Eine praxisgerechte Anwendung von Vorschriften, die biomedizinische Sachverhalte regeln, ist nur unter einer angemessenen Berücksichtigung biomedizinischen Wissens möglich. Nur eine solche interdisziplinäre Herangehensweise kann zur Erhöhung der Rechtssicherheit im Bereich der biomedizinischen Forschung beitragen. Diese Problematik wurde besonders nach der Novellierung der Tierschutzrechts im Zuge der Umsetzung der Tierversuchsrichtlinie 2010/63/EU sichtbar. Die Anwendung der neuen Regelungen des Tierschutzgesetzes und der Tierschutz-Versuchstierverordnung verursachte zunächst zahlreiche Zweifel und Probleme in der Praxis, da sich zunächst eine neue Auslegung etablieren musste. Diese Arbeit untersucht ausgewählte aktuelle Probleme des Tierversuchsrechts unter Anwendung der gängigen juristischen Auslegungsmethoden. Dabei wird jedoch das biomedizinische Fachwissen in den Auslegungs- und Subsumtionsprozess integriert, damit praxisgerechtere Ergebnisse erzielt werden können. Es werden drei Themenkomplexe der praktischen Anwendung des Tierversuchsrechts untersucht. Zum einen werden die Auswirkungen der Erweiterung der Tierversuchsdefinition durch die Richtlinie 2010/63/EU erörtert, die eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Begriff des Tierversuches, insbesondere im Hinblick auf die Zucht immunmodifizierter Tiere und die Anwendung von invasiver Genotypisierungsmethoden, unumgänglich gemacht hat. Zum anderen hat die Änderung der Vorschriften über die Qualifikationen der am Tierversuch beteiligten Personen zu einer großen Rechtsunsicherheit geführt. Zum Schluss wird am Beispiel der Anwendung von Tamoxifen als gentechnisches Werkzeug auf die Problematik der Koexistenz des Tierschutzrechts mit anderen Rechtsgebieten, hier dem Arzneimittelrecht, eingegangen. Im Ergebnis wird eine Auslegung der relevanten Vorschriften vorgeschlagen, die einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Tierschutz und dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit schafft.
Legal provisions ruling on biomedical topics can be only put into practice in an effective way if the biomedical content is considered appropriately. Only an interdisciplinary approach can enhance the legal security in the biomedical research. This became even more apparent since the Directive 2010/63/EU on the protection of animals used for scientific purposes has been amended. The new legal provisions based on this directive, the amended German Animal Welfare Act (TierSchG) and the Regulation on Protection of Laboratory Animals (TierSchVersV), caused numerous doubts concerning their interpretation and implementation in the daily work of the scientists. This work examines selected problems from the field of animal experiments law using the traditional and established methods of legal interpretation. However, the biomedical aspects shall be taken into account to create a stronger link between the interpretation of legal provisions and the daily scientific work. Three main topics related to the practical implementation of the law on animal experiments shall be discussed. First, the consequences of expanding the definition of an experimental procedure in the new Directive 2010/63/EU are to be analyzed. This is relevant especially in the context of legal evaluation of the breeding of immunodeficient animals and using of invasive genotyping methods. Another aspect is the required qualifications of the personnel. The amendment of the legal provisions referring hereto led to a lot of insecurity in the scientific community. The third complex will be the problems of coherence and coexistence of animal welfare law and the law on drugs and medicines. This problem is demonstrated using the example of the application of tamoxifen as a “gene-engineering tool”. The attempted outcome is to provide an interpretation of the relevant legal provisions that will balance the interests of the animal protection and of the fundamental right of freedom of science.