The emergence of cognitive capitalism and the hype of the creative industries have engendered a new interest in artistic knowledge production, in alternative forms of knowledge and its mediation, as well as in the (male, white) artist as the role model of increasingly dematerialised labour. Cultural entrepreneurialism is raising increasing attention amongst policy makers in many African contexts, too. The thesis at hand argues in critical response to this trend and in view of the specific context of Cameroon for the importance of free spaces for artistic experimentation and underscores the intrinsic logic of artistic learning processes from a research perspective that is located between art history and art sociology. The qualitative case study explores concretely how visual artists have appropriated and generated art knowledge in the cities of Yaoundé and Douala despite the absence of a democratic framework and a viable academic infrastructure. To this end, the study identifies an instable cluster of non-formal training opportunities that fed on artistic self-organisation and on exchanges with foreign guests in the past twenty years. This cluster has crucially contributed to the emergence of a dynamic, versatile and networked art world in Douala, according to a core argument of this thesis. The analysis foregrounds the artists’ priorities in terms of knowledge acquisition, as well as individual tactics to access art knowledge and didactics that take the local context into account. A prime example in this respect is the Système de Grands Frères that firstly receives scientific attention in this study, although being operative since the 1970s. This system structures the relationships between different generations of artists, while admitting a wide range of pedagogic approaches. Thought has also been given to the epistemological flows between the continents in the expanding global artworld and to the effects of (post-)colonial continuities, as well as to local interpretations of the omnipotent label Contemporary Art. Despite the focus on the period since 1990, this study goes back to the German colonial period to shed light on the emergence of modern art in Cameroon. An analysis of the public discourses of the post-Independence period proved furthermore that the intellectual and the political elites of the new nation favoured indigenous aesthetics over visual art, which was one reason not to institute public art schools and arts education in schools. This choice led to the predominance of the foreign cultural centres and of private agents like doual’art in artist training and in arts education more generally. With its historical depth, this research prepares the ground for a future critical art history of Cameroon, while also allowing for the assessment of the recent artistic developments within their context. Art collectives and artist-run spaces have importantly shaped Cameroon’s art history since the 1970s at least, and were crucial nodes for the circulation of artistic knowledge. This find makes it finally possible to dismantle the myth of the non-academic and therefore supposedly autodidact African artist on the basis of an empirically grounded, scientific argument. This argument might contribute to the decolonisation of the terms of African art history.
Die Herausbildung des kognitiven Kapitalismus und die damit einhergehende Konjunktur der Kreativindustrien haben ein neues Interesse an der künstlerischen Wissensproduktion, an alternativen Wissens- und Vermittlungsformen und am (männlichen, weißen) Künstler als Idealbild entmaterialisierter Arbeit geweckt. Auch in vielen afrikanischen Kontexten ist ein neues und wachsendes Interesse an Kultur als Wirtschaftsfaktor zu beobachten. Hingegen unterstreicht die vorliegende kunsthistorisch- soziologische Forschungsarbeit zum Kontext Kamerun die Bedeutung künstlerischer Freiräume und hebt die Eigenlogik künstlerischen Lernens hervor. Die qualitative Fallstudie untersucht konkret, wie sich bildende KünstlerInnen in den kamerunischen Städten Yaoundé und Douala unter undemokratischen Verhältnissen und trotz fehlender akademischer Infrastrukturen durch Selbstorganisation und im Kontakt mit ausländischen Gästen professionelles Wissen angeeignet haben und neues generierten. Es ist eine These dieser Arbeit, dass dieser informelle Wissensaustausch in den letzten zwei Jahrzehnten maßgeblich zur Herausbildung der dynamischen, vielseitigen und gut vernetzten Kunstwelt Doualas beigetragen hat. Das Interesse dieser Studie gilt daher den Wissensschwerpunkten, die die Kunstschaffenden selbst gesetzt haben, individuellen Taktiken der Erschließung von Kunstwissen und lokalspezifischen didaktischen Lösungsansätzen. Als ein Beispiel sei das seit den 1970ern funktionierende, aber hier erstmals theoretisierte Système de Grands Frères genannt, das die Wissensweitergabe zwischen den Künstlergenerationen strukturiert und dabei verschiedenste pädagogische Handlungsformen erprobt hat. Die Ökonomien transkontinentaler Wissensflüsse in der zunehmend entgrenzten Kunstwelt und die (post-)kolonialen Kontinuitäten, die darauf einwirken, bilden den Hintergrund dieser Arbeit, die auch die Frage nach lokalen, diskursiven wie ästhetischen Interpretationen des global wirkmächtigen Labels „Contemporary Art“ stellt. Trotz der Schwerpunktsetzung auf die Periode seit 1990 nimmt diese Studie zunächst die Herausbildung eines modernen Kunstschaffens in Kamerun in den Blick und geht dazu in die Epoche der deutschen Kolonialisierung zurück. Eine Analyse der Diskurse in der Zeit nach der Unabhängigkeit Kameruns zeigt sodann, dass intellektuelle und politische Eliten einheimischen ästhetischen Traditionen den Vorrang gaben und deswegen die weitreichende Entscheidung trafen, keine staatlichen Institutionen für die bildende Kunst zu gründen. Damit wurde den ausländischen Kulturinstituten und privaten Akteuren wie der NGO doual’art für lange Zeit das Feld ästhetischer Bildung überlassen. Diese historische Perspektivierung schafft Forschungsgrundlagen im Hinblick auf eine künftige, kritische Länderkunstgeschichte Kameruns und hebt zudem hervor, wie bemerkenswert die jüngsten künstlerischen Entwicklungen angesichts ihrer spezifischen historischen Bedingungen sind. Spätestens seit den siebziger Jahren haben Künstlerkollektive, -initiativen und -projekte eine wichtige Rolle in der Kunstgeschichte Kameruns gespielt und maßgeblich zur Zirkulation des Kunstwissens beigetragen. Dieses Forschungsergebnis ermöglicht es auch, den langgehegten Mythos vom nicht-akademischen und deswegen „autodidaktischen afrikanischen Künstler“ erstmals auf der Grundlage wissenschaftlich erhobener Daten zu dekonstruieren. Damit will diese Arbeit zur Dekolonisierung der Begrifflichkeiten in der Kunstgeschichtsschreibung im Hinblick auf afrikanische Kontexte beitragen.