Hintergrund: In der Bundesrepublik Deutschland sind rund 1,5 % der Bevölkerung gesetzlich betreut, am häufigsten aufgrund von psychischen Erkrankungen. Jedoch ist bislang wenig darüber bekannt, was diese Personengruppe im Kontext der stationären Psychiatrie von nicht betreuten Personen unterscheidet. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den Stellenwert der Behandlung gesetzlich betreuter Patient*innen in der psychiatrischen Klinik eines Krankenhauses der Schwerpunktversorgung zu untersuchen, um daraus Optimierungspotenziale in den Aufnahme-, Behandlungs- und Entlassprozessen abzuleiten. Methoden: Auf der Basis von angereicherten Routinedaten erfolgte eine retrospektive Analyse von 18.138 konsekutiven Behandlungsfällen in der psychiatrischen Klinik des Vivantes Humboldt-Klinikums Berlin über einen Zeitraum von sieben Jahren (2006 – 2012). Ergebnisse: Der Anteil gesetzlich betreuter Personen an der untersuchten Stichprobe betrug 16,6 %. Ihr respektiver Anteil an den stationären Aufnahmen (28,5 %) und an den in Anspruch genommenen Bettenkapazitäten (36,2 %) war deutlich höher. Gesetzlich betreute Personen zeigten häufiger Hauptdiagnosen aus dem Spektrum der Severe Mental Illness (SMI) (39,3 %), vor allem nicht-affektive psychotische Störungen (31,4 %), außerdem organische psychische Erkrankungen (25,8 %). Sie wiesen eine höhere Krankheitsschwere auf. Die stationäre Aufnahme erfolgte häufiger notfallmäßig und unfreiwillig, außerdem häufiger aufgrund von Fremdaggressivität. Der stationäre Verlauf war durch längere Aufenthalte, hohe Wiederaufnahmeraten und eine Häufung von Fixierungen und fremdaggressiven Ereignissen geprägt. Die Entlassung erfolgte häufiger regulär als in der nicht betreuten Personengruppe. Die Eigenschaften männlich, unfreiwillige Behandlung, komorbide Suchterkrankung, Hauptdiagnose aus dem SMI-Spektrum, Aufnahme als Notfall, Aufnahme wegen Fremdaggression und fremdaggressives Verhalten während des Aufenthaltes erhöhten die Wahrscheinlichkeit gesetzlich betreut zu sein. Schlussfolgerungen: Gesetzlich betreute Personen waren überwiegend von schweren und chronischen psychischen Erkrankungen betroffen und vereinten Eigenschaften in sich, die mit Risiken und Komplikationen bei der stationären Aufnahme und im Behandlungsverlauf sowie einer hohen Inanspruchnahme infrastruktureller Ressourcen einhergingen. Das Vorliegen einer gesetzlichen Betreuung erschien in der Mehrzahl der Fälle gerechtfertigt. Zur Prävention der genannten Risiken bieten sich Lösungsansätze an der Schnittstelle zwischen ambulantem und stationärem Setting an. Dazu gehören eine Anpassung stationärer Behandlungsabläufe an die spezifischen Bedürfnisse dieser relevanten klinischen Subgruppe, ein Ausbau ambulanter Versorgungsstrukturen und nicht zuletzt eine bessere Vernetzung aller an der Versorgung und Behandlung beteiligten Akteur*innen unter intensivem Einbezug der gesetzlichen Betreuer*innen.
Background: In Germany, around 1.5 % of the population have a court-appointed legal guardian, most commonly because of psychiatric disorders. However, little is known about the differences between patients with and without legal guardians in the context of inpatient psychiatric health care. The objective of the present study is to examine the significance of the treatment of patients with legal guardians in the psychiatric department of a general hospital in order to derive potentials in optimizing admission, treatment and discharge processes. Methods: A retrospective analysis of 18.138 consecutive treatment cases in the psychiatric department of the Vivantes Humboldt-Klinikum Berlin over a period of 7,5 years (2006 – 2012) was carried out on the basis of a set of routine data. Results: 16.6 % of the investigated population had a legal guardian. Their respective proportions of admissions (28.5 %) and inpatient beds (36.2 %) were markedly higher. Patients with legal guardians more often showed main diagnoses from the severe mental illness (SMI) spectrum (39.3 %), mainly comprising non-affective psychotic disorders (31.4 %) and organic mental disorders (25.8 %). They had a higher disease severity. They were more often admitted as an emergency, they showed more compulsory admissions and admissions due to aggressive behavior. Their length of inpatient stay was longer, the readmission rate was higher and there was a cumulation of restraint and aggressive incidents. The discharge from inpatient care was more often planned than in the group of patients without legal guardians. The factors male gender, compulsory treatment, comorbid substance abuse disorder, main diagnosis from the SMI spectrum, admission as an emergency, admission due to aggressive behavior, and aggressive behavior during inpatient stay increased the probability of having a legal guardian. Conclusion: Persons with legal guardians were mostly affected by severe and chronic mental illness and showed a set of characteristics that accompanied risks and complications during admission and inpatient stay, as well as a high utilization of infrastructural resources. The existence of a legal guardian seemed justified in most of the cases investigated. Methods to prevent the above mentioned risks should preferably focus on the interface between inpatient and outpatient settings. This includes the adaptation of inpatient treatment processes to the specific needs of this relevant clinical subgroup, further development of outpatient care structures and last but not least improved networking between all persons and institutions providing psychiatric care, encompassing close cooperation with legal guardians.