This investigation analyses the way in which illness of former prisoners of war was mediated through psychiatric patient records from 1948 until 1956 at the psychiatric ward of the Charité Berlin. It further asks how far psychiatric interpretation of illness after war imprisonment intersected with official-political debates of postwar East Germany. Against this backdrop it concludes on the way in which patients' interpretations of war imprisonment differed from the clinical narratives of the patient record.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat die ostdeutsche psychiatrische Praxis vergleichsweise weniger Aufmerksamkeit innerhalb der Geschichte der Medizin erfahren als die Westdeutsche. Dieser Sachverhalt ist besonders relevant für Untersuchungen über psychologisches Trauma und Krankheit in Verbindung mit dem Zweiten Weltkrieg. Die führende Literatur fokussiert sich hierbei vorherrschend auf westdeutsche politische und medizinische Diskussionen als Quellen, um Fragen nach psychiatrischer Krankheit und dessen Interpretation in Verbindung mit traumatisierenden Erlebnissen zu beantworten. Im Gegensatz hierzu leistet diese Untersuchung einen neuen Beitrag, indem sie erstmals ostdeutsche Patientenakten von 1948 bis 1956 des Historischen Psychiatrie Archivs Charité Berlin (HPAC) nutzt, um zu erforschen, wie Krankheit nach Kriegsgefangenschaft von behandelnden Psychiatern der Charité beschrieben und verstanden wurde. Insbesondere konzentriert sie sich auf die Fragestellung, inwiefern der körperlichen und psychischen Auswirkungen von Kriegsgefangenschaft bestimmten Körperregionen und Pathophysiologien zugeschrieben wurden. Welche (langfristigen) Auswirkungen auf Körper und Psyche wurden von den Patienten selbst angeführt, und welche davon wurden von den behandelnden Ärzten als Beweis eines schädigenden Einflusses des Krieges oder der Kriegsgefangenschaft akzeptiert? Darüber hinaus argumentiert diese Untersuchung, dass medizinische Erklärungen psychiatrischer Krankheit nach Kriegsgefangenschaft an der Charité mit offiziell-politischer Meinung in dessen Betonung von sozialen Wiedereingliederungs-schwierigkeiten als treibender Krankheitsfaktor von psychiatrischen Symptomen der Nachkriegszeit übereinstimmten. Als letzte Fragestellung untersucht diese Arbeit, inwiefern psychiatrische Krankheit nach Kriegsgefangenschaft als Herausforderung klinischer Interpretation der Patientengeschichten ehemaliger Kriegsgefangener an der Charité gelten konnte. Diese Fragestellungen wurden methodisch mit Hilfe einer qualitativen Textanalyse der psychiatrischen Patientenakten des Historischen Psychiatrie Archivs der Charité Berlin (HPAC) bearbeitet. Nach einer sondierenden Übersicht aller Akten, wurden folgenden Sektionskriterien definiert: Männliches Geschlecht, dokumentierte Vorgeschichte einer Kriegsgefangenschaft während des Zweiten Weltkrieges, und Aufnahme auf die Erwachsenen psychiatrische Station der Charité innerhalb der Jahre 1948 bis 1956. Als solches wurden 79 von 1,391 Patientenakten der Jahre 1948, 1949, 1950 und 1956 systematisch selektiert, transkribiert, und nach Fragestellung mithilfe der „close reading” Methodik, Narrativer und Inhaltsanalyse analysiert. Zusätzlich wurde die zeitgenössische wissenschaftliche Literatur des Journals „Neurologie, Psychiatrie und Medizinische Psychologie“ der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) systematisch bezüglich Kriegsgefangenschaft induzierter Krankheit als Sekundärquelle dieser Untersuchung herangezogen.