Die Bedeutung sozialer Determinanten für die Gesundheitsversorgung speist sich aus dem postulierten Ziel einer gesundheitlichen Chancengleichheit. Systematische Unterschiede aufgrund sozialer Determinanten verweisen auf eine Chancenungleichheit. Ziel der Habilitationsschrift war es, anhand ausgewählter Bereiche der gesundheitlichen Versorgung zu einem besseren Verständnis und einem Informationsgewinn hinsichtlich des Zusammenhangs von sozialen Determinanten und gesundheitlicher Versorgung beizutragen. Im Unterschied zur gängigen Praxis in der Sozialepidemiologie und den Gesundheitswissenschaften lag der Fokus hierbei nicht primär auf vertikalen Determinanten (Einkommen, Beruf, Bildungsstatus). Vielmehr wurde eine integrierte Herangehensweise gewählt, die vertikale Determinanten und horizontale Determinanten (Alter, Geschlecht, Familienstand, etc.) gleichermaßen betrachtet. Zudem wurden Erklärungsansätze für Unterschiede aufgrund sozialer Determinanten diskutiert. Die Ergebnisse beruhen auf verschiedenen Datengrundlagen (Routine-, Kohorten-, Surveydaten). Die statistischen Analysen erfolgten anhand binär logistischer Regressionen, Trend- und Clusteranalysen, Diskriminanzanalysen sowie verschiedener Tests (Hosmer-Lemeshow, Omnibus-Tests, Interaktionsterme). Als bedeutende soziale Determinante zeigt sich in allen Teilstudien das Lebensalter – dies beruht zum einen auf der Tatsache, dass mit einem höheren Lebensalter eine höhere Krankheitslast einhergeht. Zum anderen verweisen die Analysen aber auch auf soziale Konnotationen des Alters, etwa in Hinblick auf das diskutierte „Zufriedenheitsparadox“, Unterschiede in der Gesundheitskompetenz oder hinsichtlich der Erwartungshaltungen zur Gesundheitsversorgung (Kapitel 3.1 und 3.2). Die horizontale Determinante „Partnerschaft“ spielt im Kontext von Pflegebedürftigkeit eine signifikante Rolle (Kapitel 2.2). Alte und sehr alte Menschen, die angaben, in einer Partnerschaft zu leben, waren seltener pflegebedürftig. Die multivariablen Analysen deuten darauf hin, dass sich die protektive Wirkung einer Partnerschaft über die Unterstützung im Alltag erklärt, so dass etwa das Sturzrisiko abgefedert oder die Mobilität befördert werden kann. Unterschiede zwischen Männern und Frauen wurden in keiner der Untersuchungen festgestellt, wenn nach Morbiditäten, geriatrischen Assessment-Parametern oder der subjektiven Gesundheit kontrolliert wurde. Analog zu den geschlechtsspezifischen Ergebnissen zeigen sich auch keine bildungsspezifischen Unterschiede im Pflegerisiko mehr, wenn Morbiditäten berücksichtigt (adjustiert) werden (Kapitel 2.2). Die vertikale Determinante Bildung spielt darüber hinaus im Bereich der ambulanten, gesundheitlichen Versorgung eine signifikante Rolle. Anhand der Ergebnisse wurde deutlich, dass höher Gebildete die untersuchten Aspekte der Health System Responsiveness besonders kritisch bewerten (Kapitel 3.2) sowie den niedrigsten Kenntnisstand zu Neuregelungen im Gesundheitssystem aufweisen – das letztgenannte Ergebnis bezieht sich allerdings nicht auf alle höher Gebildeten, sondern nur auf Erwerbstätige im mittleren Alter (Kapitel 3.3). Zukünftige Studien zu sozialen Determinanten in der Gesundheitsversorgung sollten neben vertikalen Determinanten vermehrt auch horizontale Determinanten analysieren. Die vertikalen sozialen Determinanten Bildung, Einkommen und/oder beruflicher Status sind zwar, da es sich um „erworbene“ Eigenschaften handelt, augenscheinlich zugänglicher für Präventionsmaßnahmen als die „zugeschriebenen“ Merkmale wie Alter oder Geschlechts-zugehörigkeit. Allerdings zeigen gerade die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, dass diese quasi biologischen Kategorien für Prävention und Interventionsansätze von hoher Relevanz sind. Daher ist eine integrierte und im besten Fall verschränkte Sicht verschiedener sozialer Determinanten der Ungleichheit empfehlenswert.
The relevance of social determinants in relation to healthcare derives from the postulated objective of health equality. Systematic disparities based on social determinants point to health inequality. The aim of the Habilitation (post-doctoral project) was to contribute to a better understanding and provide new information about social determinants in healthcare. In contrast to current practice in social epidemiology and public health, the study did not focus primarily on vertical determinants (income, occupation and education status). Instead, an integrated approach was chosen to investigate vertical and horizontal determinants (age, gender, marital status, etc.) equally. Possible explanations of disparities based on social determinants were also discussed. The results were based on a variety of data sources (routine, cohort and survey data). The statistical analyses were performed using binary logistic regressions, trend and cluster analyses, discriminant analyses and various tests (Hosmer-Lemeshow, omnibus tests, interaction terms). In all studies, age proved to be a significant social determinant, reflecting the fact that disease burden increases with age. However, the analyses also draw attention to social connotations of age, e.g. in relation to the discussed “satisfaction paradox”, differences in health literacy, and expectations of healthcare (Sections 3.1 and 3.2). “Partnership status” as a horizontal determinant plays a significant role in relation to care dependency (Section 2.2). Older and very old persons who lived with a partner were less likely to be care-dependent compared to persons without a partner. The multivariable analyses suggest that the protective effect of living with a partner can be explained by the support provided in daily life: the risk of falling may be reduced, for example, or mobility increased. No differences between males and females were observed in any of the analyses after adjusting for morbidities, geriatric assessment parameters or subjective health. Analogous to the gender-specific results, there are also no education-specific differences in care dependency risk if morbidities are adjusted for (Section 2.2). The vertical determinant “education” is also significant in relation to outpatient care. The results indicated that higher-educated persons are especially critical of the investigated aspects of health system responsiveness (Section 3.2) and also have lowest knowledge of health system reforms; however, this latter result does not apply to all higher-educated persons but solely to middle-aged persons in full-time employment (Section 3.3). Future studies on social determinants in healthcare provision should focus to a greater extent on analysing horizontal as well as vertical determinants. The vertical social determinants – education, income and/or occupational status – are, as “acquired” characteristics, seemingly more accessible for prevention measures than “attributed” characteristics like age or gender. However, the results of this study show that these quasi-biological categories are of great relevance for prevention and intervention strategies. An integrated and, in a best case, interconnected perspective on various social determinants of inequality is therefore recommended.