Einleitung: Die Hypospadie ist mit einer Prävalenz von 0,3 % – 0,8 % eine der häufigsten angeborenen genitalen Fehlbildungen bei männlichen Neugeborenen, die gekennzeichnet ist durch eine ventrale Fehlmündung der Urethra meist in Verbindung mit einer dorsalen Vorhautschürze und einer Ventralkrümmung des Penisschaftes. Es wird vermutet, dass zumindest für einen Teil der Fehlbildungen eine Veränderung des Hormonhaushaltes während der fetalen Entwicklung ursächlich ist. Trotz multipler Studien zur Ursache einer Hypospadie mangelt es an vergleichenden Untersuchungen bezüglich der auftretenden Ausprägungsformen. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung war ein Vergleich anatomischer und endokrinologischer Daten zwischen den Schweregraden der Hypospadie, um Hinweise auf eine unterschiedliche Genese der Formen zu finden. Auch sollten notwendige diagnostische Maßnahmen für die Formen der Hypospadie eruiert werden. Methoden: Hierfür wurden 53 Jungen mit einer Hypospadie pro- bzw. retrospektiv klinisch untersucht und bei 19 Patienten eine Testosteronkonzentration im Zeitraum von Geburt bis zum Ende der Minipubertät und für 27 bzw. 25 Patienten die AMH-Konzentration bzw. Inhibin B-Konzentration präpubertär bestimmt. Ergebnisse: Für die Auswertung erfolgte ein Vergleich der erhobenen Daten zwischen den Schweregraden der Hypospadie (anterior, penil, posterior). 52,8 % der Patienten wurden in die Kategorie der anterioren, 9,4 % in die Gruppe der penilen und 37,7 % in die Gruppe der posterioren Hypospadien eingeteilt. Innerhalb der posterioren Hypospadien zeigte sich bei 92,3 % eine Ventralkrümmung des Penis und bei 50 % ein Mikropenis (Durchschnitt – 2,5 SD). Das Hodenvolumen war mit im Median 1,75 ml und die anoscrotale Distanz mit im Median 30 mm geringer bei Patienten mit einer posterioren Hypospadie als bei Patienten mit einer anterioren Hypospadieform. Zusätzlich konnten deutlich mehr begleitende Fehlbildungen bzw. Erkrankungen, inklusive einem Hodenhochstand, bei Patienten mit einer posterioren Hypospadie festgestellt werden. Bei Untersuchung von Testosteron, AMH und Inhibin B wurden erniedrigte Werte, welche auf einen Testosteronmangel bzw. eine Hodenfunktionsstörung hinweisen können, ausschließlich bei Patienten mit einer posterioren Hypospadie festgestellt. Diese Patienten wiesen mindestens eine weitere Fehlbildung und zum großen Teil einen Hodenhochstand auf. Fazit: Daraus ist zu schlussfolgern, dass weiterführende endokrinologische und genetische Untersuchungen zumindest bei Patienten mit einer posterioren Hypospadie, jedoch auch bei anderen Ausprägungsformen mit Zeichen einer Hodenfunktionsstörung (geringe Penislänge, geringes Hodenvolumen, Hodenhochstand, verringerte anoscrotale Distanz) dringend durchzuführen sind. Auch sollte bei generell hohem Vorkommen bei allen Hypospadieformen Augenmerk auf weitere Fehlbildungen bzw. Erkrankungen gelegt werden.
Introduction: With a prevalence of 0,3 % - 0,8 % of male newborns, hypospadias is one of the most common congenital genital anomalies. It is characterized by an abnormal opening of the urethra on the ventral side of the penis and is often associated with a hooded dorsal prepuce and penile curvature. Although pathogenesis remains unclear for most cases, disruption of androgen metabolism and/or stimulation is a proposed mechanism resulting in hypospadias. This study aimed to compare genital anatomy, including the severity of hypospadias, and endocrinological data to gain insight into the pathogenesis of different degrees of hypospadias. Furthermore, the study evaluated necessary examinations depending on the severity of hypospadias. Method: The data of 53 boys with hypospadias was either prospectively gathered via systematic examination, or their files were retrospectively analyzed. Testosterone was measured in 19 patients from birth to minipuberty. Anti-Müllerian hormone and inhibin B were measured in 27 patients and 25 patients respectively before start of puberty. Results: The different values were analyzed for severity of hypospadias (anterior, penile, posterior), with 52.8 % being categorized as anterior, 9.4 % as penile and 37.7 % as posterior hypospadias. Penile curvature was detected in 92.3 % and micropenis (mean penile length – 2.5 SD) in 50.0 % within posterior cases. Testicular volume (median 1.75 ml for posterior cases) and anoscrotal distance (median 30 mm for posterior cases) were smaller in patients with posterior hypospadias than anterior hypospadias. Associated anomalies, including undescended testes, were observed more often in posterior cases. Lower testosterone, anti-Müllerian hormone and inhibin B values were found exclusively in patients with posterior hypospadias and with associated anomalies, almost all including undescended testes. Conclusion: As those findings point to possible impairment of testicular hormone production, further endocrinological and genetical assessment is necessary for all patients with posterior hypospadias. Moreover, those assessments are recommended for all patients with hypospadias showing signs of testicular dysfunction (small penis length, small testicular volume, small anoscrotal distance, undescended testes). Within the clinical examination physicians should pay close attention to associated anomalies as they were found regularly in this study.