English Summary (Abstracts)
Chapter 1: Germany's efforts to curb international tax evasion
We evaluate the impact of regulatory attempts by German authorities to combat international tax evasion and report a 32-34% reduction of tax haven deposits in German banks as a reaction to bilateral information exchange. We test for reactions in monthly cross-border liabilities of German banks against non-residents employing a new narrative database of the German regulatory environment. Our findings are comparable in magnitude to a number of reference studies which confirms the choice of Germany as a valid case study for international tax evasion. We show disaggregated reactions for a list of tax havens and find large reactions to information exchange for Guernsey, the Bahamas, and Jersey. We also test a number of tax changes and data leaks. Tax evaders do not react to changes in tax rates. Leaks show consistent signs but are hardly significant which confirms information exchange as the main focus of analysis.
Chapter 2: On income tax avoidance - a new micro data model for the German case
I study tax avoidance along the income distribution based on micro data from the Income and Consumption Survey (EVS) for the year 2013. The richness of the survey concerning income, taxes and expenditures is exploited by modelling the German tax code in terms of the items available in the EVS. I.e, components of taxable income and deductions are estimated as precisely as possible in a micro data model. Results confirm findings in the literature claiming that tax avoidance increases with rising income. The estimated amount of avoided tax is largest for the richest decile of individual tax payers, at around 2.8% of taxable income before deductions or 15.8% of taxes paid. Expectedly at the household level, the amount avoided by the highest income decile is reduced somewhat, to 1.8% of taxable income before deductions or 9.8% of taxes paid. Aggregate losses at the national level amount to at least EUR 10.7 bn, or 4.4% of assessed income tax revenues.
Chapter 3: Income tax noncompliance in Germany, 2001-2014
This chapter estimates income tax underreporting for the case of Germany, by income category and along the income distribution. Comparing weighted samples of survey and tax data, we find patterns that are in line with the literature: Average income from self-employment and from rent and lease in the survey is higher than in the tax data, increasing in upper quintiles. However, income underreporting to the tax authorities may be one of several possible explanations for these descriptive findings. We therefore expand our analysis with the Pissarides/Weber (1989) approach that has been applied to a range of countries and data sources before. We use the German Socioeconomic Panel and the Taxpayer Panel, estimating food, housing cost and donation regressions. Results indicate that self-employment is associated with higher housing cost but not with higher food expenditure in the SOEP. In the TPP we find more robust indication of underreporting as self-employment and business incomes are significantly associated with higher donations and even more so for the top-income decile. We use our results to derive tentative estimates of aggregate tax revenue losses due to underreporting of self-employment and other non-wage incomes.
Die Dissertation analysiert Steuerhinterziehung und Steuervermeidung mit einem Fokus auf Deutschland. Dabei stehen die empirische Schätzung des Umfangs dieser Phänomene sowie ihre Verteilungswirkung im Vordergrund. Weiterhin werden Aufkommensverluste für die öffentlichen Kassen geschätzt, und einige der in diesem Feld in den ersten 15 Jahren des 21. Jahrhunderts umgesetzten Politikmaßnahmen untersucht. Aufgrund der allgemein schwierigen Datenlage für die Analyse von Steuerhinterziehung, sowie der im Fall deutscher Steuerdaten vergleichsweise limitierten Verfügbarkeit, restriktiven Zugangsmöglichkeiten und rechtlich-administrativ bedingter Analyseeinschränkungen, wurde dabei ausschließlich auf indirekte statistisch-ökonometrische Methoden zurückgegriffen.
Übergreifender Sinn der Arbeit ist es, über die Abschätzung des Umfangs und der Verteilungswirkung von Steuervergehen zu mehreren Zielen beizutragen: Erstens sollen Verzerrungen anderer Statistiken, etwa zur Verteilung von Einkommen anhand von Steuerstatistiken, korrigiert werden. Zweitens ist eine empirische Abschätzung von Steuerbetrug und Steuervermeidung im Interesse der Öffentlichkeit, deren demokratischer Wille sich repräsentiv vermittelt in der Steuergesetzgebung artikuliert. Zu dieser Willensbildung sollten wissenschaftlich fundierte Informationen beitragen. Zuletzt ist empirische Evidenz eine wichtige Voraussetzung, um zielgenaue, geeignete und angemessene Maßnahmen zur Bekämpfung illegitimer Praktiken zu entwickeln.
Kapitel 1 evaluiert Regulierungsmaßnahmen, die zur Eindämmung von internationaler Steuerhinterziehung getroffen wurden. Dabei werden vor allem Steuerinformationsaustauschabkommen in den Blick genommen, die bei hinreichendem Verdacht einen bilateralen Informationsfluss zwischen den Finanzbehörden der Unterzeichnerstaaten begründen. Insbesondere nach der Finanzkrise von 2007/2008 wurde eine Vielzahl davon geschlossen. Als Reaktion auf den Abschluss solcher Abkommen finden wir einen Rückgang der grenzüberschreitenden Einlagen aus Steueroasen in Deutschland. Wir bestätigen so mit einer neuen Identifikationsstrategie und monatlichen Daten der Bundesbank etablierte Ergebnisse aus der Literatur, in der bis dato mit Quartalsdaten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ein Rückgang von 10 bis 40% geschätzt wurde. Dabei setzen wir eine neu zusammengestellte narrative Datenbank des deutschen regulativen Umfelds ein. Weiterhin zeigen wir disaggregierte Reaktionen einzelner Steueroasen und testen eine Reihe von Steuerrechtsänderungen und Datenlecks. SteuerhinterzieherInnen reagieren dabei nicht auf Steuersatzänderungen. Leaks zeigen zwar die erwarteten Effekte mit konsistenten Vorzeichen, sind aber kaum signifikant. Das bekräftigt den Ansatz, den Informationsaustausch in den Mittelpunkt der Analyse zu stellen. Zu dessen Wirksamkeit ist abschließend allerdings anzumerken, dass wir eine Verschiebung der Einlagen in nicht-kooperierende Jurisdiktionen nicht ausschließen können. Empirische Befunde aus anderen Studien sowie anekdotische Evidenz deuten auf solche Verschiebungen als weit verbreitete Praxis hin.
