Einleitung Todesfälle durch scharfe Gewalt erfahren in Deutschland regelhaft ein großes mediales Interesse. Dem Tatmittel Messer muss, angesichts restriktiver Schusswaffengesetze in Deutschland, eine hohe Bedeutung beigemessen werden. Trotzdem finden sich bundesweit keine flächendeckenden Erhebungen zur Anwendung scharfer Gewalt, beispielsweise hinsichtlich der Inzidenz, Todesumstände und -ursachen sowie der geographischen Verteilung. Die vorliegende retrospektive Fallanalyse befasst sich mit den Umständen der Todesfälle durch scharfe Gewalt in Berlin von 2005 - 2015.
Material und Methoden Die vorliegende Arbeit entstand auf Grundlage einer retrospektiven Auswertung von 10.514 Obduktionsprotokollen gerichtlich angeordneter Leichenöffnungen unter definierten Kriterien, die im Zeitraum 2005 - 2015 im Institut für Rechtsmedizin der Charité - Universitätsmedizin Berlin durchgeführt wurden. Der Betrachtungsumfang umfasst die Beurteilung der durch scharfe Gewalt häufig verursachten Befunde sowie Untersuchungen hinsichtlich der Ereignisorte, Tatumstände, der Täter und der Opfer.
Ergebnisse Es konnten 191 Todesfälle (1,82 %) identifiziert werden; 78,01 % der Opfer männlich. In 52,88 % wurde Suizid begangen, in 40,84 % handelte es sich um Homizide. Das Durchschnittsalter der Suizidenten war höher als das der Opfer homizidaler scharfer Gewalt. Die postmortale Untersuchung auf Alkohol und/oder psychotrope Substanzen verlief in 44,50 % aller Fälle positiv. Sowohl bei den Suiziden als auch bei den Homiziden stellte der Verblutungstod mehrheitlich die Todesursache dar, wobei ein vermehrtes Auftreten der Todesursachen „Hämato-/Pneumothorax“ und „Blutaspiration“ bei den Homiziden zu verzeichnen war. Während bei Suizidenten die tödliche(n) Verletzung(en) mehrheitlich im Bereich der oberen Extremitäten zu finden war(en), waren Opfer homizidaler Gewalt mehrheitlich in der Brustregion tödlich verletzt. Das Durchschnittsalter der Täter betrug 31,33 Jahre, davon waren 91,67 % männlich. In 84,52 % waren Täter und Opfer vor der Tat einander bereits bekannt. Tatmotive für Homizide waren überwiegend unspezifischer Streit, gefolgt von Eifersuchtstaten und Taten aus Habgier. Fazit Die vorliegende Arbeit zeigt die Relevanz einer Aufarbeitung, insbesondere homizidaler Todesfälle aufgrund scharfer Gewalt, auf. Das Tatwerkzeug Messer stellt weiterhin mit tendenziell zunehmender Häufigkeit ein Instrument der tödlichen Gewalt dar. Begründet ist dies in der guten Verfügbarkeit von Messern. Begünstigt durch die Effizienz als Tatwaffe und eine einfache Handhabung werden sie zukünftig eine wichtige Rolle unter kriminalistischem und notfallmedizinischem Aspekt spielen. Die Wichtigkeit der Weiterentwicklung von Präventionsprogrammen und Waffengesetzen wird deutlich.
Introduction Deaths due to sharp force is regularly receiving great media attention in Germany. Because of restrictive firearm laws the knife is getting an important standing as a weapon. Nevertheless, nationwide surveys on the use of sharp violence for example regarding to incidence, circumstances and causes of death as well as the geographical distribution can not be found. This retrospective study analysis the circumstances of fatalities due to sharp violence in Berlin in the period of 2005 - 2015.
Material and Methods This study is based on a retrospective evaluation of 10,514 autopsy records under defined criteria in the period of 2005 - 2015 at the Institute of Legal Medicine of the Charité - Universitätsmedizin Berlin. The study includes the evaluation of the injuries frequently caused by sharp violence as well as investigations into crime scenes, factual situations, offenders and victims.
Results 191 deaths (1.82 %) could be identified, 78.01 % of the victims were male. Suicide was committed in 52.88 % of the cases and 40.84 % were homicides. The average age of the suicides was higher than the average age of the homicidal victims. Postmortem detection of alcohol or psychotropic substances occurred positive in 44.50 % of all cases. In both suicides and homicides, the majority of deaths were caused by exsanguination, with an increased incidence of haematothorax, pneumothorax and blood aspiration in homicides. While the majority of suicide-related injuries led to death were found in the upper extremities, they were identified in the thoracic region at homicidal victims. The average age of the offenders was 31.33 years, of which 91.67 % were male. In 84.52 % offenders and victims already knew each other before the incident. The most frequent motive of a homicide offense was a nonspecific dispute, followed by acts of jealousy and greed.
Conclusions This study shows the relevance of a work-up, especially in homicide deaths due to sharp violence. The knife continues to be an instrument of deadly violence and tends to increase in frequency. This is due to the good availability of knives. Favored by the efficiency as a weapon and a simple handling they will play an important role in the future due to criminal and emergency medicine aspects. The importance of developing prevention programs and weapon laws is shown.