In der vorliegenden Dissertation beschäftige ich mich mit der Rekonstruktion von Spinozas egalitaristischer politischer Philosophie. Dabei wird der Begriff Gleichheit in drei Dimensionen behandelt. Erstens gibt es in Spinozas System eine grundlegende ontologische Gleichheit alles Seienden in dem Sinne, dass alles, was ist, gleichermaßen auf der Macht Gottes beruht. Zweitens hat der Begriff Gleichheit eine deskriptive Dimension, aber nicht im Sinne des Vergleichs der Identität oder Ähnlichkeit der Dinge, sondern im Sinne der Darstellung der Interdependenz alles Seienden. Drittens ergibt sich aus dieser Interdependenz eine normative Dimension der Gleichheit, bei der es um ein inklusives Anderswerden und eine Steigerung des Handlungsvermögens der Gemeinschaft geht. Die liberale, individualistische Auffassung der normativen Gleichheit wird von Spinoza jedoch nicht gänzlich zurückgewiesen, sondern fungiert als ein Instrument für diese kollektivistische Politik. Denn die Vorstellung, dass jeder Mensch gleichwertig sei, ist so lange „nützlich“ für das Zusammentreffen der Menschen, wie man sich nicht von der imaginierten Individualität und Menschlichkeit befreien kann. Diese Dissertation versucht, das Gesamtbild des spinozistischen Egalitarismus durch eine dichte Analyse der Verwobenheit der drei Dimensionen der Gleichheit zu bieten. Dieses Projekt ist in drei Kapitel gegliedert, die jeweils die Ethik, den Theologisch- politischen Traktat und den Politischen Traktat zum Untersuchungsgegenstand haben. Im zweiten Kapitel behandle ich die Ethik, um zu erklären, inwiefern die immanenzorientierte Ontologie und Epistemologie als eine theoretische Grundlage des politischen Egalitarismus und der inklusiven Demokratie fungieren. Im dritten Kapitel werde ich auf Spinozas Demokratietheorie im Politischen Traktat eingehen. Im Gegensatz zu ihrer formal klassischen Darstellungsweise zeigt diese Schrift ein kompliziertes Denkmuster für eine politikwissenschaftliche Theoretisierung der Demokratie. Denn die wesentlichen Termini – Politik, Souveränität, multitudo, absolute Herrschaft, Demokratie etc. – scheinen in den Darstellungen der politischen Ontologie in den einleitenden Kapiteln und der vergleichenden Institutionslehre in den späteren Kapiteln uneinheitlich behandelt zu werden. Indem ich diese Spannung im Politischen Traktat aufrechterhalte, versuche ich, den vielschichtigen Charakter der inklusiven Demokratie zu veranschaulichen. Im vierten Kapitel behandele ich Spinozas Auseinandersetzung mit Religion und religionsorientierten Gesellschaften im Theologisch-politischen Traktat im Rahmen der Gleichheitsproblematik. In dieser einzigen politischen Schrift, die zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wurde, legt Spinoza meiner Auffassung nach eine theoretische Grundlage für die Demokratisierung des Staates und für die gesellschaftliche Integration der vom religiösen Imaginären geknechteten Bevölkerungsschichten. Anstelle des üblichen Interpretationsmusters, wonach es in diesem Traktat vor allem um die liberale Überzeugung von Religions- und Meinungsfreiheit jedes Individuums geht, werde ich eine republikanische oder inklusiv-demokratische Lesart des Theologisch-politischen Traktates vorschlagen. Dabei wird zur zentralen Thematik erhoben, dass dieser Traktat ein eindrucksvolles Exemplar der Umgangsweise mit der undemokratischen affektiven und imaginären Lebenswelt der Menge (multitudo) bietet, die heute wiederum als ein wichtiges Problemfeld in die politische Debatte zurückkehrt.