Einleitung: Die kumulative Wirkung gemeinsam verabreichter anticholinerger Medikamente, gemeinhin als anticholinerge Last bezeichnet, kann vor allem bei älteren Patienten zu kognitiven Einbußen führen. Um diese Last zu messen, wurden verschiedene Skalen entwickelt, die unterschiedliche Zielsetzungen haben und verschiedene Medikamente beinhalten. Es ist weitgehend ungeklärt, welche der Skalen sich am besten zur Darstellung der kognitiven anticholinergen Last eignet. Weiterhin ist unklar, auf welche kognitiven Domänen die anticholinerge Last Einfluss nimmt. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, zehn anticholinerge Skalen und eine aus den Skalen abgeleitete Zählweise anticholinerger Medikamente hinsichtlich der Auswirkung auf die kognitive Leistung zu vergleichen. Außerdem sollte ermittelt werden, auf welche kognitiven Domänen sich die anticholinerge Last auswirkt. Methoden: Die Stichprobe setzte sich aus Patienten im Alter von 65 bis 80 Jahren zusammen, die sich zur Abklärung kognitiver Beschwerden in der Gedächtnissprechstunde der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig Krankenhaus in Berlin vorgestellt hatten. Die Daten von 331 Patienten wurden retrospektiv und im Querschnitt untersucht. Je nach Diagnose der Patienten erfolgte eine Einteilung in drei Gruppen: Patienten mit subjektiver kognitiver Störung, leichter kognitiver Störung und Demenz vom Alzheimer-Typ. Die anticholinerge Last wurde gemäß zehn anticholinergen Skalen für jeden Patienten ermittelt. Außerdem wurden die anticholinergen Medikamente skalenübergreifend gezählt. Die kognitive Leistung der Patienten wurde mittels einer umfangreichen neuropsychologischen Testbatterie erfasst. Mithilfe von multiplen linearen Regressionsanalysen erfolgte eine Untersuchung des Einflusses anticholinerger Last auf die globale kognitive Leistung und anschließend auf einzelne kognitive Domänen. Ergebnisse: Die Erfassung anticholinerg exponierter Patienten (Einnahme mindestens eines anticholinerg wirksamen Medikamentes) reichte je nach Skala von 7,55 bis 45,01%. Zwischen der anticholinergen Last, gemessen durch die zehn Skalen, und der globalen kognitiven Leistung war kein signifikanter Zusammenhang zu beobachten. Lediglich mit der skalenübergreifenden Anzahl anticholinerger Wirkstoffe (AAW) konnte ein signifikanter negativer Einfluss auf die globale kognitive Leistung gezeigt werden. Weiterhin war ein signifikanter negativer Zusammenhang zwischen der AAW und den Testleistungen bezüglich der Wortflüssigkeit und des verbalen episodischen Gedächtnisses erkennbar. Schlussfolgerung: Deckungsgleich zu Literaturbefunden unterschieden sich die anticholinergen Skalen in der vorliegenden Arbeit stark hinsichtlich der Klassifizierung anticholinerg exponierter Patienten. Ferner suggerieren die Ergebnisse der Arbeit, dass ein Zählen anticholinerger Medikamente geeigneter ist, um den Einfluss anticholinerger Medikamente auf kognitive Leistungen zu erfassen, als die Nutzung anticholinerger Skalen. Es sind jedoch Validierungsstudien nötig, um dieses Ergebnis zu bestätigen.
The cumulative effect of coadministered anticholinergic drugs (anticholinergic burden) can lead to cognitive impairment, especially in older patients. Various scales have been developed to measure anticholinergic burden. It is still unclear which scale is best suited for measuring the cognitive anticholinergic burden. Furthermore, it is unknown which cognitive domains are affected by anticholinergic burden. The aim of this study was to compare ten anticholinergic scales and the cross-scale number of anticholinergic drugs regarding the influence on cognitive outcomes. Another goal was to determine the cognitive domains affected by anticholinergic burden. Methods: In this retrospective monocentric study 331 patients aged 65 to 80 years, who were admitted in an outpatient clinic for cognitive disorders, were evaluated. Patients were divided into three groups by diagnosis: subjective cognitive decline, mild cognitive impairment, and Alzheimer’s dementia. The anticholinergic burden according to each of the ten scales was determined. In addition, the anticholinergic drugs were counted across scales. Cognitive performance assessment, based on an extensive neuropsychological battery, was used from patient data. Multiple linear regression analyses were used to investigate the influence of anticholinergic burden on global cognitive performance and subsequently on individual cognitive domains. Results: The number of patients exposed to anticholinergic drugs indicated by each scale varied from 7.5 to 45.0%. No significant relationship was observed between the anticholinergic burden as measured by each of the ten validated scales and global cognitive performance. Only the new cross-scale instrument, number of anticholinergic drugs (NAD), showed a significant negative impact on global cognitive performance. Furthermore, a significant negative association between the NAD and test performance was observed for both verbal fluency and verbal episodic memory. Conclusion: In accordance with previous studies, the anticholinergic scales classified very different sets of patients as anticholinergic-exposed. The results of this study suggest that simple counting the number of anticholinergic drugs may be a more effective method than using anticholinergic burden scales for predicting the influence of anticholinergic medication on cognitive functioning. However, validation studies are necessary to confirm this result.