In Deutschland entwickelt die Ständige Impfkommission die nationalen Impfempfehlungen. Zur Evaluierung und gegebenenfalls Anpassung dieser Empfehlungen sind Daten zur Inanspruchnahme von Impfungen und deren epidemiologischen Effekten in der Bevölkerung notwendig. Diese Daten zeigen an, ob Impfziele erreicht wurden und ermöglichen fokussierte Interventionen. Ziel dieser Promotionsarbeit war es, den Stand der Umsetzung von Impfempfehlungen ausgewählter Impfungen festzustellen, strukturelle Einflussfaktoren der Impfinanspruchnahme zu untersuchen und die Effektivität der Varizellenimpfung zu ermitteln. Datenbasis waren vertragsärztliche Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). In Kohortenanalysen wurden die individuellen Impf- und Vorsorgehistorien von Kindern und Jugendlichen rekonstruiert und die Anteile der Inanspruchnahme berechnet. Erwachsenenimpfquoten wurden als Anteile Geimpfter an der GKV-Gesamtpopulation berechnet. Assoziationen zwischen der Inanspruchnahme der J1-Jugendvorsorgeuntersuchung und einer HPV-Impfung wurden mittels der Poisson-Regression quantifiziert. Impfeffektivitäten wurden in proportional Hazards Modellen bestimmt. Mit 24 Monaten waren je nach Impfung bis zu 80% der Kinder empfehlungsgemäß grundimmunisiert, die zweite Masernimpfung nutzten nur 69%. In höherem Alter wurden Impfungen nachgeholt. Die HPV-Impfquoten stiegen im Altersquerschnitt 12-16-jähriger Mädchen von 1,2% auf 36,2%, die J1-Inanspruchnahme betrug maximal 50%. Mit J1-Teilnahme bestand eine bis zu 7-fach höhere Wahrscheinlichkeit, eine HPV-Impfserie zu beginnen. Jährlich erfolgten 7% der Masernimpfungen Erwachsener als fachübergreifende Leistungen in pädiatrischen Praxen. Die 10-Jahres-Pertussisimpfquote Erwachsener betrug 32,4%. Bei einem Viertel verimpfter Kombinationsimpfstoffe fehlte die empfohlene Pertussiskomponente. Die Impfeffektivität für eine und zwei Varizellenimpfungen betrug 81,9% und 92,8% und war nicht mit Erstimpfalter oder deren Impfabstand assoziiert. Der Impfschutz nahm im ausgewerteten 8-Jahreszeitraum nicht ab. Ungeimpfte Kinder hatten ein 2-fach höheres Risiko für eine Varizellenerkrankung in Regionen niedriger Varizellenimpfquote. Die Inanspruchnahme von Impfungen erfolgt ungenügend und oftmals nicht zeitgerecht. Dadurch werden Impfziele verfehlt und Bestrebungen der Krankheitskontrolle gefährdet. Legislative Maßnahmen wie ein flächendeckendes Einladungs- und Rückmeldeverfahren für Jugendvorsorgeuntersuchungen könnten ein niedrigschwelliges HPV-Impfangebot unterstützen und die Impfinanspruchnahme in einem jungen Alter fördern. Fachübergreifendes Impfen zeigte in der Masernimpfprävention Erwachsener bisher nur geringe Erfolge. Der Einsatz der empfohlenen höhervalenten Kombinationsimpfstoffe könnte die niedrigen Pertussisimpfquoten bei Erwachsenen verbessern und muss in der impfenden Ärzteschaft stärker kommuniziert werden. Die Analysen zur Varizellenimpfeffektivität belegen den Nutzen der zweiten Impfdosis und bestätigen das gegenwärtig empfohlene Impfschema einer zweiten Impfung früh nach erster Dosis. Durch Herdeneffekte profitieren auch Ungeimpfte von der Varizellenimpfung. Im Rahmen der Promotionsarbeit konnten Methoden entwickelt und Daten bereitgestellt werden für die Evaluation einer Vielzahl von Impfempfehlungen, für die nationale und internationale Gesundheitsberichterstattung und für die Akteure der Impfprävention. Mit dem Masernschutzgesetz wurde das System Anfang 2020 verstetigt und als bundesweites Impfmonitoringinstrument gesetzlich verankert.
In Germany, the Standing Committee on Vaccination develops national vaccination recommendations. To evaluate and adapt these recommendations, data on vaccination coverage (VC) and the epidemiological effects are necessary. The aim of this doctoral thesis was to examine the implementation status of selected vaccination recommendations, to investigate structural factors influencing VC and to determine varicella vaccine effectiveness (Var-VE). Using claims data of statutory health insurance (SHI) accredited physicians, VC and health check uptake among children and adolescents was calculated in cohort analyses and for adults in the total SHI population. Associations between uptake of the J1 check-up for adolescents and HPV vaccination were quantified using Poisson regression. Var-VE was determined in proportional hazards models. At 24 months, VC was up to 80% and increased at later age. Second dose measles VC was only 69%. HPV-VC increased from 1.2% to 36.2% in cross-sections of 12-16-year-old girls, J1 uptake was a maximum of 50%. With J1 participation, the probability of starting HPV vaccination was up to 7-fold higher. Annually, 7% of adult measles vaccinations are administered by paediatricians. The 10-year pertussis VC among adults was 32.4%. One quarter of administered combination vaccines lacked the recommended pertussis component. Var-VE was 81.9% (one dose) and 92.8% (two doses) and not associated with age at first vaccination or interval between doses. Vaccine-induced protection did not decline over 8 years. Unvaccinated children had a 2-fold higher risk of varicella disease in regions of low varicella VC. In Germany, vaccine uptake is insufficient and often not timely. With this, vaccination targets are not met and disease control efforts jeopardized. Legislative measures such as a nationwide invitation and reporting process for adolescent check-ups could provide easy access to HPV vaccination offers and promote early vaccine uptake. Multidisciplinary services had limited success in adult measles vaccination. The use of recommended higher-valent combination vaccines could improve low pertussis VC in adults and must be communicated more strongly to the vaccinating professionals. The Var-VE analyses demonstrate the benefit of two doses and confirm the currently recommended vaccination schedule of a second dose early after dose one. Due to herd effects, unvaccinated persons benefit from varicella vaccination. Within the framework of the doctoral thesis, methods were developed and data provided for the evaluation of a large number of vaccination recommendations, for national and international health reporting and for various stakeholders. Recently, the system transitioned to a nationwide immunization monitoring tool anchored in law.