Durch die bahnbrechende Entdeckung der bakteriologischen Ursache der gegen Ende des 19. Jahrhunderts mortalitätsführenden Tuberkulose keimte unter vielen renommierten Wissenschaftlern die Hoffnung auf, in der klinisch ähnlich erscheinenden Krebserkrankung ebenfalls einen behandelbaren Erreger isolieren zu können. Mit dem Ziel einer profunden Erforschung dieser die Öffentlichkeit zunehmend interessierenden Thematik wurden in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschiedene Einrichtungen gegründet. Darunter befand sich das Krebsinstitut an der Charité, welches 1903 eröffnet wurde und dessen Entwicklung in dieser Arbeit skizziert werden soll. Bis zu seiner Schließung im Jahr 1945 war es nicht nur Zeuge historischer, politischer Umwälzungen in Deutschland, sondern auch Wirkungsstätte von Wissenschaftlern, die sich der translationalen Erforschung des Krebses verschrieben hatten. Mit Prof. Dr. Ferdinand Blumenthal als von 1915-1933 leitendem Direktor erlebte das Institut eine wissenschaftliche Blütezeit mit internationalem Renommee, welche durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums im Jahr 1933 und die konsekutive Entlassung der jüdischen Mitarbeiter jäh unterbrochen wurde. Die vorliegende Arbeit analysiert erstmals anhand neuen Archivmaterials sowie seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen das Wirken des jüdischen Arztes Erich Simons am Berliner Krebsinstitut. Simons war als überzeugter Verfechter eines von ihm entwickelten und dem Anspruch nach universell gegen jeglichen Subtyp von Krebs wirksamen Krebspräventivums an das Institut gekommen. Die nicht überzeugende, dünne experimentelle Datenlage sowie der kritikunfähige Charakter und das irrationale Konfliktverhalten Simons’ sorgten für unüberbrückbare Differenzen mit dem damaligen Direktor des Instituts, an dessen Ende die Kündigung Simons die logische Konsequenz war. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten floh Simons über Luxemburg nach Frankreich, wo er sich einige Jahre unter schwierigen Bedingungen weiterhin der Krebsforschung widmete. Im August 1942 wurde Simons in Frankreich interniert, im November 1942 nach Auschwitz deportiert, wo er schließlich ermordet wurde; das Todesdatum ist nicht bekannt. Wenngleich sein menschliches Schicksal grausam und schrecklich war, so sollen hier sein akademisches Wirken und die Tragfähigkeit seiner Arbeitsergebnisse doch streng davon getrennt bewertet werden: Denn obschon die inhaltlichen Ausführungen und die unzureichenden Datenerhebungen seiner Arbeiten als überholt gelten müssen, so ist die Idee einer medikamentösen Chemoprävention auch weiterhin in heutigen wissenschaftlichen Untersuchungen präsent. Auch insofern unterstreicht Simons trotz seiner charakterlichen Eigenart die Qualität des Krebsinstituts an der Charité, das unter Blumenthal eine unabhängige und freie Forschung propagierte.
At the end of the 19th century, with the ground-breaking discovery of a bacterial cause of tuberculosis – the highest cause of mortality at the time – hope arose among many renowned scientists to isolate a treatable pathogen in the clinically similar cancer diseases. Therefore, at the beginning of the 20th century, different institutions were founded in Germany with the aim of in-depth research into the pathology of cancer. Among them was the Cancer Institute at the Charité, which opened in 1903. Until its closure in 1945, the Institute was not only a witness to historical and political upheavals in Germany, but also the academic home of various scientists who had dedicated their lives to translational research in cancer. With Prof. Dr. Ferdinand Blumenthal as director, the Institute celebrated international reputation, which was abruptly interrupted by the law for the restoration of the professional civil service in 1933. For the first time, this work analyzes the scientific work of the Jewish doctor Erich Simons at the Berlin Cancer Institute, using new archive material and its scientific publications. Simons had come to the institute as a staunch advocate of a universally effective cancer preventive – developed by himself – which he claimed was potent against any subtype of cancer. The unconvincing and thin experimental data, as well as Simons’ character – incapable of criticism and irrational conflict behavior – insured irreconcilable, interpersonal differences with the then director of the institute. Consequently, at the end of his tenure, Simons’ resignation was the logical consequence. When the National Socialists came to power, Simons fled via Luxembourg to France where he devoted himself to cancer research for a few years and once again underlined his convictions. Simon was detained in France 1942. He was deported to Auschwitz and murdered in November 1942; the exact date of death is unknown. Even though his human fate was cruel and terrible, it must still be assessed strictly separately from his scientific work. Although the substantive statements and the inadequate data from this scientist are considered outdated, the idea of drug-based chemoprevention is also present in current scientific studies. Henceforth, despite his peculiar character, Simons even so underlines the quality of the Cancer Institute at the Charité, which promoted independent and free research under Blumenthal.