly been studied among pediatric cohorts, as monogenic kidney disorders are usually not suspected in adults with undetermined ESRD. A concise molecular genetic diagnosis affects therapy, prognosis and clinical management of patients and their family members and is particularly relevant in the context of kidney transplantations.
Methods: In this single center study we systematically analyzed the Eurotransplant kidney waiting list at Charité Berlin Mitte and manually stratified the patients into cohorts of undetermined and determined causes of CKD. Using targeted NGS-based panel testing we screened patients with undetermined CKD for mutations in 600 genes associated with ESRD.
Results: Out of the 635 examined patients, 245 had a determined cause of CKD (38.6 %) while 340 patients (53.5 %) were classified as “undetermined ESRD” and 50 (7.9 %) had a clinical suspicion of focal segmental glomerulosclerosis (FSGS) or atypical hemolytic uremic syndrome (aHUS). We conducted genetic testing using the NGS-panel approach in all those patients with undetermined ESRD requiring dialysis under 40 years of age and additionally in the mentioned 50 patients with FSGS- and aHUS-suspicion irrespective of age. In total, genetic testing was performed in 126 patients and we detected diagnostic variants in 26 individuals (20.6 %). In 14 cases (11.1 %) the variants were classified as pathogenic or likely pathogenic, the remaining were described as variants of unknown significance (VUS). Most of the identified mutations were in genes encoding components of the glomerular basement membrane.
Conclusion: With a diagnostic yield of 11.1 % we significantly decreased the rate of undetermined ESRD on the kidney transplant waiting list by 3.6 % (from 390 to 376 cases) and increased the proportion of hereditary diagnoses by 11.8 % (from 119 to 133 cases). Our study demonstrates that genetic analysis refines the diagnostic accuracy in patients with undetermined CKD. A concise diagnosis improves the immediate patient care while simultaneously reducing secondary costs for the health care system.