Due to the protracted nature of the Israeli-Palestinian conflict future in Jerusalem is very contested. There is a significant imbalance between past, present and future, where the importance of future is widely substituted by the importance of the past. In addition, imaginations of future in Jerusalem are disproportionately impacted by artificial images of future. All mental constructs regarding futures are competing with scenarios imposed on by third parties as well as politicized by institutions and actors with specific agendas. There is little to no scientific or empirical work focused specifically on futures or long-term scenarios of Jerusalem or its citizens. This marginalization of future increases the barriers to address true and meaningful guiding principles (Leitbilder), which are, for the most part, hidden, un-reflected and sometimes very difficult to access by the people of Jerusalem. However, future and the five functions of Leitbilder – Orientation, Motivation, Burden Relief, Community Building and Differentiation – are key for the ability of any social entity to actively shape long-term developments by today’s imaginations. Especially in protracted conflict with a zero-sum attitude a discourse on desired, undesired, feasible and unfeasible futures by the different parties is fundamental. Therefore, this study aims to uncover the subconscious and largely inaccessible Leitbilder prevalent in Jerusalem with the method of the Leitbildanalysis. The Leitbildanalysis is a multi-step process tailored and specifically designed for drawing subconscious mental constructs of future into the open. This work entails an in-depth exploration of 33 unique perspectives of opinion leaders in Jerusalem from all walks of life to form six comprehensive images of Jerusalem 2060. They are then analyzed, discussed and compared along conflict lines to be handed back to the citizens of Jerusalem as true and unfeigned images of prospective developments. By and large, this study sheds light on the circumstance, that contrary to common belief, the images found do not align with conflict ideologies but rather individual attitudes towards future. As a whole, the examination of the perception of futures for Jerusalem in 2060 reveals various unexpected and some, especially in hindsight, apparent aspects. The final six images of future but also the detailed analysis of the Leitbild modules in combination with the direct citations from the interviews enables a new perspective on future in protracted conflict, emphasizing the stipulating role of guiding principles to stem the tide and shape future developments in Jerusalem – in spite of their systematic marginalization.
Aufgrund des anhaltenden Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern ist Zukunft in Jerusalem außergewöhnlich umkämpft. Im öffentlichen Diskurs besteht ein Ungleichgewicht zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, in dem die Narrationen von Zukünften durch die Narrationen von Vergangenheiten überschatten werden. Zudem werden Zukunftsbilder durch den jahrzehntelang anhaltenden Konflikt und dessen internationale Relevanz stark von artifiziellen Zukunftsbildern beeinflusst. Tatsächliche Zukunftskonstruktionen konkurrieren und verschmelzen mit oktroyierten Zukunftsszenarien und politisch motivierten institutionellen Zukunftsbildern. Insgesamt gibt es kaum wissenschaftliche oder empirische Arbeiten, welche sich explizit und grundlegend mit Zukünften, alternativen Zukunftsperspektiven oder langfristigen Szenarien der Menschen in Jerusalem beschäftigen. Die Dynamik der Marginalisierung von Zukunft in dem anhaltenden Konflikt verstärkt die Hürden für die Bewohner der Stadt tatsächliche und bedeutsame Leitbilder zu formulieren. Sie existieren größtenteils unterbewusst, unreflektiert und Individuen können sie meist nur schwer aufrufen oder direkt auf sie zugreifen. Die Ebene der Zukunft und die fünf Funktionen von Leitbildern – Orientierung, Motivation, (Entscheidungs-) Entlastung, Abgrenzung und Gemeinschaftsbildung – sind jedoch wesentlich für die Fähigkeit von Sozietäten aktiv ihre Zukunft durch Imaginationen im Jetzt zu gestalten. Besonders in anhaltenden Konfliktsituationen mit einer Nullsummenmentalität ist ein Diskurs über wünschenswerte, nicht wünschenswerte, mögliche und unmögliche Zukünfte der verschiedenen Parteien von enormer Bedeutung. Daher ist das Ziel dieser Arbeit unbewusste und weitgehend unzugängliche Leitbilder in Jerusalem mit der Methode der Leitbildanalyse – einem mehrstufigen, speziell für unbewusste Zukunftsbilder konzipierten Prozess – zugänglich zu machen. Es werden 33 einzigartige Perspektiven von Meinungsführern aus verschiedenen Bereichen und Gesellschaftsschichten in Jerusalem untersucht welche durch explorative Tiefeninterviews Einblicke in sechs einzigartige Leitbilder für Jerusalem 2060 gewähren. Diese sechs Leitbilder werden im Anschluss analysiert, diskutiert und miteinander verglichen um sie den Bewohnern von Jerusalems als tatsächliche und authentische Perspektiven zukünftiger Entwicklungen zurückzuspielen. Im Laufe der Analyse zeigt sich deutlich, dass entgegen der vorherrschenden Meinung, die eruierten Leitbilder nicht primär die Zugehörigkeit zu einer Konfliktpartei wiederspiegeln, sondern darüber hinaus gehen. Es sind Abbilder persönlicher Einschätzungen von Zukunft, welche sich ungeachtet der Nationalität und Religion untereinander decken oder unterscheiden. Insgesamt ergab die empirische Untersuchung einige unerwartete und einige vor allem im Nachhinein erwartbare Ergebnisse. Die finalen Leitbilder, ganz besonders aber auch die Analyse der Leitbildmodule zusammen mit den direkten Zitaten der Interviews, ermöglichen neue Perspektiven auf Zukunft in anhaltenden Konflikten und unterstreichen die immense Wirkung und Wichtigkeit von Leitbildern auf die aktuellen Entwicklungen in Jerusalem, trotz ihrer strukturellen Marginalisierung in beiden Gesellschaften.