Einführung: Die posttraumatische Hyperfibrinolyse stellt ein bereits in der präklinischen Phase auftretendes Problem von Schwerverletzten dar. Tranexamsäure (TXA) ist ein antifibrinolytisch wirkendes Medikament mit einem günstigen Nebenwirkungsprofil. Leitlinien zur Behandlung Schwerverletzter empfehlen seit 2013 die frühestmögliche Gabe eines Antifibrinolytikums. Daten zur Umsetzung dieser Leitlinien im deutschen Rettungsdienst wurden bisher nicht erhoben. Methode: Von Juli bis September 2015 erfolgte eine E-Mail-basierte Umfrage unter den Ärztlichen Leitern Rettungsdienst (ÄLRD) in Deutschland zum Einsatz von TXA. Ergebnisse wurden mittels deskriptiver Statistik dargestellt; Korrelationen wurden mit dem Spearman Rangkorrelationskoeffizienten ermittelt. Ergebnisse: 336 ÄLRD nahmen an der Studie teil, 50 % (n=163) beantworteten den Fragebogen. Daten für insgesamt 1107 arztbesetzte Rettungsmittel konnten erhoben werden. In 52,8 % (n=86) der Rettungsdienstbereiche wurde TXA vorgehalten. Dabei erfolgte die Vorhaltung in 23,6 % (n=20) auch auf nicht-arztbesetzten Rettungsmitteln. Erfolgte keine Vorhaltung, so war in 28,6 % (n=22) der Bereiche die Einführung geplant, 44,2 % (n=34) der ÄLRD waren unentschlossen und 27,3 % (n=21) zogen die Einführung nicht in Erwägung. Die Vorhaltung stieg von 11 % im Jahr 2012 auf 52,6 % im Jahr 2015 an. Gründe für die Einführung waren mehrheitlich Studienergebnisse und Leitlinienempfehlungen. Sieben verschiedene Dosisempfehlungen wurden angegeben; als häufigste mit 81,8 % (n=54) 1 g intravenös (i.v.) als Bolus, gefolgt von 1 g i.v. über acht Stunden. Positiv korreliert war die Vorhaltung von TXA mit der Anbindung des Notarztstandortes an eine Universitätsklinik. Diskussion: Die Rücklaufquote von 50 % ist im Vergleich zu anderen E-Mail-Umfragen zufriedenstellend. TXA wird in mehr als der Hälfte der Rettungsdienstbereiche in Deutschland vorgehalten. Der Einsatz wird dabei mehrheitlich als sinnvoll angesehen. Aktuelle Studienergebnisse stellen die unkritische Gabe an alle Traumapatienten zunehmend in Frage. Nur in wenigen Rettungsdienstbereichen stehen Standard Operating Procedures (SOPs) zur Verfügung. Dosierungsempfehlungen richten sich mehrheitlich nach dem Studienprotokoll der „Clinical Randomisation of an Antifibrinolytic in Significant Haemorrhage-2“ (CRASH-2)-Studie. Limitationen ergeben sich durch nicht vollständige Erfassung aller Rettungsdienstbereiche und dem Studiendesign geschuldeter fehlender Überprüfbarkeit der Antworten. Zusammenfassung: In der Mehrzahl der Rettungsdienstbereiche in Deutschland steht TXA zur Verfügung. Die Verbreitung steigt in Zukunft vermutlich noch an. Eine Korrelation zwischen der Vorhaltung von TXA und Strukturdaten des Rettungsdienstes konnte mit Ausnahme der Anbindung des Notarztstandortes an eine Universitätsklinik nicht festgestellt werden. Die Leitlinienadhärenz scheint trotz hoher Akzeptanz des Medikaments verbesserbar zu sein. Unklarheiten bestehen über optimale Dosis und Auswahl der Patienten, die von der Verabreichung profitieren. Diese offenen Fragen sollten Anlass zu weiteren Forschungsaktivitäten geben.
Introduction: Post-traumatic hyperfibrinolysis is a serious problem of severely injured patients, occurring as early as in the prehospital phase. Tranexamic acid (TXA) is an antifibrinolytic agent with few side effects. Guidelines for the treatment of severly injured patients recommend the earliest possible application. So far, no data have been collected concerning the implementation of these guidelines in german prehospital treatment. Method: From July until September 2015 an email based survey was conducted. A questionnaire was sent out to lead physicians of german Emergency Medical Systems (EMS). Results were shown using descriptive statistics and correlations of parameters were calculated using Spearman`s rankcorrelation coefficient. Results: 50 % (n=163) of contacted physicians answered the survey. Data for 1107 physician-staffed EMS vehicles were collected. In 52,8 % (n=86) of EMS regions TXA was available, in 23,6 % (n=20) even on non-physician staffed vehicles. Where TXA was not available 28,6 % (n=22) regions planned the introduction, 44,2 % (n=34) were indecisive and 27,3 % (n=21) did not consider the usage. Availability had risen from 11 % in 2012 to 52,6 % in 2015. Seven different dosages were reported. The majority (81,8 % (n=54)) were using 1 g intravenously (i.v.) followed by 1 g i.v. given over eight hours. A positive correlation exists between the storage of TXA and the EMS being affiliated to an university medical center. Discussion: A response rate of 50 % questionnaires is a satisfactory result compared to other email based surveys. Given clear guideline recommendations, TXA is being stored for prehospital use in more than half of german EMS. Recent studies have put the uncritical use of TXA into question. Only a few EMS use SOPs for the usage of TXA. Dosing recommendations follow mostly the study protocol used in the “Clinical Randomisation of an Antifibrinolytic in Significant Haemorrhage-2” (CRASH-2)-study. Limitations of the study are possibly missing EMS regions and the lack of verifiability of answers. Conclusion: Study results show that the majority of german EMS use TXA. Usage is likely to increase in the future. A correlation between the availability of TXA and structural data of the EMS region could, with the exemption of the EMS being affiliated to a university clinical center, not be shown. Adherence to clinical guidelines could be improved, despite the high acceptance of TXA usage. Uncertainty exists about the right dosage and patient selection. Those unsolved questions should be the subject of further research.
