As Western philosophy has long conceptualised emotionality and rationality as dichotomous, the affective dimension of reconciliation processes remains under-researched. My study, by contrast, retraces how victim groups' emotional experience of colonial violence affects their expectations and disposition for reconciliation. It is based on problem-centred interviews with Ovaherero and Nama activists on the genocide in German South-West Africa, against the background of ongoing high-level negotiations between Germany and Namibia on this subject. Through grounded-theory based analysis, I demonstrate how descendants' emotions vis-à-vis the genocide are transmitted and re-experienced through the generations, are re-produced through marginalisation in the negotiations, and shape descendants' vision of overcoming injustice. Emotion becomes formative of lives, identities and communities by substantiating a sense of personal affectedness and injury, which transitional justice instruments must process accordingly: reconciliation requires emotional catharsis as well as dis-alienation by re-building relationships. Consequently, my study sheds light on how the affective underpinnings of reconciliation engendered significant limitations to the high-level talks and the resulting government agreement reached in 2021. My work illustrates the benefits of an individual-centred lens that connects lived experiences with macro-level analyses of political conflicts for the study of international relations. It also highlights the role of post-colonial power relations in North-South negotiations, alongside the challenges a state-centred international system presents for post-colonial communities.
Da Emotionalität und Rationalität in der westlichen Wissenschaftstradition lange gegensätzlich gedacht wurden, ist die affektive Dimension von Versöhnungsprozessen bisher wenig erforscht. Meine Studie untersucht daher, wie die emotionale Erfahrung kolonialer Gewalt die Bereitschaft und Erwartung von Opfergruppen zu Versöhnung beeinflusst. Sie basiert auf fünf problemzentrierten Interviews mit Ovaherero- und Namaaktivist:innen zum Genozid in Deutsch Süd-West Afrika vor dem Hintergrund der diplomatischen Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia zu diesem Thema. Mithilfe einer grounded-theory-basierten Analyse zeige ich, wie die Emotionen der Nachfahren zum Genozid über Generationen übertragen und wiederempfunden werden, in der Marginalisierungserfahrung der aktuellen Verhandlungen reproduziert werden und Vorstellungen von Wiedergutmachung formen. Emotion prägt Leben, Identitäten und Gemeinschaften und bringt Gefühle persönlichen erlebten Unrechts hervor, welche in Instrumenten der Vergangenheitsbewältigung Raum finden müssen. Voraussetzung für Versöhnung ist demnach eine emotionale Katharsis und eine Wiederannäherung durch den Aufbau von Beziehungen. Meine Studie beleuchtet, welche Einschränkungen eine diplomatische Lösung wie das 2021 geschlossene Abkommen aufgrund des affektiven Fundaments von Vergangenheitsbewältigung mit sich bringt. Sie verdeutlicht den Mehrwert eines Individuen-zentrierten Blicks für die Analyse internationaler Beziehungen, welcher konkrete Lebenserfahrungen mit einer Makroanalyse politischer Konflikte verbindet. Sie beleuchtet ebenfalls die Wirkweise post-kolonialer Machtverhältnisse in Nord-Süd-Verhandlungen, verbunden mit den Herausforderungen eines staatenzentrierten internationalen System für post-koloniale Kollektive.