Hintergrund Bei der Hüftreifungsstörung handelt es sich mit einer Inzidenz von 0,8 % bis 7,7 % um die häufigste angeborene Deformität des Halte- und Bewegungsapparates (1-6). Unbehandelt kann sie zu bleibenden Schäden des Hüftgelenkes bis hin zu Dezentrierung und frühzeitiger Arthrose führen (7). Bei rechtzeitiger Therapie können bis zu 98,9 % der Hüften geheilt werden (8). Aus diesen Gründen wird eine frühzeitige Diagnose, verbunden mit einem zeitigen Therapiebeginn angestrebt (9). Die Diagnostik erfolgt in Deutschland mittels eines zweigeteilten Ultraschallscreenings (10). Die diagnostische Sicherheit der Hüftsonografie nach Graf hängt neben zu erfüllenden apparativen Voraussetzungen von der Qualifikation des Untersuchers ab (11, 12). In der vorliegenden Arbeit ist erstmalig analysiert worden, wie sich die Hüfttypen-verteilung nach Graf in der Diagnostik von Hüftreifungsstörungen in Abhängigkeit vom Ausbildungsgrad des Untersuchers verhält.
Material und Methoden Im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 29.02.2012 sind alle in Berlin am Campus Charité Mitte und in Bielefeld am Franziskus Hospital geborenen Kinder klinisch und sonografisch untersucht worden. In Bielefeld sind die Neugeborenen von einem Fachteam mit einer DEGUM-Zertifizierung im Hüftultraschall nach Graf und in Berlin von einer DEGUM-Kursleiterin untersucht worden. An anamnestischen Daten ist das Vorliegen einer positiven Familienanamnese, eines Fruchtwassermangels und einer Geburt aus Beckenendlage erfasst worden.
Ergebnisse In dem oben genannten Zeitraum sind 1868 Neugeborene innerhalb der ersten Lebenswoche untersucht worden. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen den untersuchten Risikofaktoren und dem Vorliegen einer Hüftreifungsstörung konnte nicht gezeigt werden. Bei über der Hälfte der pathologischen Hüften haben keine Risikofaktoren, Skelettanomalien oder klinische Auffälligkeiten vorgelegen. Die Inzidenz der Hüftreifungsstörungen liegt in der vorliegenden Arbeit bei 1,4 %. In dem untersuchten Patientenkollektiv sind Hüftreifungsstörungen signifikant häufiger (p < 0,05) bei weiblichen Neugeborenen aufgetreten. Beim Vergleich der Verteilung der Hüfttypen nach Graf, diagnostiziert durch die unterschiedlichen Untersucher, haben sich statistisch signifikante Unterschiede (p < 0,05) im Bereich der gesunden, der physiologisch unreifen und der pathologischen Hüften gezeigt. Dabei sind vermehrt gesunde Typ I Hüften von der Expertin und physiologisch unreife Typ IIa Hüften und pathologische Typ D Hüften vom Fachteam diagnostiziert worden.
Schlussfolgerung In der vorliegenden Arbeit haben sich signifikante Unterschiede in der Diagnose der Hüfttypen nach Graf in Abhängigkeit vom Ausbildungsgrad der Untersucher gezeigt. Um eine Überbehandlung oder das Übersehen behandlungsbedürftiger Hüften zu vermeiden, ist eine umfassende Ausbildung der Untersucher mit regelmäßiger Rezertifizierung essentiell. Um auch stumme Hüftpathologien frühzeitig diagnostizieren und therapieren zu können, erscheint ein generelles Ultraschallscreening zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt erforderlich.
Background Developmental dysplasia of the hip (DDH) is the most common congenital disorder of the locomotor system. The incidence ranges from 0,8 % to 7,7 % (1-6). If untreated, DDH can lead to severe long-term complications including dislocation and early onset osteoarthritis (7). For that reason early diagnosis and treatment are important (9). If treated early, more than 98,9 % of the affected newborns can be healed (8). In Germany all infants are screened sonographically according to the Graf method when they are 4-5 weeks old (10). Those with risk factors or clinical instability are examined by ultrasound during the first week of life (10, 13). The quality of ultrasound using the Graf technique is dependent on appropriate equipment and the experience of the examiner (11, 12). The aim of this study is to determine whether the diagnosis of severity of dysplasia using the Graf classification depends on the qualification of the examiner.
Patients and methods Between 01.01.2011 and 29.02.2012 all infants born in Berlin at Campus Charité Mitte and in Bielefeld at Franziskus Hospital were screened clinically and sonographically. In Bielefeld the newborn children were examined by a team of clinicians who are certified in hip sonography. In Berlin an expert who is teaching hip sonography to other clinicians examined the children. Data was collected on the presence of the risk factors family history, oligohydramnios and breech presentation.
Results A total of 1868 newborns were examined within their first week of life. The risk for DDH was not significantly higher in children with risk factors, skeletal deformities or clinical hip instability. In this study the incidence was 1,4 %. There was a significantly (p < 0,05) higher frequency of DDH in females. The team of clinicians, certified in hip sonography, diagnosed significantly (p < 0,05) more immature hips and pathological hips compared to the expert instructor. Graf’s type I was more often diagnosed by the expert and Graf’s type IIa and type D were more often diagnosed by the team of clinicians.
Conclusion This study shows that clinicians with less ultrasound experience diagnose more immature Graf’s type IIa and pathological hips, especially Graf’s type D. To avoid overtreatment and failure of detecting cases with severe dysplasia, standardized training courses and accreditation courses are essential. To detect silent cases of DDH, a general ultrasound screening should be carried out as early as possible.