Einleitung: Die medizinische Versorgung in Deutschland sieht sich im Rahmen des demographischen Wandels einem zunehmend älter werdenden Patientenklientel gegenüber. Dennoch sind Studien in dieser Altersgruppe rar. Die Berliner Initiative Studie (BIS) untersucht ausschließlich Menschen, die mindestens 70 Jahre alt sind. Ziel dieser Arbeit ist es, die Epidemiologie der Medikamenten– und insbesondere der Schmerzmitteleinnahme in der älteren und hochaltrigen Bevölkerung besser zu verstehen.
Methodik: Insgesamt wurden 2069 Probanden für diese populationsbasierte Kohortenstudie aus dem erweiterten Berliner Raum rekrutiert. Die aktuelle Medikation wurde im Rahmen eines Interviews erfasst. Sämtliche Medikamente wurden mit Hilfe des Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen (ATC)-Codes kodiert und weiterführend ausgewertet. Potenziell inadäquate Medikamente wurden anhand der PRISCUS-Liste bestimmt. Die statistische Auswertung der Daten, einschließlich der logistischen Regressionsanalyse, erfolgte pseudonymisiert über SPSS und Microsoft Excel. Für diese Arbeit wurden die Daten der Baseline-Visite der BIS aus den Jahren 2009 – 2011 untersucht.
Ergebnisse: Der überwiegende Teil der Probanden (97,1%) nahm Medikamente ein. Fünf Medikamente oder mehr, entsprechend einer Polypharmazie, wurden von 66,7% der Probanden eingenommen. Ein zunehmender Anstieg der Prävalenz von Polypharmazie war mit steigendem Alter zu beobachten. Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS) war das Medikament, das in der BIS insgesamt am häufigsten eingenommen wurde. Knapp ein Drittel der Kohorte nahm Schmerzmittel ein. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) stellten die am häufigsten eingenommenen Schmerzmittel dar. Zu 43,2% wurden Schmerzmittel regelmäßig konsumiert. Analgetika wurden häufiger verschrieben als freiverkäuflich erworben. Weibliches Geschlecht, moderater Alkoholkonsum, geringe körperliche Betätigung und ein als schlecht empfundener subjektiver Gesundheitszustand waren mit einer erhöhten Schmerzmitteleinnahme assoziiert. Metamizol wurde von ≥80-Jährigen signifikant häufiger eingenommen als von 70 – 79-Jährigen. Potenziell inadäquate Analgetika wurden von 24 Probanden (3,7%) eingenommen. Probanden mit normaler Nierenfunktion, die ein Schmerzmittel benötigten, nahmen zu 69,0% ein NSAR ein, bei Probanden mit reduzierter Nierenfunktion waren es 55,2%. Zusätzlich zur regelmäßigen Einnahme von NSAR nahmen ungefähr ein Drittel der Probanden ein Magensäure-hemmendes Medikament ein.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse aus der Baseline-Visite der BIS führen zu einem umfassenden Einblick in die Epidemiologie der Medikation und Schmerzmedikation der älteren Bevölkerung. Die hohen Prävalenzen für Polypharmazie beinhalten auch die vorhandene Selbstmedikation. Somit sollte jene Selbstmedikation beim Verschreiben von Medikamenten im hohen Alter große Aufmerksamkeit erhalten. Auch einige NSAR sind freiverkäuflich erhältlich. Trotz bekannter gastrointestinaler und nierenschädigender Komplikationen finden sich viele Vertreter der NSAR nicht auf der PRISCUS-Liste wieder. In der BIS zeigte sich, dass eine Anpassung bei reduzierter Nierenfunktion bereits zum Teil erfolgte. Eine leitliniengerechte Prävention von gastrointestinalen Komplikationen mit Magensäure-hemmenden Medikamenten bei NSAR-Einnahme fand oftmals nicht statt.
Introduction: Medical Care in Germany is facing an aging patient clientele due to demographic changes. Yet, medical studies for this age group remain scarce. The Berlin Initiative Study (BIS) included individuals who were at least 70 years of age. The objective of this study was to achieve a better understanding of the epidemiology of medication and analgesic use in the elderly.
Methods: A total of 2069 participants were recruited for this population-based cohort-study from the greater Berlin area. The current medication was determined through an interview. Medication was sampled through the Anatomic-Therapeutic-Chemical (ATC)-Code and further evaluated. Potentially inadequate analgesics are based on the PRISCUS-list. Statistical analysis including the logistic regression analysis of the collected pseudonymized data used SPSS and Microsoft Excel. The Data of the BIS Baseline visit from 2009 – 2011 have been analyzed in this thesis.
Results: Medications were used by most participants (97,1%). 66.7% of the participants took five or more drugs. Prevalence of polypharmacy increased continually with age. Low dose acetylsalicylic acid was the most frequently used medication in the BIS. One third of participants consumed analgesic drugs. Non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAID) were the most widely used analgesic group. 43.2% of all analgesics were used regularly. Analgesics were more often prescribed than acquired over the counter (OTC). Female gender, moderate alcohol consumption, low physical activity and poorly rated subjective health were associated with the use of analgesic drugs. Metamizole was used significantly more often in ≥80-year-olds than in 70 – 79-year-olds. Potentially inadequate analgesics were used by 24 participants (3,7%). 69% of participants with a normal kidney function, who needed analgesic medication, took NSAID opposed to 55.2% of participants with reduced kidney function. In addition to regular use of NSAID, 35.9% of participants used medication for stomach protection.
Conclusion: The results of the Baseline-visit of the BIS help to gain a more thorough view on medication and analgesic use in an elderly cohort. The high prevalence of polypharmacy also includes OTC-medication. This should require more emphasis on OTC-medication when prescribing medication for the elderly. The well-established PRISCUS-list for potentially inadequate drugs cautions only about a handful of analgesics. Despite that, gastrointestinal as well as kidney complications are well known in literature especially for NSAID. The BIS demonstrates that an adjustment for reduced kidney function was partly done. A guideline-based prevention of gastrointestinal complications with medication for stomach protection was infrequently performed.