In der vorliegenden Dissertation wurden der Kontext und die Bedingungen für die Gestaltung eines Mathematikunterrichts im iranischen Bildungssystem, der sich an den Bildungszielen und den methodischen Prinzipien von Critical Mathematics Education orientiert, auf zwei Ebenen analysiert und eingeschätzt. Die rechtlichen und bildungspolitischen Dokumenten auf Makroebene und Mathematik-Lehrerhandbücher, TIMSS-Studien sowie Forschungsprojekten auf Mikroebene wurden untersucht und mithilfe von Inhaltsanalyse und deskriptive Statistik analysiert. Zum Schluss wurden zehn Mathematiklehrer*innen, die mit kritischen Methoden unter den gegenwärtigen Bedingungen des iranischen Bildungssystems unterrichten, interviewt. Mithilfe methodischer Komponenten von Grounded Theory wurde eine entsprechende Systematisierung entwickelt und daraus wurden die Gelegenheiten, Möglichkeiten, Herausforderungen und Begrenzungen für CME im iranischen Bildungssystem, Defizite der Mathematiklehrer*innen sowie Wirkung kritischer Methoden wurden analysiert und herausgearbeitet. Die Analyse zeigen, dass in den iranischen Dokumenten Bildungsziele formuliert sind, die Ziele in der Kritischen Pädagogik an mehreren Stellen hervorheben. Die in den Mathematik-Lehrerhandbüchern ausgewiesenen pädagogischen und didaktischen Grundlagen ähneln in vielen Fällen denjenigen, auf denen auch CME fußt. Die Fragebogendaten in TIMSS-Studien zeigen, dass einer Umsetzung von CME in iranischen Schulen nichts Grundlegendes im Wege zu stehen scheint. Die Forschungsresultate zeigen geradezu, dass der Einsatz aktivierender und schülerorientierter Methoden positive Effekte zeitigt und interessante Lernerfolge bedingt. Die Analysen der Interviews mit kritischen Lehrer*innen verdeutlichen die Möglichkeiten, aber auch die Begrenzungen für CME im iranischen Bildungssystem in verschiedenen Ebenen wie Bildungssystem, Schulstruktur, Fort- und Ausbildungen, Unterrichtsmethode sowie die Rolle der Lernenden und ihre Eltern. Die Zusammenschau der Ergebnisse verdeutlicht, wie inkohärent und wenig zusammenhängend sich das iranische Bildungssystem auf den verschiedenen Ebenen darstellt. Das Potenzial für pädagogische und didaktische Veränderung einerseits und ein traditionelles Verständnis von Unterricht andererseits scheinen nicht in einem produktiven Spannungsverhältnis zu stehen. Die meisten Lehrkräfte scheinen dieser Spannung weitgehend ausgesetzt zu sein, ohne dass systemimmanente Mechanismen wie Fort- und Weiterbildungen es erlauben, sich darin begründet zu positionieren.
In this dissertation, the context and conditions of structuring mathematics teaching in the Iranian education system, based on the educational goals and the methodological principles of Critical Mathematics Education, are scrutinized and assessed at two levels. Legal and educational policy documents at the macro-level and math teacher manuals, TIMSS studies, and research projects at the micro-level are examined and by applying Content Analysis and Descriptive Statistics analyzed. Finally, ten teachers, who teach mathematics with critical methods under the current conditions of the Iranian education system, are interviewed. With the help of methodical components of Grounded Theory, a corresponding systematization is developed and from this the opportunities, possibilities, challenges and limitations for CME in the Iranian education system, deficits of math teachers, as well as the effects of critical methods are studied and explored. This study shows that educational goals as formulated in the Iranian documents in many places emphasize goals in Critical Pedagogy. The pedagogical and didactic principles identified in the math teacher manuals are in many cases similar to those on which CME is based. The questionnaire data in TIMSS studies show that nothing fundamental seems to be against implementing CME in Iranian schools. The research results show that the use of activating and student-oriented methods has positive effects and leads to significant learning successes. The analysis of the interviews with critical teachers elucidates the possibilities but also the limitations for implementing CME in the Iranian education system at various levels such as the education system, school structure, teacher’s training, teaching methods, and the role of learners as well as their parents. These results make it clear how incoherent and disjointed the Iranian education system is on its various levels. The potential for pedagogical and didactic change on the one hand and a traditional understanding of teaching on the other hand do not appear to be in a productive tension. Most teachers seem to be largely exposed to this tension, without system-immanent mechanisms such as further training enabling them to position themselves in a well-founded manner.