Der Alltag in der häuslichen Versorgung Pflegebedürftiger kann durch unterschiedliche Krisen, Notfälle und Katastrophen gestört und gefährdet werden. Dazu zählen neben Pandemien und regionalen Unwetterereignissen auch technische Störungen, wie z. B. großflächige und langanhaltende Stromausfälle. Dieses letztgenannte Katastrophenszenario steht im Mittelpunkt des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der zivilen Sicherheitsforschung (SiFo) von 2020 – 2023 geförderten Forschungsverbundprojekts „Aufrechterhaltung der ambulanten Pflegeinfrastrukturen in Krisensituationen“ (AUPIK).
Zur Erfassung der Ist-Situation auf Seiten ambulanter Pflegedienste wurde im Rahmen des Teilprojekts 3 „Sicherheit und Pflege“ des AUPIK-Gesamtvorhabens eine begrenzte, szenariobasierte und aus zwei Teilen bestehende explorative empirische Erhebung umgesetzt. Durchgeführt wurden (1) eine standardisierte Online-Befragung von direkt in der Versorgung tätigen Mitarbeiter*innen ambulanter Dienste (n=101) sowie (2) leitfadengestützte Interviews mit Leitungspersonen solcher Dienste (n=8). Ausgehend von dem Stromausfallsszenario wurde dabei u. a. nach Erfahrungen mit Krisen, Notfällen und Katastrophen in der häuslichen Versorgung, nach den zu deren Vorsorge, Management und Bewältigung ergriffenen Maßnahmen sowie nach benötigter Unterstützung gefragt. Die Erhebung wurde von November bis Dezember 2020 umgesetzt. Die Daten aus der Online-Befragung wurden deskriptiv-statistisch, die aus den Interviews strukturierend inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Ergebnisse beider Befragungen wurden schließlich zusammengeführt, verdichtet und in diesem Working Paper aufbereitet.
Die Befragten beider Erhebungen fühlen sich überwiegend unzureichend auf das ihnen vorgestellte Katastrophenszenario oder vergleichbare Krisen, Notfälle und Katastrophen vorbereitet. Meist dient selbst Erlebtes als Hintergrundfolie für die Wahrnehmung von Alltagsstörungen in der häuslichen Versorgung und von daraus resultierenden Risiken für die Patient*innen, deren Umfeld und die Mitarbeiter*innen der Pflegedienste. Durchaus vorhandene Notfallpläne sind inhaltlich und perspektivisch meist verengt, z. B. wird die Evakuierung aus Privathaushalten oder die Weiterversorgung in Notunterkünften selten mitgedacht. Überwiegend wird darauf vertraut, im Fall des Falles Unterstützung von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben zu erhalten (z. B. Rettungsdienst, Katastrophenschutz). Wenig Beistand wird hinge gen von anderen Pflegediensten, Versorgungsanbieter*innen (z. B. Arztpraxen) oder informellen Netzwerken in der Kommune erwartet. Inhaltlich bleiben die Erwartungen an Unterstützung zur besseren Vorbereitung auf Krisen, Notfälle und Katastrophen vage. Konkrete Erfahrungen – etwa mit der COVID-19-Pandemie – werden noch kaum dafür genutzt, um sich auch auf andere mögliche Krisen-, Notfall- und Katastrophenszenarien gezielter vorzubereiten.
Die Ergebnisse der hier vorgestellten Erhebung zur Erfassung der Ist-Situation bestätigen die Einschätzung, dass die Vorsorge, das Management und die Bewältigung von Krisen, Notfällen und Katastrophen auf Seiten ambulanter Pflegedienste nachhaltig verbessert werden müssen. Zugleich zeigen sie auf, wo auf Seiten der Mitarbeiter*innen und Leitungspersonen (individuell-qualifikatorisch) sowie auf Seiten der Dienste (institutionell-organisatorisch) gezielte Anpassungsleistungen gefordert sind. In Verbindung mit den zuvor kompilierten und synthetisierten Erkenntnissen aus der Literatur zum Disaster Nursing (Katastrophenpflege) wurde mit dieser Erhebung eine tragfähige Grundlage für die weitere Forschung in AUPIK geschaffen. Basierend darauf können Soll-Anforderungen formuliert und die geplante partizipative Entwicklung, Erprobung und Evaluierung von Maßnahmen zur Förderung der Resilienz häuslicher Versorgungsarrangements gegenüber Krisen, Notfällen und Katastrophen weiter vorangebracht werden.