Kapitel 2 analysiert Steuervermeidung entlang der Einkommensverteilung, anhand von Mikrodaten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe für das Jahr 2013. Die inhaltliche Breite der Befragung wird genutzt, um mit Angaben zu Einkommen, Ausgaben und Steuerzahlungen ein möglichst detailliertes Modell der deutschen Einkommensteuer zu programmieren. Somit werden die Bestandteile der zu versteuernden Einkünfte und die steuerlichen Abzüge so präzise wie möglich in einem Mikrodatenmodell geschätzt. Aus der Differenz der tatsächlich geleisteten und der sich aus dem Modell ergebenden eigentlich zu entrichtenden Steuerzahlungen wird der Steuerverlust berechnet. Die Ergebnisse bestätigen, dass Steuervermeidung mit zunehmendem Einkommen zunimmt: Der geschätzte Steuerverlust ist im obersten Dezil der Steuerzahlenden am größten, und beträgt dort rund 2,8% der steuerbaren Einkünfte (vor Abzügen) bzw. 15,8% der gezahlten Steuern. Wird der Steuerverlust statt auf der individuellen auf der Ebene der Haushalte betrachtet, sinkt der vom obersten Dezil vermiedene Betrag erwartungsgemäß etwas, auf 1,8% der steuerbaren Einkünfte bzw. 9,8% der gezahlten Steuer. Die aggregierten Steuerverluste für den deutschen Fiskus betragen mindestens 10,7 Mrd. Euro, was 4,4% der festgesetzten Einkommensteuer entspricht. Wichtig zur Interpretation dieser im internationalen Vergleich eher kleinen Steuerlücke ist, dass meine Schätzung mit großer Wahrscheinlichkeit eine Untergrenze darstellt: So ist die Datengrundlage verzerrt, weil Personen mit monatlichen Nettoeinkommen von mehr als 18.000 Euro nicht erfasst werden. Zudem ist das Modell konservativ geschätzt, sodass steuerliche Abzüge tendenziell großzügig gewährt werden und im Aggregat um rund 0,8 Prozentpunkte höher liegen als in der Steuerstatistik.
Kapitel 3 erweitert die Analyse von Steuerhinterziehung für Deutschland um weitere empirische Ansätze und einen intertemporalen Vergleich. Dabei wird der Unterschied zwischen verschiedenen Einkunftsarten in den Blick genommen, sowie erneut Verteilungsimplikationen analysiert. Wir vergleichen zunächst mithilfe der Diskrepanzmethode gewichtete Stichproben von Befragungs- und Steuerdaten, wobei wir das Sozioökonomische Panel (SOEP) sowie das Taxpayer-Panel (TPP) verwenden. Wir finden Muster, die zu anderen Untersuchungen passen: Durchschnittliche Einkommen aus Selbstständigkeit sowie Vermietung und Verpachtung sind im SOEP höher als im TPP, zunehmend in oberen Quintilen. Da Steuerhinterziehung nur eine mögliche Interpretation dieser deskriptiven Ergebnisse ist, nutzen wir zudem den Ansatz von Pissarides/Weber (1989), der in der Literatur für eine Vielzahl von Ländern und Datensätzen angewandt wurde. Wir schätzen Regressionen für Nahrungsmittel und Wohnungskosten mit dem SOEP, sowie Gleichungen für Spenden mit dem TPP. Die Ergebnisse zeigen, dass Selbstständigkeit im SOEP zwar mit höheren Wohnungskosten, aber nicht mit höheren Nahrungsausgaben einhergeht. Mit dem TPP schätzen wir dagegen Gleichungen zur Erklärung der Höhe steuerlich abzugsfähiger Spenden, die konsistente und signifikante Effekte für Einkünfte aus Selbstständigkeit, Gewerbe und Vermietung und Verpachtung finden. Insbesondere für diese Einkommen sind die Spenden höher als bei vergleichbaren Lohneinkommen, was auf Steuerbetrug hindeutet. Für das oberste Dezil ist dieser Effekt stärker. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass der Anteil der hinterzogenen Einkommen im Zeitverlauf abnimmt. So verhält es sich auch mit geschätzten Aufkommensverlusten des Fiskus, die in der höchsten unserer Schätzungen von rund 70,2 Mrd. Euro im Jahr 2001 auf 32,4 Mrd. Euro im Jahr 2014 zurückgehen. Gemessen an der geschätzten „wahren“ festzusetzenden Einkommensteuer entspricht dies einer Steuerlücke von 28,4% im Jahr 2001 und von 11,1% im Jahr 2014 (bzw. 39,6% und 12,5% an der festzusetzenden ESt). Angesichts einer Vielzahl von ökonometrischen Einschränkungen sind diese Schätzungen daher im Gegensatz zu jenen des zweiten Kapitels eher als obere Grenze anzusehen.