Deutschland ist ein Einwanderungsland, in dem Menschen zusammentreffen, die aus unterschiedlichen Herkunftsländern stammen. Sie orientieren sich zum Teil an Verhaltensregeln und Wertvorstellungen, die in Deutschland als ungewöhnlich oder „fremdartig“ gelten, was häufig Irritationen und Missverständnisse auslöst. Einen besonders sensiblen Bereich stellen Erziehungsvorstellungen und -praktiken dar, die nicht den in Deutschland gültigen pädagogischen Leitlinien entsprechen, an denen sich das Handeln von Fachkräften orientiert. Die Beiträge dieser Reihe vermitteln Kenntnisse über die kulturell vielfältigen Formen der Fürsorge für und Erziehung von Kindern. Dabei werden verschiedene Familienformen sowie unterschiedliche Vorstellungen über „gute Kindheit“, „richtige Erziehung“ und „emotionale Bindung“ thematisiert. Kenntnisse über die Vielfältigkeit von Fürsorge- und Erziehungsformen sind unbedingt notwendig im Umgang mit Familien, die anderen sozialen und kulturellen Kontexten entstammen und mit ihren Kindern auf eine Art und Weise umgehen, die westeuropäischen Mittelschichtsvorstellungen über „richtige“ Kindererziehung nicht entsprechen. Der vorliegende Beitrag beleuchtet die kulturelle Vielfalt von Familienkonstellationen, Fürsorgesystemen und Bindungsmustern und setzt sich kritisch mit der psychologischen Bindungstheorie auseinander, deren universale Gültigkeit aus sozialanthropologischer Perspektive zweifelhaft ist. Anhand diverser Fallbeispiele werden Praktiken multipler Fürsorgesysteme angeführt, die nahelegen, dass eine „sichere Bindung“ von Kindern nicht aus ihrer Beziehung zu ein oder zwei zentralen Bezugspersonen resultiert, sondern aus ihrer festen Einbettung in ein Beziehungsnetz. Die Inhalte richten sich an Fachkräfte aus den Bereichen Soziale Arbeit, Erziehung, Familienhilfe sowie Kinder- und Jugendpsychologie.
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