Hintergrund: Pädiatrische niedriggradige Gliome [US-engl. pediatric low-grade glioma: PLGG] sind die häufigsten soliden Tumore im Kindes- und Jugendalter. Ein relevanter Anteil der Erkrankten leidet an einer chronisch-progressiven PLGG-Form mit der Notwendigkeit wiederholter therapeutischer Interventionen. Das Mehrstadienmodell [MSM] ermöglicht eine erweiterte Überlebenszeitanalyse über ein erstes Ereignis hinaus. Der Einfluss von Kofaktoren sowie konkurrierender Ereignisse auf den nachfolgenden Krankheitsverlauf werden im MSM über die gesamte Beobachtungszeit berücksichtigt. Die Arbeit von Goebel et al. 2019 ist die erste Mehrstadienanalyse im Bereich der pädiatrischen Onkologie. Methoden: Die Analyse umfasste die Daten der in Deutschland diagnostizierten und in der SIOP LGG 2004-Studie eingeschlossenen PLGG-Patienten. Das MSM beinhaltete ein initiales Stadium "Diagnose", transiente Zwischenstadien "therapeutische Intervention" in Form von ggf. aufeinanderfolgenden chirurgischen und/oder adjuvanten Therapien (Chemo- oder Radiotherapie) sowie ein absorbierendes Stadium "Tod" durch jede Ursache. Evaluiert wurde der Verlauf der Stadienwahrscheinlichkeiten für die gesamte Kohorte sowie für größere Untergruppen. Auf Grundlage des Stadienverlaufs der ersten zwei Jahre nach Diagnose wurde ein prognostisches Modell für den Krankheitsverlauf der nachfolgenden Jahre entwickelt. Ergebnisse: Die Kohorte umfasste 1587 Patienten mit einem PLGG (medianer Beobachtungszeitraum 6,3 Jahre ab Diagnose). Es wurden insgesamt 22 Stadien identifiziert. Für eine robuste Mehrstadienanalyse wurde das Modell auf 7 Stadien reduziert und 3 Progressionsstufen festgelegt: nicht-, niedriggradig und hochgradig progressive PLGG Erkrankung. Fünf Jahre nach Diagnose fand sich für die gesamte Kohorte die höchste Wahrscheinlichkeit (0,60) für eine nicht-progressive Erkrankung: keine Intervention (0,11) bzw. eine alleinige chirurgische Intervention (0,49). Die 5-Jahres-Wahrscheinlichkeit für eine niedriggradig progressive PLGG-Erkrankung war 0,30 und für eine hochgradig progressive PLGG-Erkrankung 0,08. Die Wahrscheinlichkeit bis zu diesem Zeitpunkt zu versterben war mit 0,02 gering. Die Risikoanalyse ergab eine erhöhte 5-Jahres-Wahrscheinlichkeit für eine hochgradig progressive Erkrankung für die Altersgruppe < 1 Jahr bei Diagnose (0,30), für eine Tumorlokalisation in der supratentoriellen Mittellinie (0,17) und für die histologische Gruppe der diffusen Astrozytome Grad II (0,12). Erkrankte mit Neurofibromatose Typ-1 hatten eine hohe Wahrscheinlichkeit für keine Intervention (0,36) oder eine adjuvante Therapie (0,45) innerhalb der ersten 5 Jahre. Das prognostische Modell ergab eine zunehmende 5-Jahres Wahrscheinlichkeit für einen hochgradig progressiven Krankheitsverlauf oder für Versterben, je mehr Interventionen in den ersten zwei Jahren notwendig gewesen waren. Fazit: Mit Hilfe des MSM gelang erstmals eine verfeinerte Darstellung des Krankheitsverlaufes einer großen PLGG-Kohorte sowie größerer Untergruppen. Die Mehrstadienanalyse identifizierte Risikogruppen für einen hochgradig progressiven Verlauf bzw. mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu versterben. Das Wachstumsverhalten in den ersten zwei Jahren nach Diagnose bestimmte den weiteren Krankheitsverlauf.
Background: Pediatric low-grade glioma [PLGG] are the most frequent solid tumors in the pediatric age group. A relevant proportion of patients suffer from chronic progressive disease requiring multiple interventions. The multi-state model [MSM] allows an extended survival analysis beyond a first event. Influence of cofactors and competing events on the subsequent course of disease is considered in the MSM over the entire observation period. The study by Goebel et al. 2019 is the first multi-state analysis in the field of pediatric oncology. Methods: Data of PLGG-patients diagnosed in Germany and included in the SIOP-LGG 2004 study were analyzed. The MSM incorporated an initial state "diagnosis", transient intermediate states "therapeutic intervention", i.e. subsequent surgeries and/or adjuvant interventions (chemo- or radiotherapies), and one absorbing state "death by any cause". The course of state-probabilities was evaluated for the entire cohort as well as for larger subgroups. A prognostic model for the course of the disease in the subsequent years was developed based on the state-probabilities from the first 2 years after diagnosis. Results: A total of 1587 patients with PLGG (median follow up 6.3 years from diagnosis) and 22 states were identified. For a robust multi-state analysis, the model was reduced to 7 states and 3 levels of disease-progressiveness were determined: non, low and highly progressive. Five years after diagnosis the highest probability (0.60) for the entire cohort was to have had a non-progressive disease, i.e. no intervention (0.11) or one surgical intervention-only (0.49), whereas probability for low progressive PLGG was 0.30 and for highly progressive PLGG 0.08. Five-year probability of death was low (0.02). Risk analysis revealed an increased 5-year probability for highly progressive disease in the age group < 1 year at diagnosis (0.30), supratentorial midline location (0.17), and diffuse astrocytoma WHO grade II histology (0.12). Patients with neurofibromatosis type-1 had a high 5-year probability for no intervention (0.36) and one adjuvant therapy (0.45). The need for more interventions in the first 2 years after diagnosis predicted an increasing 5-year probability of highly progressive disease and death. Conclusion: This first MSM of a large cohort of PLGG-patients obtained a refined description of the course of disease including analysis of larger subgroups. The multi-state analysis identified risk groups for a highly progressive disease-course and a higher probability of death. Growth behavior in the first 2 years after diagnosis predicted further course of the disease and the probability of death.