Der Grundgedanke für die vorliegende Arbeit war, darzustellen, mit welchem Pflichtbewusstsein, immensem Einsatz und am Ende des 2. Weltkrieges auch mit der realistischen Gefahr der Liquidierung als Kollaborateure, die Rasse der Lipizzaner beschützt, in Sicherheit gebracht und somit für die Zukunft erhalten wurde. Der Lipizzaner zählt zu den ältesten Kulturpferderassen und erfährt somit eine Sonderstellung in der globalen Pferdezucht. Weltweite Berühmtheit erlangte diese Rasse durch ihren Einsatz in der Spanischen Hofreitschule Wien, die als älteste Reitschule der Welt gilt, in der die klassische Reitkunst bis heute gelehrt und in ihrer unverfälschten Form bewahrt wird. Das Zuchtziel der Lipizzaner ist klar vorgegeben. Einst wurden sie nach den Bedürfnissen des habsburgischen Kaiserhofes gezüchtet unter der Maßgabe der Eignung für die klassische Reitkunst, aber auch als Zugpferd für die kaiserlichen Karossen. Die strenge Selektion auf die Exterieur- und Interieureigenschaften brachte ein Pferd hervor, das sich hervorhebt durch Gelehrigkeit und Ausdauer. Der Lipizzaner ist äußerst geduldig, überaus gutmütig und sehr willig. Zudem zeichnet er sich durch Langlebigkeit und Spätreife aus. Die außer-gewöhnliche substanzielle Festigkeit im Knochenbau und die daraus resultierende ausgiebige Kraftentfaltung sowie der überaus zähe, widerstandsfähige Sehnen- und Bandapparat disponierten den Lipizzaner besonders für die enormen Anforderungen der Hohen Schule. In der Spanischen Hofreitschule werden nur die „Klassischen Lipizzanerlinien“ für die Ausbildung herangenommen. Der Begriff „Klassisch“ definiert die Zuchtentstehung im „Karster Hofgestüt zu Lippiza“ (alte Schreibweise) im Sinne der Lipizzan International Federation Reinrassigkeitskriterien. Deren eindeutiges Zuchtziel ist die Erhaltung des reinrassigen Lipizzaners gemäß den traditionellen Zuchtregeln vom Typ des barocken Prunkpferdes. Lipizzaner werden als Dressur-, Parade- und Fahrpferde gezüchtet. Die Geschichte dieser edlen Pferderasse zeigt, dass diese als Einheit mit der Institution der Spanischen Hofreitschule die Jahrhunderte nur überleben konnten, weil die Rasse durch besondere, mutige Persönlichkeiten vor unbesonnenen Handlungen bewahrt wurde. Viele Male in der Geschichte mussten die Habsburger Lipizzaner ihre Heimat verlassen. Auch wenn sich jede Flucht negativ auf ihre Gesundheit auswirkte, fand stets mit Sachverstand eine Korrektur statt. Am Ende des ersten Weltkrieges ging es nicht allein um die Gesundheit der Equiden, sondern um eine sehr ernstzunehmende, existenzielle Bedrohung für den im Exil in Laxenburg verweilenden Pferdebestand. Hier ging es plötzlich auch um den Fortbestand der Spanischen Hofreitschule und um die bloße Existenz der Lipizzanerrasse. Die Konfiskation des Habsburger Besitzes wurde eingeleitet und mithin waren die Lipizzaner bedroht von ihrer Versteigerung oder gar einem schlimmeren Schicksal. Das mindere Verständnis in der Bevölkerung für die Prunkpferde der nun zerschlagenen Habsburger Monarchie und die herrschende Hungersnot der Bevölkerung brachten die Lipizzaner in eine realistische, äußerst bedrohliche Gefahr. Dr. Beck-Mannagetta, betraut mit dem Posten des obersten Verwalters der Hofära, setzte sich schützend für die Lipizzaner ein. Die Privatisierung von Gestüt und Reitschule konnte er verhindern und somit auch die damit einhergehende unweigerliche Zerschlagung der Reitschule abwehren, denn der Verlust des Gestütes hätte die Auflösung der Spanischen Hofreitschule