Die gegenwärtige SARS-CoV-2 Pandemie verdeutlicht sogar in der Laienpresse die aus einer schweren Infektion und intensivmedizinischer Therapie resultierende Prädisposition für Störungen der Blutgerinnung. Ein hämostaseologisches Ungleichgewicht zwischen Pro- und Antikoagulation erhöht das Risiko für eine Thrombose, Embolie oder Blutung. Während der ersten Lebenswochen und Monate unterliegt die Gerinnungsphysiologie aufgrund von entwicklungsabhängigen Veränderungen der zellulären und plasmatischen Komponenten sehr großen Umstellungen, verbunden mit dem erhöhten Risiko für Blutungen und Thrombosen. Es ist deshalb wichtig, potentielle Störfaktoren zu identifizieren und präventive Maßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Transfusions-assoziierten Komplikationen einzuleiten. Zu solchen Komplikationen zählen neben Thromboembolien bei sehr unreifen Frühgeborenen auch Hirn- und Lungenblutungen, Störungen der Darmperfusion oder die Frühgeborenen-Retinopathie.
In dieser Arbeit werden drei Forschungsprojekte aus dem Gebiet der neonatalen Hämatologie und Transfusionsmedizin betrachtet:
(i) In einer Fall-Kontroll-Studie konnten einerseits die Transfusion von Blutkomponenten erwachsener Spender und andererseits die Frequenz von Transfusionen nach Anlage eines zentralvenösen Katheters als unabhängige signifikante Risikofaktoren für Thromboembolien identifiziert werden. (ii) Sogenannte biologische Reaktionsmodifikatoren aus Spender-Thrombozyten könnten in Abhängigkeit von der Herstellung (Pool-Vollblut versus Apherese) und Lagerung (Temperatur und Dauer) unterschiedlich stark freigesetzt werden und Transfusions-assoziierte Krankheitsbilder erklären. Im Vordergrund der eigenen Untersuchung standen biologische Reaktionsmodifikatoren, die aus Thrombozyten des Erwachsenen, jedoch nicht oder nur sehr gering aus Thrombozyten des Neugeborenen freigesetzt werden (CCL5/RANTES, TGFβ1, TSP1 und DKK1). In einem in vitro Ansatz konnte nachgewiesen werden, dass diese Proteine besonders stark in Pool-Thrombozyten-Konzentraten sowie – unabhängig von der Herstellung – vermehrt bei Raumtemperatur (versus 4°C) und längerer Lagerungsdauer (> 4 Tage) freigesetzt werden. (iii) Bei sehr unreifen Frühgeborenen entwickelt sich regelhaft eine Anämie, die in vielen Fällen eine oder mehrere Transfusionen von Spendererythrozyten erfordert. Die Erythrozytentransfusion ist wiederum mit dem Risiko einer (höhergradigen) Retinopathie assoziiert, welche bis zur Erblindung führen kann. Aus dem pathophysiologisch ähnlichen Krankheitsmodell der diabetischen Retinopathie weiß man, dass eine Variante des Erythropoietin-Gens, das bei Anämie zur Stimulation der körpereigenen Blutbildung vermehrt exprimiert wird, die überschießende Gefäßneubildung an der Netzhaut anheizt. Analog dazu wurde die Assoziation dieses EPO Polymorphismus an die Häufigkeit und Schwere der Frühgeborenenretinopathie untersucht. In dieser Fall-Kontroll-Studie konnte die Erythropoietin-Promotor-Variante rs1617640 jedoch nicht mit dem Auftreten einer höhergradigen ROP assoziiert werden. Der Befund war unabhängig vom zusätzlichen Risikofaktor einer Therapie mit rekombinantem humanem Erythropoietin zur Prävention der Transfusionen.
Aus den Ergebnissen resultieren neue Strategien zur Verringerung Transfusions-assoziierter Komplikationen, was signifikant zur Verbesserung der Langzeitentwicklung sehr unreifer Frühgeborener, aber auch kranker Reifgeborener beitragen sollte.
The current SARS-CoV-2 pandemic highlights the predisposition for coagulopathies associated with severe infection and intensive care. A disturbance of the hemostatic balance between pro- and anticoagulation increases the risk of thrombosis, embolism or bleeding. During the first weeks of life, the physiology of hemostasis undergoes significant developmental-stage specific changes of cellular and plasmatic components, correlating with an increased risk of bleeding and thrombosis. It is therefore of particular importance to identify potential disruptive factors and to initiate preventive measures to avoid transfusion-associated complications. In very immature preterm newborns such complications include thromboembolism, cerebral and lung hemorrhage, intestinal malperfusion or retinopathy of prematurity.
Therefore, this dissertation summarizes three main research projects in neonatal hematology and transfusion medicine:
(i) In a case-control study, the transfusion of adult donor blood components as well as the transfusion frequency after placement of central venous catheters were identified as independent significant risk factors for thromboembolism. (ii) The release of biological response modifiers from donor platelets could be influenced by the preparation (pooled whole blood donation versus apheresis) and storage conditions (temperature and duration) and thereby cause transfusion-associated complications. We studied biological response modifiers, which are released from adult platelets, but not at all or only in much lower concentrations from neonatal platelets (CCL5/RANTES, TGFβ1, TSP1 und DKK1). The in vitro experiments showed that these proteins are released at higher concentrations in pooled platelet concentrates and – independent of preparation – after longer storage time (>4 d) as well as storage at room temperature (versus 4°C). (iii) Very immature preterm newborns regularly develop an anemia, often requiring one or multiple donor red blood cell transfusions. These transfusions are associated with an increased risk of severe retinopathy, even potentially resulting in blindness. In the pathophysiological similar disease model of diabetic retinopathy, a variant of the erythropoietin gene, which translates into a protein that primarily regulates red blood cell production, has been associated with an increased risk of proliferative diabetic retinopathy. The association of this EPO polymorphism was studied in regard to the frequency and severity of retinopathy of prematurity. This case-control study did not show an association between the erythropoietin promotor variant rs1617640 and severe retinopathy of prematurity. This was observed independently of recombinant human EPO administration to prevent transfusions.
These findings result in new strategies to reduce transfusion-associated complications, which will contribute considerably to improving the short- and long-term outcomes of very premature as well as sick term newborns.