Zielsetzung: Die Folgen von Kindesmisshandlung auf die physische und psychische Gesundheit der Betroffenen sind Gegenstand unterschiedlichster Untersuchungen. Auch Charaktereigenschaften können durch Misshandlungserfahrungen verändert sein. Von besonderer Wichtigkeit sind dabei Charaktereigenschaften, die in der Eltern-Kind-Beziehung eine Rolle spielen, da sie potentiell Einfluss auf das Wohlbefinden der Kinder ausüben. Wenige Daten liegen diesbezüglich für die Eigenschaften Empathie und Belastungsempfinden sowie deren hirnmorphometrische Korrelate bei in der Kindheit misshandelten Müttern vor. Unter den existierenden Studien untersuchen nur wenige den reinen, von begleitenden psychischen Störungen unabhängigen Effekt von Misshandlung und unterscheiden nur wenige physische und psychische Misshandlungserfahrungen. Die vorliegende Arbeit setzt sich deshalb zum Ziel, den Effekt von physischen Misshandlungserfahrungen in der Kindheit auf die Eigenschaften Empathie und Belastungsempfinden von Müttern zu untersuchen und assoziierte hirnmorphometrische Areale zu identifizieren.
Methoden: Insgesamt wurden 115 Mütter von Kindern im Grundschulalter untersucht: 58 Mütter einer gesunden Kontrollgruppe ohne physische Misshandlungserfahrungen in der Kindheit (KG) und 57 Mütter mit physischen Misshandlungserfahrungen bis zum 17. Lebensjahr mit und ohne Depression in Remission (MG). In der Kindheit erfahrene Misshandlungen wurden mittels des Childhood Experience of Care and Abuse Interviews erfasst. Zur Messung der Empathie wurde der Saarbrücker-Persönlichkeitsfragebogen genutzt. Das Belastungsempfinden der Mütter wurde mittels Eltern-Belastungs-Inventar erhoben. Die Erfassung der Hirnmorphometrie erfolgte mittels Magnetresonanztomographie.
Ergebnisse: Die Mütter der MG schätzten sich im Vergleich zur KG als weniger empathisch und höher belastet ein. Die Untersuchung hirnmorphometrischer Unterschiede zwischen KG und MG ergab eine signifikant geringere Dichte grauer Substanz im mittleren frontalen Gyrus innerhalb des dorsolateralen präfrontalen Cortex der MG. Das Empathievermögen korrelierte positiv mit der Dichte grauer Substanz in der linken Insula. Das Belastungsempfinden korrelierte negativ mit der Dichte grauer Substanz im rechten mittleren frontalen Gyrus.
Konklusion: Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden erstmals Empathievermögen und Belastungsempfinden von Müttern mit physischen Misshandlungserfahrungen in der Kindheit mit hirnmorphometrischen Daten in Beziehung gesetzt. Die vorliegenden Ergebnisse weisen darauf hin, dass Mütter mit physischen Misshandlungserfahrungen in der Kindheit ein herabgesetztes Empathievermögen und ein gesteigertes Belastungsempfinden aufweisen. Während geringeres Empathievermögen mit geringer Dichte der grauen Substanz der linken Insula assoziiert war, ging höheres Belastungsempfinden mit einer geringeren Dichte im rechten mittleren frontalen Gyrus einher. Diese Veränderungen in Empathievermögen und Belastungsempfinden bei Müttern mit Misshandlungserfahrung könnten in der Mutter-Kind-Interaktion und bei der Übertragung von Belastungen auf die nächste Generation eine Rolle spielen. Der klinische Einsatz kurzer Fragebögen zur Erfassung von Empathie und Belastungsempfinden bei Müttern könnte dazu beitragen, dass den Betroffenen gezielt Unterstützung angeboten wird.
Consequences of child abuse on physical and mental health of those affected are subject of various studies. Character traits may also change through experiencing abuse. Those traits affecting parent-child-interaction are of particular importance as they potentially influence child well-being. Regarding this, few data is available for the attributes empathy and stress perception and their brain morphometric correlates in mothers abused during childhood. Only few of the existing studies investigate the pure effect of abuse (independent of concomitant psychiatric disorders) and only few differentiate between physical and psychological abuse. The aim of the present work is to investigate the effect of childhood physical abuse on empathy and stress perception in mothers and to identify associated brain morphometric areas. Methods: 115 mothers of children of primary school age were examined: 58 in a healthy control group without physical abuse experiences in childhood (KG) and 57 mothers with physical abuse experiences up to the age of 17 with and without concomitant depression in remission (MG). Abuse was investigated using the Childhood Experience of Care and Abuse Interview. The Saarbrücker Persönlichkeitsfragebogen was used to measure empathy. Stress perception was ascertained using the Eltern-Belastungs-Inventar. Brain morphometry was obtained using magnetic resonance imaging. Results: MG mothers rated themselves as less empathic and more stress-ridden than the KG. The examination of brain morphometric differences between KG and MG revealed significantly lower density of gray matter in the middle frontal gyrus within the dorsolateral prefrontal cortex of the MG. Empathy correlated positively with gray matter density in the left insula. Perceived stress correlated negatively with gray matter density in the right middle frontal gyrus. Conclusion: In the present study, for the first time, measures of empathy and stress perception in mothers with childhood physical abuse were related to brain morphometric data. The results indicate that mothers physically abused in childhood have a reduced ability to empathise and an increased perception of stress. While a lower level of empathy was associated with lower density of gray matter in the left insula, a higher level of stress was associated with lower density in the right middle frontal gyrus. The changes in empathy and stress perception in mothers with childhood abuse may affect mother-child interaction and the transfer of stress to the next generation. The clinical use of short questionnaires to assess empathy and stress perception in mothers could help to provide targeted support to those affected.