HINTERGRUND: Aggressives Verhalten ist ein täglicher Bestandteil im Alltag eines Gefängnisses. Untersuchungen deutscher Gefangener zeigen zudem eine erhöhte Prävalenz psychiatrischer Störungen. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Daten, ob ein Zusammenhang zwischen der erhöhten Prävalenz psychiatrischer Erkrankungen und der Häufigkeit aggressiven Verhaltens in einem Justizvollzugskrankenhaus bestehen, liegen ebenso wenig vor wie Informationen über auslösende Faktoren, zeitliche Verteilungsmuster und Häufigkeiten. Das Ziel dieser publikationsbezogenen Dissertation war, anhand von zwei empirischen Studien, aggressives Verhalten in einem deutschen Justizvollzugskrankenhaus zu untersuchen. METHODEN: Basis der retrospektiven Studien waren Routinedaten der Krankenhausentlassungsstatistik. In der ersten Studie wurde eine Patientengruppe (N=220), die mit aggressivem Verhalten aufgefallen war, mit einer randomisiert ausgewählten Gruppe verglichen (N=220), die sich während der Behandlung nie aggressiv verhalten hatte. Neben der univariaten Analyse wurden mittels logistischer Regression die unabhängigen prädiktiven Faktoren für aggressives Verhalten ermittelt. In der zweiten Studie wurden 474 Patienten, bei denen eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis oder eine bipolare Störung festgestellt wurde, mit dem Vorhersageinstrument OxMIV (Oxford Mental Illness and Violence Tool) untersucht. Es wurden die Ergebnisse der Gruppe von Patienten, die sich aggressiv verhalten hatten (N=191) mit einer unauffälligen Patientengruppe (N=283) verglichen. Zudem wurden eine logistische Regression sowie eine interne Validierung durchgeführt und relevante Risiko- und Schutzfaktoren für aggressives Verhalten determiniert. ERGEBNISSE: Durch beide Studien konnten signifikante Risikofaktoren für aggressives Verhalten bestimmt werden. Dazu zählten die Diagnose einer schizophrenen Störung, die nicht-deutsche 2. Abstract 4 Staatsangehörigkeit, kein vorheriger Haftaufenthalt, ein vorheriges Gewaltdelikt, eine Alkohol- Drogenabhängigkeit und das Vorliegen eines Gewaltdeliktes durch die Eltern. Ferner zeigten sich signifikante Schutzfaktoren wie die Anzahl der Kinder, die Verwendung eines Dolmetschers und eine antidepressive Medikation. In der zweiten Studie war der OxMIV-Wert in der Gruppe der aggressiven Patienten signifikant höher als in der Gruppe der nicht-aggressiven Patienten. Hinsichtlich der Erkennung aggressiven Verhaltens, während des stationären Aufenthalts, betrug die Sensitivität des OxMIV 44%, die Spezifität 89%, der positive Vorhersagewert 72% und der negative Vorhersagewert 70%. SCHLUSSFOLGERUNG: Beide Studien liefern relevante Ergebnisse bezogen auf das Auftreten von aggressivem Verhalten in einem deutschen Justizvollzugskrankhaus. So konnten signifikante Risiko- und Schutzfaktoren bestimmt, sowie ein zeitlicher Überblick über aggressives Verhalten gegeben werden. Zudem wurde erstmalig in Deutschland das Vorhersageinstrument OxMIV getestet und intern validiert. Es konnte gezeigt werden, dass das Messinstrument OxMIV für die Vorhersage von aggressivem Verhalten von psychisch erkrankten Patienten in der Gefängnispsychiatrie eingesetzt werden könnte. Zusammenfassend liefert diese publikationsbezogene Dissertation, sowohl für die Therapie der Patienten als auch für die Sicherheit des Personals in einem Justizvollzugskrankenhaus, einen wichtigen Beitrag.
BACKGROUND: Aggressive behavior is a common challenge in a prison setting. Studies of German prisoners demonstrated an increased prevalence of psychiatric disorders. Conclusive scientific evidence regarding the connection between the increased prevalence of psychiatric disorders and the frequency of aggressive behavior in secure prison hospitals is rare. The aim of this dissertation was to investigate aggressive behavior in a psychiatric ward of a German prison hospital on the basis of two empirical studies. METHODS: The retrospective studies on the frequency of aggressive behavior were based on routine hospital data. In the first study, a group of patients (N=220) who showed aggressive behavior was compared with a randomized control group (N=220), who never demonstrated aggressive behavior. In addition to univariate analysis, independent predictive factors for aggressive behavior were determined by logistic regression. In the second study, 474 files of patients with a schizophrenia- spectrum disorder or a bipolar disorder were screened using the Oxford Mental Illness and Violence Tool (OxMIV). The results of the group of aggressive patients (N=191) were compared with the group of non-aggressive patients (N=283). In addition, logistic regression and internal validation were performed and relevant risk and protective factors for aggressive behavior were determined. RESULTS: Both studies identified statistically significant risk factors for aggressive behavior such as schizophrenia, non-German nationality, no previous sentences, previous violent crime, alcohol and drug abuse and parental violent crime. Furthermore, significant protective factors such as the number of children, the use of an interpreter and an antidepressive medication were found. In the second study, the generated OxMIV risk level was significantly higher in the group of aggressive patients than in the group of non-aggressive patients. For the risk of aggressive behavior 6 during the stay, the sensitivity of OxMIV was 44%, the specificity was 89%, the positive predictive value was 72% and negative predictive value was 70%. CONCLUSION: Both studies provide important results regarding aggressive behavior in a German prison hospital. Significant risk and protective factors were identified and, in addition, information on the prevalence of aggressive behavior was presented. Furthermore, for the first time in Germany, the predictive tool OxMIV was tested and internally validated. It could be shown that the OxMIV succeeded in predicting aggressive behavior and is therefore applicable to predict aggressive behavior in patients in a prison hospital. In summary, this dissertation contributes potentially important implications regarding the therapy of patients and the safety of staff in a prison hospital.