Einleitung: Hypoxie, definiert als ein Mangel an Sauerstoff (O2), ist bei zahlreichen Pathologien von entscheidender Bedeutung. Die Hämoglobin-O2-Affinität, repräsentiert durch den p50 (O2-Partialdruck bei 50 % O2-Sättigung), ist ein für die Gewebeoxygenierung hochgradig relevanter Faktor, der im klinischen Alltag nur selten berücksichtigt wird. Methoden: 60 junge gesunde Frauen und Männer (jeweils zur Hälfte trainiert, zur anderen Hälfte untrainiert) wurden einem Leistungstest zur Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahmekapazität (VO2max) nach erweitertem Bruce-Protokoll unterzogen. Venöses und kapilläres Blut wurde mittels Blutgasanalyse (BGA) vor und nach dem Test untersucht. Venöse Blutproben wurden weiterhin mittels Tonometrie zur Erstellung von O2-Bindungskurven verwendet. Des Weiteren wurden die 2,3-Bisphosphoglycerat- sowie die Bisphosphoglyceratmutase-Quantität im Blut bestimmt und eine bioelektrische Impendanzmessung zur Bestimmung der Körperzusammensetzung durchgeführt. Ergebnisse: Sowohl die VO2max als auch die Körperzusammensetzung der Versuchspersonen lagen im erwarteten Bereich und bestätigten die adäquate Zuordnung der Versuchspersonen in die Gruppen. Es konnte keine trainingsabhängige Veränderung der Hämoglobin-O2-Affinität festgestellt werden. Demgegenüber wurden deutliche geschlechtsabhängige Unterschiede der O2-Abgabefähigkeit per se festgestellt. Der tonometrisch bestimmte p50 der Probandinnen lag in Ruhe mit durchschnittlich 25,09 ± 0,97 mmHg signifikant höher als bei den Männern mit 23,7 ± 0,9 mmHg. Hiermit korrelierend war bei den Probandinnen auch die 2,3-Bisphosphoglycerat-Konzentration pro Hämoglobin sowie die Bisphosphoglyceratmutase-Konzentration erhöht. Nach absolviertem Ausbelastungstest erhöhte sich der p50 bei den Männern stärker als bei den Frauen, sodass der p50 nach Belastung bei 30,13 ± 2,04 mmHg ohne Unterschiede zwischen den Gruppen lag. Unabhängig davon zeigte sich eine unerwartet hohe Diversität der individuellen Hämoglobin-O2-Affinität. Der in der BGA kalkulierte p50 Wert aus venösen Proben korrelierte im Gegensatz zu den kapillären Proben gut mit den tonometrisch erhobenen p50 Werten. Diskussion: Entgegen der aktuellen Sichtweise konnten wir keinen Trainingseinfluss auf die Hämoglobin-O2-Affinität nachweisen, jedoch zeigte sich ein deutlicher Geschlechterunterschied. Die bessere Abgabefähigkeit von Sauerstoff an das Gewebe bei Frauen wird bei Männern vermutlich durch eine kompensatorisch erhöhte Hämoglobinkonzentration ausgeglichen. Die in dieser Studie gezeigten großen Unterschiede der O2-Abgabefähigkeit innerhalb einer gesunden Kohorte (∆p50in Ruhe ~7 mmHg) lassen vermuten, dass es auch bei hospitalisierten Patientinnen und Patienten ein weites Spektrum gibt, welches therapeutisch unbedingt beachtet werden sollte. Weitere Studien sind dringend nötig, um die individuelle Hämoglobin-O2-Affinität im Kontext verschiedener Pathologien mit resultierender Gewebehypoxie einschätzen zu können. Der Einsatz von neuartigen Substanzen zur Modulation der Hämoglobin-O2-Affinität könnte erheblich zur personalisierten Therapie beitragen. Für die klinisch relevante Abschätzung der Hämoglobin-O2-Affinität aus einer einzelnen Blutprobe mittels BGA, sind venöse, jedoch nicht kapilläre Proben geeignet.
Introduction: Hypoxia, a condition of inadequate oxygen supply, plays a central role in numerous pathologies. The oxygen affinity to hemoglobin, as indicated by the p50 value, finally determines the grade of tissue oxygenation and is currently often neglected in clinical practice. Methods: We collected data concerning oxygen release in 60 young and healthy volunteers (both sexes, either endurance trained or untrained) before and after a VO2max test, which has been performed according to an extended Bruce protocol. Blood gas analysis (BGA) of venous and capillary probes were obtained before and after the test. Venous blood samples served for determination of oxygen dissociation curves (ODC) using tonometry. Furthermore, 2,3-bisphoglycerate and bisphospholycerate mutase (BPGM) levels were measured. Bioelectrical impedance analysis was carried out to determine body composition. Results: VO2max (maximal oxygen consumption per minute per kilogram body weight) and body composition were as expected, confirming adequate allocation of the volunteers into groups. No training-dependent changes in hemoglobin-O2-affinity could be detected. In contrast, significant sex-dependent differences in hemoglobin-O2-affinity at rest were found. Female p50 (25,09 ± 0,97 mmHg) indicated lower hemoglobin-O2-affinity compared to men (p50: 23,7 ± 0,9 mmHg). In line, the 2,3-bisphosphoglycerate concentration per hemoglobin and the BPGM protein level were also elevated in women compared to men. However, after VO2max test increased p50 values of women and men reached similar end points. While calculated p50c values of venous BGAs show comparable results with p50 values obtained by ODC, the estimated p50e of the capillary samples does not correlate with the tonometric results. The hemoglobin-O2-affinity showed an unexpected diversity among individuals. Discussion: In contrast to current perception, we found no difference of hemoglobin-O2-affinity as a result of regular endurance exercise. Notably, we observed a significant sex dependent difference, indicating women having lower hemoglobin-O2-affinity compared to men and thus, more easily release oxygen to the tissue. Men seem to compensate higher hemoglobin-O2-affinity by elevated hemoglobin levels to ensure sufficient tissue oxygen availability. The broad diversity in hemoglobin-O2-affinity within a healthy cohort (at rest ~7 mmHg) suggest that there is also a wide range in hospitalized patients. Individual differences of tissue oxygen availability need to be considered for individualized therapy. Future studies need to assess the effects of substances already used to modulate the p50. For clinical praxis, we can recommend calculated p50 values from venous, but not capillary blood samples.