Die Rückenfigur spielt als Sujet in der europäischen Malerei eine bedeutende Rolle, und mit ihr hat sich der Maler Caspar David Friedrich (1774-1840) in seinen Werken ein Leben lang beschäftigt. Er hat dieses traditionelle Motiv bewusst ausgewählt und bearbeitete es so grundlegend, dass man es zugleich als seine eigene Erfindung ansehen kann. In den fünf Kapiteln der vorliegenden Arbeit wurden daher fünf verschiedene, einzigartige Rückenfiguren Friedrichs untersucht. In der (1810: Kap. I) erscheint zum ersten Mal eine Rückenfigur, in welcher die den Blick des Betrachters in die Tiefe führende Funktion mit einer Flächenfigur vereint ist. Zugleich verkörpert sie in der abgründigen Aussicht der Landschaft inhaltlich den Gedanken der kantischen Philosophie. In dem Bild (um 1818: Kap. II) wird eine weibliche Figur sowohl als Rückenfigur wie auch als Flächenfigur angewandt, somit spielt sie eine Doppelrolle. Diese Doppelrolle besteht auch bezüglich der Bildaussage, so fungiert die Rückenfigur gleichzeitig als vollkommen persönlicher Ausdruck wie als symbolhafte Darstellung der Empfängnis einer Frau im Allgemeinen. Für (um 1820: Kap. III) werden die Rückenfiguren als Paar gewählt, wodurch zwischen ihnen und den beiden Hauptmotiven des Hintergrundes ein dreifaches Reflexionsschema entsteht. Dieses gestalterische Schema verkörpert folglich auf der inhaltlichen Ebene die umfassende Hoffnung des Künstlers auf die Zeit nach der Restaurationszeit. Im Bild (1822: Kap. IV) erzeugt eine weibliche Rückenfigur samt zwei Fenstermotiven die Diskrepanz zwischen Figur und Grund des Bildes auf doppelt komplizierte Weise verglichen mit den früheren Werken Friedrichs. Trotz dieser gestalterischen Anspannung entsteht hier ein angenehmer, stiller Eindruck aufgrund des äußerst persönlichen Anlasses des Schaffens, nämlich der Liebe zur Frau des Künstlers. In den (um 1834: Kap. V) schließlich erscheinen zwei Rückenfiguren, ein Greis und ein Junge. Ihre Positionierung und Haltung zusammen mit anderen Motiven führen eine kompositorische Ambivalenz von Statik und Dynamik herbei. Diese Struktur reflektiert zugleich die Bildaussage, d. h. eine Art private Lebensalter- Darstellung mit Einsicht und Glauben des Künstlers in die Zukunft. Die durch die Rückenfigur erzeugte komplexe Bildstruktur, die vor allem von der Ambivalenz zwischen Figur und Grund lebt, verdeutlicht, zusammen mit den sowohl persönlich wie auch allgemein zutreffenden Bildaussagen, dass der „Landschaftsmaler“ Friedrich auf die Darstellung der Wechselwirkung des Menschen und seiner Umgebung sowie auf die Darstellung einer Landschaft als psychologische Schilderung des Menschen abzielte. Genau aus diesem Grund ist der Bildbetrachter gefordert, die Rückenfigur Friedrichs jedes Mal erneut sorgfältig zu überprüfen. Mit dieser Subjektivität und Einmaligkeit in den modernen Sinnen ist die Rückenfigur Friedrichs innerhalb der europäischen Kunstgeschichte ein entscheidendes Merkmal zum Auftakt der modernen Kunst.
The Rückenfigur plays a significant role in the European painting. The painter Caspar David Friedrich (1774-1840) explored this motif all his artistic life. He carefully extracted this motif from the artistic traditions and transformed it fundamentally so that it can almost be regarded as his own invention. Five different Rückenfiguren, which are remarkably unique to Friedrich, have been examined in five chapters of this thesis. In the (Mountain Landscape with Rainbow, 1810: Chapter I) appears a Rückenfigur for the first time. Here, its function of guiding the viewer’s gaze towards a deep background is combined with that of the rainbow as a Flächenfigur. The abysmal view of the landscape in this painting also embodies the philosophy of Kant. A female figure in (Woman in the Rising Sun, ca. 1818: Chapter II) can be considered both as a Rückenfigur and a Flächenfigur, thus playing a double role. This double role is also expressed by the story of the picture as the Rückenfigur reflects the artist’s private life and symbolizes a woman’s conception in general as well. (Sisters on a Balcony at the Harbour, ca. 1820: Chapter III) shows a pair of female Rückenfiguren in a reflection scheme, which is repeated in the objects in the background. It can be suggested that this composition conveys the artist’s broad hope in the time after the Restoration. In (Woman at the Window, 1822: Chapter IV), a female Rückenfigur and two windows create a discrepancy between the figures and the background of the picture in a more complicated way, which cannot be found in his former works. Despite this compositional tension, the whole atmosphere gives a comfortable and calm impression for the most personal reason of its creation: Friedrich’s love to his wife. Lastly, (The Stages of Life, ca. 1834: Chapter V) represents two Rückenfiguren as an old man and a boy. Their postures and positions together with other subjects create an ambivalence of the static and the dynamic in the composition. This structure can be read as the picture-statement of Friedrich’s own aging, in which his outlook towards the future and religious confidence should be recognized. Thus, through the Rückenfigur’s complicated structure, which is mainly expressed by the ambivalence between figure/figures and the background of the picture, it can be seen, that personal and generally true picture-statements have been aimed for by the painter. This “landscape painter” aimed for the dual picture-statement: on the one hand the interaction of a person and the environment and, on the other hand the landscape as a psychological portrait of a person. For this reason the viewer is able carefully examine each of Friedrich’s Rückenfiguren every time anew. With this subjectivity and uniqueness in the modern sense Friedrich’s Rückenfiguren set a prelude to the modern era in European art history.