unweigerlich zur Folge gehabt. Sein Verdienst war es vor allem, dafür Sorge zu tragen, dass ausreichend genetisches Material für eine rein österreichische Zucht zur Verfügung stand. Darüber hinaus erwirkte er, dass Italien in einen Austausch der Lipizzanerlinien einwilligte. Mithin war für die zukünftige jeweilige Zucht in beiden Ländern zumindest der theoretische Fortbestand gesichert. Mauritius Herold, Oberbereiter unter dem Kaiser, hatte plötzlich die volle Verantwortung für die Reitschule nach der Dienstenthebung des k. u. k. Oberstallmeisters Nikolaus Pálffy. Seine beachtliche Leistung lag darin, unermüdlich und ohne Unterlass Wege zu finden, die klassischen Hengst- und Stutenlinien der Lipizzaner in ihrer Gesamtheit für Österreich und somit auch für die Reitschule zu erhalten. Herold und seine Bereiterkollegen gaben Reitunterricht für Zivilisten, führten die Reiterausbildung für Militäroffiziere ein, organisierten Galavorstellungen, aber auch Vorführungen für sozialdemokratische Bildungsvereine, sammelten Spendengelder für wohltätige Zwecke und fertigten selber Postkarten an, um mit dem Erlös notwendige Anschaffungen zu finanzieren. Herold richtete sich mit seiner Denkschrift an das Staatsamt für Landwirtschaft, um für die Übernahme der Reitschule und des Gestütes zu werben und bat die Wiener Reitervereinigung „Viribus unitis“ um Unterstützung, um die Auflösung von Schule und Gestüt unbedingt zu verhindern. Ein beachtlicher Erlös konnte auch durch den Verkauf von hochklassigen Wagenpferden erzielt werden. Vor allem aber stieg durch alle seine Maßnahmen das so notwendige Ansehen im Wiener Volk für die Lipizzaner und damit verbunden für die Hofreitschule. Popularität im Ausland erlangte die Reitschule letztlich ab 1925 durch ihre Tourneen. Alle Anstrengungen führten in ihrer Gesamtheit dazu, dass Gestüt und Reitschule fortan in der Lage waren, sich selbst zu finanzieren. Damit war die Rettung gelungen. 1920 konnten die Lipizzaner das Gestüt in Piber beziehen. Hier entwickelten sie sich prächtig, die Fruchtbarkeit erlangte 1928 die Rekordmarke von 100%. Somit kehrte endlich Ruhe ein für die Pferde und für das Institut. Leider hielt der Frieden nicht lange an. Mit dem Anschluss Österreichs an das Großdeutsche Reich wurde das Piberer Gestüt der Reichs- und Preußischen Gestütsverwaltung angegliedert. Die Spanische Hofreitschule wurde 1939 von der Wehrmacht übernommen. Die Leitung der Hofreitschule übernahm der Österreicher Major Alois Podhajsky als Kommandeur. Mit dem Beginn der Bombardierung Wiens ersuchte Podhajsky um eine Evakuierungserlaubnis für die Hofreitschule. Besonders drängte die Verlegung auf Grund des Wissens, dass die Spanische Reitschule in Budapest bereits ein furchtbares Schicksal ereilt hatte. Das dortige Personal war in Kriegsgefangenschaft gekommen und die Hengste wurden erschossen und vermutlich verspeist. Für die Equiden der Hofreitschule Wien bestand dennoch ein Evakuierungsverbot. Die Vorgesetzten Podhajskys sahen einen Abtransport der Hengste als negatives Zeichen für die Wiener Bevölkerung, die hierin die hoffnungslose Lage vor Augen geführt bekommen würde. Podhajsky suchte deshalb selber nach einer geeigneten Unterkunft und hoffte auf das baldige Einsehen der Gauverwaltung. Diese gestattete die Evakuierung quasi in letzter Minute erst im Februar 1945, so ging es für die Hengste nach St. Martin in Oberösterreich. Am 3.5.1945 wurde Sankt Martin von den amerikanischen Alliierten besetzt. Die Hengste der Spanischen Hofreitschule hatten