Die Verkehrswende, der Umbau des Verkehrssystems hin zu einer ökologisch nachhaltigen Mobili-tät, ist ein komplexer gesellschaftlicher Transformationsprozess. Der Wandel erfordert, neben der Schaffung entsprechender politischer Rahmenbedingungen und dem Einsatz neuer Technologien, tiefgreifende Änderungen von Einstellungen und Verhaltensweisen sowie kulturell geprägter Deu-tungsmuster in der Gesellschaft. Unter welchen Bedingungen sich derartige Veränderungen auf der Ebene des Individuums und auf der Ebene sozialer Strukturen ergeben können und wie diese Ebe-nen miteinander wechselwirken, ist jedoch nicht ausreichend erforscht. Ziel dieser kumulativen Dissertation ist es, auf theoretischer sowie empirischer Basis ein agentenbasiertes Modell der Ein-stellungs- und Entscheidungsänderungen der Verkehrsmittelwahl zu schaffen. Ich beziehe mich dabei auf die kognitionswissenschaftliche Forschung zur Rolle von Emotionen bei der Informati-onsverarbeitung und Entscheidungsfindung, auf Forschungsarbeiten zu der Wirkung sozialer Ein-flüsse aus den Bereichen der Sozialpsychologie und Soziologie sowie auf die umweltpsychologische Forschung zur Segmentierung von Zielgruppen. In Studie 1 wurde anhand eines Vignettenexperiments und eines kognitiv-affektiven Modells dyadischer Kommunikation untersucht, welchen Einfluss die Verwendung emotionaler Sprache im Zuge persuasiver Kommunikation auf die Informationsverarbeitung von Menschen hat. Die Ergeb-nisse zeigen, dass die Tendenz zur motivierten Informationsverarbeitung (motivierte Kognition) durch die Valenz und den Grad der Emotionalität in der Kommunikation beeinflusst wird. Mithilfe des Modells können die beobachteten Effekte durch den Mechanismus der emotionalen Kohärenz erklärt und in ihrer Wirkung auf mentale Strukturen geschätzt werden. In Studie 2 wurden die Einstellungen und affektiven Bedeutungen einer breiten Palette von konventionellen und neueren Verkehrsmitteln untersucht. Auf Basis der affektiven Wahrnehmun-gen konnten unterschiedliche Mobilitätstypen identifiziert werden. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass die typspezifischen affektiven Bedeutungsmuster die Bereitschaft, emissionsarme Verkehrsmit-tel zu nutzen, im hohen Maße bestimmen. In Studie 3 wurden die theoretischen und empirischen Ergebnisse aus den vorangegangenen Studien in dem agentenbasierten Modell InnoMind (Innovation diffusion driven by changing Minds) zusammengeführt. Die Simulationsszenarien zu unterschiedlichen Fördermaßnahmen von Elektromobilität verdeutlichen, dass die Wirksamkeit der Instrumente durch die zielgruppenspezifi-schen Einstellungsmuster und sozialen Interaktionen der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrs-teilnehmer beeinflusst werden. In Studie 4 wurde das Modell InnoMind genutzt, um die einstellungsverändernden Effekte von Informationskampagnen zur Nutzung von Carsharing zu untersuchen. Das Vorgehen verdeutlicht die Flexibilität und Adaptivität des Simulationsansatzes. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass die veränderte Darstellung der Mobilitätsoptionen in den Kampagnen deren Wirkung in bedeutsamen Maß beeinflussen kann. Insgesamt unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung affektiv-emotionaler Prozesse für die Einstellungsbildung und -änderung. Die Verarbeitung von (sozialen) Informationen unterliegt Ver-zerrungen, die zu einer Konstruktion einer konsistenten Repräsentation bestehender Überzeugun-gen und Emotionen führen. Diese auf individueller Ebene wirkenden Mechanismen haben in Wechselwirkung mit sozialen Kommunikationsprozessen und Informationsflüssen einen entschei-denden Einfluss auf die Dynamiken im Zuge gesellschaftlicher Transformationen. Das in dieser Arbeit entwickelte agentenbasierte Modell ermöglicht es, derartige komplexe In-teraktionsprozesse und Dynamiken zu analysieren. Auf der Grundlage kognitionswissenschaftlicher, sozialpsychologischer und soziologischer Theorien sowie umfassender Empirie erweitert es die bis-herige Forschung zu Meinungsdynamiken und sozialen Einflüssen mithilfe sozialer Simulationen. Zudem vermittelt das Modell handlungsrelevantes Wissen, um die Akzeptanz der Verkehrswende in der Gesellschaft zu fördern.
The transformation of the transport system toward ecologically sustainable mobility is a complex social transition process. In addition to the creation of appropriate political framework conditions and the use of new technologies, the transformation requires profound changes in attitudes and behaviors as well as culturally shaped patterns of meanings in society. However, the conditions un-der which such changes might occur at the individual and at the level of social structures, and how these levels interact with each other, have not been sufficiently investigated. The aim of this cumu-lative dissertation is to create an agent-based model of attitudinal and decision-making changes in transportation choice on a theoretical as well as empirical basis. I draw on cognitive science research on the role of emotions in information processing and decision making, research on the effect of social influence from the fields of social psychology and sociology, and environmental psychology research on target group segmentation. In study 1, a vignette experiment and a cognitive-affective model of dyadic communication were used to investigate the influence of the use of emotional language in the course of persuasive communication on people's information processing. The results show that the tendency towards motivated information processing (motivated cognition) is influenced by the valence and the degree of emotionality in the communication. Using the model, the observed effects can be explained by the mechanism of emotional coherence and estimated in terms of their effect on mental structures. Study 2 examined the attitudes and affective meanings of a wide range of conventional and newer modes of transportation. Based on the affective perceptions, different mobility types could be identified. Furthermore, the study shows that the type-specific affective meaning patterns de-termine the willingness to use low-emission transport modes to a high degree. In study 3, the theoretical and empirical results from the previous studies were combined in the agent-based model InnoMind (Innovation diffusion driven by changing Minds). The simulation sce-narios for different measures promoting electric mobility illustrate that the effectiveness of the in-struments is influenced by the target group-specific attitude patterns and social interactions of the road users. In study 4, the InnoMind model was used to investigate the attitude-changing effects of infor-mation campaigns on the use of car sharing. The approach illustrates the flexibility and adaptivity of the simulation approach. Furthermore, the study shows that the altered presentation of mobility options in the campaigns can influence their impact to a significant degree. Overall, the results underline the importance of affective-emotional processes for attitude for-mation and change. The processing of (social) information is subject to distortions that lead to the construction of a consistent representation of existing beliefs and emotions. These mechanisms, acting on an individual level, interact with social communication processes and information flows to have a decisive influence on the dynamics in the course of social transformations. The agent-based model developed in this thesis makes it possible to analyze such complex inter-action processes and dynamics. Based on cognitive science, social psychology, and sociological theo-ries as well as extensive empirical evidence, it extends previous research on opinion dynamics and social influence by means of social simulations. In addition, the model provides actionable knowledge to promote the acceptance of the transport transition in society.