Die vorliegende Masterarbeit untersucht die Ausstellung „Berlin Global“ im Berliner Humboldt Forum in Hinblick auf das Konzept der Vielstimmigkeit. Im Theorieteil werden zunächst der Begriff der Verflechtung und der damit verbundene globalhistorische Ansatz der Ausstellung erklärt sowie deren Bedeutung für die Ausstellungspraxis erläutert. Anschließend erfolgt, unter Einbezug des geschichtsdidaktischen Prinzips der Multiperspektivität und des ethnografischen Paradigmas der Polyphonie, die Herleitung einer Arbeitsdefinition von Vielstimmigkeit: Sie beschreibt die Repräsentation verschiedener Stimmen aus unterschiedlichen Machtpositionen, wobei eine Eigenständigkeit der Stimmen vorliegt bzw. Deutungsmacht auf die Stimmen aufgeteilt ist. Durch die Verknüpfung mit Prinzipien partizipativer Ausstellungsarbeit wird der Begriff der Vielstimmigkeit sodann in Bezug zum Museums- und Ausstellungskontext gesetzt. Im empirischen Teil der Arbeit werden mit Orientierung an Lisa Spankas multimodaler Mehrebenenanalyse und an Nina Simons Stufenmodell der Partizipation einzelne ausgewählte Displays detailliert in Hinblick auf Vielstimmigkeit analysiert. Dabei wird stets die Position der Ausstellung in Bezug zum umstrittenen Humboldt Forum mitbedacht. Als Quellen dienen neben der Ausstellung selbst Konzeptpapiere und veröffentlichte Aussagen der Ausstellungsmacher:innen sowie eigens für diese Arbeit geführte Interviews mit vier Kurator:innen.
Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass der Anspruch vielstimmigen Erzählens in der Ausstellung insoweit umgesetzt wird, als durch diverse partizipative Formate Stimmen verschiedener Menschen und gerade marginalisierter Gruppen nicht nur abgebildet werden, sondern die jeweiligen Akteur:innen auch an der Produktion beteiligt waren. Allerdings wird in der Analyse ebenfalls deutlich, dass die Stimmen immer auch durch kuratorische und mediale Vorgaben und Filter gelenkt wurden. Insofern ist das Kriterium der Eigenständigkeit hinsichtlich der repräsentierten Stimmen immer nur zum Teil erfüllt. Ferner stößt die Umsetzung von Vielstimmigkeit in der Ausstellung aufgrund ihrer Situiertheit im Humboldt Forum immer wieder an ihre Grenzen. Zudem erfolgt im Schlussteil eine Differenzierung der zu einfachen Dichotomie zwischen „Institution“ und „Partizipierenden“, da in der Praxis viele Faktoren wie mediale Formate, unterschiedliche Akteur:innen, deren Ressourcen, Bedürfnisse und Vorgehensweisen sowie institutionelle und gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen die Art der Zusammenarbeit beeinflussen. Um die Relevanz der Untersuchung für die kuratorische Praxis herauszustellen, werden auf Grundlage der Analyse abschließend Kompetenzen wie Sensibilität, Kommunikations- und Reflexionsvermögen zusammengefasst, die von Kurator:innen beim partizipativen Ausstellen unter dem Konzept der Vielstimmigkeit gefordert sind.