Hintergrund: Laut internationaler Literatur zeigen etwa 50 Prozent der PatientInnen mit fortgeschrittener Krebserkrankung im palliativen Stadium ein Bewusstsein über die durch die Grunderkrankung eingeschränkte Prognose. Die Zusammenhänge zwischen dem Bewusstsein über die Prognose und der Einschätzung der Überlebenszeit, dem Auftreten von Angst – und Depressionssymptomen und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität sind nicht abschließend untersucht. Methoden: In der vorliegenden prospektiven Studie wird die Prävalenz des Bewusstseins über die Prognose bei in Deutschland behandelten PatientInnen mit soliden onkologischen Grunderkrankungen in palliativem Therapiestadium erfasst. Gleichzeitig wird eine zeitliche Einschätzung der Überlebenszeit ab Studienteilnahme durch die PatientInnen und die jeweils behandelnden ÄrztInnen erfragt. Es wird die gesundheitsbezogene Lebensqualität und das Auftreten von Angst- und Depressionssymptomen erhoben. Die Einschätzung der Überlebenszeit durch PatientInnen und ÄrztInnen, das tatsächliche Überleben der PatientInnen, die Lebensqualität sowie Angst- und Depressionssymptome werden korreliert mit dem Grad des Bewusstseins der PatientInnen über die Prognose. Ergebnisse: Es wurden 100 PatientInnen und ihre jeweils behandelnden ÄrztInnen eingeschlossen. 60,8 Prozent der PatientInnen beschreiben ihre Erkrankungssituation als „unheilbar“. 57 Prozent der PatientInnen schätzen die Wahrscheinlichkeit für eine Heilung kleiner als 25 Prozent ein. Beide Kriterien werden unabhängig voneinander als bestehendes Bewusstsein über die Prognose gewertet. Von den PatientInnen, die ein bestehendes Bewusstsein über die Prognose zeigen, überschätzt dennoch ein großer Anteil die eigene Überlebenszeit deutlich. Die Überschätzung der Überlebenszeit ist ausgeprägter bei PatientInnen mit fehlendem Bewusstsein über die Prognose. Die ärztliche Einschätzung der Überlebenszeit korreliert eher mit dem tatsächlichen Überleben der PatientInnen, als die Einschätzung durch die PatientInnen selbst. ÄrztInnen schätzen das Bewusstsein der PatientInnen über die Prognose häufig falsch ein. Angst- und Depressionssymptome sind bei PatientInnen mit bestehendem Bewusstsein über die Prognose stärker ausgeprägt als bei PatientInnen mit fehlendem Bewusstsein über die Prognose. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität ist bei PatientInnen mit bestehendem Bewusstsein über die Prognose in den Subskalen der Erhebung jeweils erniedrigt. Nur die Untergruppe „Seelisches Wohlbefinden“ zeigt einen 7 signifikanten Unterschied. Ein klinisch wahrnehmbarer Effekt ist bei geringem Unterschied fraglich. Schlussfolgerung: Trotz bestehenden Bewusstseins über die Prognose überschätzen PatientInnen häufig ihre Überlebenszeit. Der Zusammenhang zwischen dem Bewusstsein über die Prognose mit einer möglicherweise beeinträchtigten gesundheitsbezogenen Lebensqualität muss in zukünftigen größeren Studien abschließend geklärt werden. Diese Arbeit liefert Hinweise, dass das Bewusstsein über die Prognose mit einem vermehrten Auftreten von Angst- und Depressionssymptomen assoziiert ist. Das Bewusstsein über die Prognose ist wichtige Grundlage für eine palliative Versorgung der PatientInnen, die den individuellen Bedürfnissen der PatientInnen entspricht.
Background: In the literature about 50% of incurable advanced cancer patients are aware of their prognosis. Associations of prognostic awareness with survival estimations of patients and physicians, real survival time, health-related quality of life and depression- and anxiety symptoms are not finally understood. Methods: In this prospective study we assess prognostic awareness and its relationships to health-related quality of life and depression- and anxiety symptoms in palliative cancer patients treated in a German University Clinic. We correlated the level of prognostic awareness with patients’ and physicians’ prediction of survival time and compared it to actual survival time. Results: 100 patients with incurable cancers and their physicians were included. 60.8% of the patients described themselves as terminally ill. 57% rated their likelihood of cure less than 25%, which we defined as having prognostic awareness. Despite prognostic awareness the majority of patients overestimated their survival time. Patients with prognostic awareness estimated their expected survival little more realistic than patients without prognostic awareness. Patients’ prediction was more optimistic than physicians’. Anxiety and depression symptoms were more likely in patients with prognostic awareness. Patients with prognostic awareness had slightly lower scores in all quality of life subscales. Conclusion: Prognostic awareness has little impact on the accuracy of patients’ prediction of survival time. Despite being aware of the prognosis patients tend to overestimate their survival time. Our data show no clinically relevant impact of prognostic awareness on quality of life, whereas anxiety and depression rise in patients with prognostic awareness.