It may seem trivial to stress that our background knowledge is essential for literary interpretation, but what about practical wisdom, the inarticulable background knowledge? Can we articulate all the things that we know and are able to do in literary interpretation? Are we fully aware of all the assumptions behind our literary arguments? Instead of generally reflecting the status of hermeneutics at a macro-level, this essay argues that one way for hermeneutics to remain meaningful today is not to be tried as a theoretical whole, but as a source of sporadic inspiring arguments. To show that, at a micro-level, we can evaluate the strength of these arguments case by case without generalizing, we analyze from a cognitive perspective Gadamer’s argument that practical wisdom is crucial for literary interpretation. Using cognitive science to provide insights for literary study does not make the latter subservient to the former. Rather, cognitive poetics is a two-way street where each field complements the other by providing hypotheses and functioning as a testing ground. By demonstrating that we know more than we can tell in literary interpretation and that the three features Aristotle and Gadamer attribute to practical wisdom (contingent, inarticulable, and only learnable through experience) are at least tentatively empirically justified, this essay argues that hermeneutics has offered a noteworthy example for the two-way street of cognitive poetics.
Es ist trivial, dass unser Hintergrundwissen für die Literaturinterpretation wesentlich ist, aber was ist mit der praktischen Weisheit, dem unartikulierbaren Hintergrundwissen? Können wir alles artikulieren, was wir bei der Literaturinterpretation wissen und können? Können wir uns immer aller Annahmen, die hinter unseren literarischen Argumenten stehen, voll bewusst sein? Anstatt allgemein den Status von Hermeneutik auf einer Makroebene zu reflektieren, argumentiert dieser Aufsatz, dass eine Möglichkeit für Hermeneutik heute sinnvoll zu bleiben darin besteht, nicht als ein theoretisches Ganzes geprüft zu werden, sondern als eine Quelle von sporadisch inspirierenden Argumenten. Um zu zeigen, dass wir auf einer Mikroebene die Stärke dieser Argumente von Fall zu Fall bewerten können, ohne zu verallgemeinern, analysieren wir aus einer kognitiven Perspektive Gadamers Argument, dass praktische Weisheit für die literarische Interpretation entscheidend ist. Die Einbeziehung der Kognitionswissenschaft in die Literaturwissenschaft bedeutet nicht, dass letztere der ersteren untergeordnet wird. Vielmehr ist die kognitive Poetik eine Zweibahnstraße, in der jede die andere ergänzt, indem sie Hypothesen liefert und als Testfeld fungiert. Dieser Aufsatz argumentiert, dass die Hermeneutik ein bemerkenswertes Beispiel für die Zweibahnstraße der kognitiven Poetik geboten hat, indem er zeigt, dass wir in der Literaturinterpretation mehr wissen, als wir sagen können, und dass die drei Eigenschaften, die Aristoteles und Gadamer der praktischen Weisheit zuschreiben (kontingent, unartikulierbar und nur durch Erfahrung erlernbar), zumindest versuchsweise empirisch gerechtfertigt sind.