vier Tage später die erste Vorführung vor dem amerikanischen General Patton, Staatssekretär Patterson und anderen Generälen. Am Ende der Vorführung bat Podhajsky, als Leiter der Schule, General Patton, die Lipizzaner und die Spanische Hofreitschule unter Schutz zu nehmen. Das Piberer Gestüt dagegen unterstand seit dem 1.10.1942 dem Oberkommando des Heeres. Mit Ausbreitung des Krieges stieg die Gefahr, dass die Lipizzanerrasse in ihrem Fortbestand gefährdet wurde. Mithin begann die deutsche Wehrmacht, die Lipizzanergestüte an einen gemeinsamen Ort zu verlegen. In Hostau sollte ein Lipizzanergestüt großen Ausmaßes entstehen, als Zentrum aller noch bestehenden Lipizzanerzuchten. Mit Vehemenz bat Podhajsky darum, von der geplanten Verlegung des Gestütes Piber nach Hostau in Böhmen abzusehen. Ungeachtet dessen fand diese jedoch am 3. Oktober 1942 statt. Bis zu Beginn des Jahres 1945, also kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges, waren weitestgehend alle europäischen Lipizzaner an einem Ort versammelt. Kommandant des Hostauer Zuchtgestütes war Hubert Rudofsky, sein Veterinär war Dr. Rudolf Lessing. Beide bangten nun zu Kriegsende um das ihnen anvertraute Kulturgut, denn Hostau befand sich auf dem Boden der sowjetischen Besatzungszone. Die beiden Männer wussten, in den meisten Fällen waren deutsche Gestüte, die den Sowjets in die Hände gefallen waren, wie Graditz, vollständig zerstört worden. Sie hatten die Hauptbeschäler, wenn sie als Arbeitstiere nicht mehr taugten, geschlachtet. Die Vernichtung des Gestütes würde nicht nur den Verlust kostbarer Equiden bedeuten, sondern das unwiderrufliche Ende der gesamten Lipizzanerzucht. Rudofsky’s Anfrage in Berlin, ob er die Tiere in Sicherheit bringen soll, wurde allerdings mit dem Befehl zu bleiben quittiert. Wie durch ein Wunder tauchte praktisch fünf vor zwölf der deutsche Offizier Walter H. auf, der sich mit Rudofsky über den Wert der Tiere austauschte und Fotos anfertigte. Nachdem sich dieser Offizier mit seiner Truppe den Amerikanern ergab, berichtete er dem amerikanischen General Charles Hancock Reed von den in Hostau weilenden Lipizzanern. Die beiden Obersten waren sich einig, dass trotz des Abkommens von Jalta etwas unternommen werden musste, um die wertvollen Tiere vor ihrem Untergang zu retten. Über einen amerikanischen Soldaten wurde Oberst Rudofsky ein Brief des Walter H. zugestellt, in dem dieser bat, einen Mittelsmann zu schicken, um die Lipizzanerrettung vorzubereiten. Unter der Gefahr, sich als Kollaborateur vor dem Kriegsgericht verantworten zu müssen, überwand der deutsche Veterinärmediziner Lessing mehrfach die Grenze, um die Rettungsaktion mit dem amerikanischen Colonel Reed vorzubereiten. Schlussendlich erreichten die Lipizzaner erst nach Kriegsende, am 15.5.1945, sicheres Gebiet und konnten somit für die Österreicher, für die Hofreitschule aber ganz besonders für die Nachwelt erhalten bleiben. Besonderer Dank gilt somit Colonel Charles H. Reed, dem Stabsveterinär Dr. Rudolf Lessing zusammen mit dem damaligen Oberst Hubert Rudofsky, dem unbekannten Oberst H. sowie dem US General George S. Patton, der die Erlaubnis für die Mission gab. Der uneingeschränkte Ruhm der Rettung der Hengste der Hofreitschule aus der Stallburg gilt aber zweifellos Podhajsky. Darüber hinaus war es sein Verdienst, dass die Hengste ebenso unter den Schutz der amerikanischen Alliierten genommen wurden, womit verhindert wurde, dass das wertvolle Zuchtmaterial doch noch unter sowjetischen Einfluss gelangte.