Theoretischer Hintergrund: Stigma kann mit negativen Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereichen assoziiert sein: es kann z. B. als Barriere zur Inanspruchnahme von Hilfe fungieren und soziale Beziehungen der Betroffenen negativ beeinflussen. Allerdings gibt es bislang keinerlei empirische Daten dazu, wie von einer einsatzbedingten psychischen Erkrankung betroffene Veteranen der Bundeswehr und ihre Familien Stigmatisierung erleben und welche Stigma-assoziierten Auswirkungen sie auf unterschiedliche Lebensbereiche wahrnehmen. Methode: In narrativen Interviews wurden qualitative Daten von N = 43 Veteranen der Bundeswehr und N = 15 Angehörigen von Veteranen mit einsatzbedingten psychischen Beschwerden erhoben. Die transkribierten Daten wurden mit thematischer Analyse iterativ codiert und systematisiert. Der Zusammenhang von Stigma und Inanspruchnahme von Hilfe (Studien 1-3) und der Einfluss von Stigma auf soziale Beziehungen (Studie 3) wurden analysiert. Zusätzlich zur Validierung eines etablierten Stigmamodells von Link und Phelan (Studie 1), wurden die von psychisch erkrankten Veteranen (n = 33) wahrgenommenen Stigma-assoziierten Barrieren zur Inanspruchnahme von Hilfe unter Berücksichtigung des jeweiligen sozialen Kontextes (militärisch und zivil) analysiert, systematisiert und modellhaft illustriert (Studie 2). Ergebnisse: Das Stigmamodell von Link und Phelan konnte validiert werden (Studie 1), die Analysen zeigten jedoch auch einen zusätzlichen stigmatisierten Themenbereich: den militärischen Ursprung der psychischen Erkrankung (Stigma ehemaliger Soldat). Stigmatisierung wurde in Form von beruflicher Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung sowohl im zivilen als auch im militärischen Kontext berichtetet (Studie 1 und 2). Jedoch zeigten sich auch kontextspezifische Effekte: im militärischen Kontext wurde die Unvereinbarkeit von stereotypischen Annahmen zur psychischen Erkrankung einerseits und der tief verwurzelten militärischen Identität andererseits als Barriere zur Inanspruchnahme wahrgenommen (Studie 2). Im zivilen Kontext berichteten die Veteranen (Studie 2) und deren Angehörige (Studie 3) eine doppelte Stigmatisierung (Stigma psychischer Erkrankung und Stigma ehemaliger Soldat), die sowohl die Inanspruchnahme von Hilfe (Studie 2 und 3) als auch die sozialen Beziehungen der Familien (Studie 3) negativ beeinflusste. Diskussion und Implikationen: Zukünftige Forschung sollte den neu gefundenen Aspekt der Stigmatisierung des militärischen Hintergrundes der Einsatzfolgestörung berücksichtigen. Wenn zukünftige Forschungsergebnisse die hier vorgelegten Resultate bestätigen, sollte in Anti-Stigmamaßnahmen nicht nur das Stigma psychischer Erkrankungen thematisiert werden, sondern es ist ebenfalls notwendig, die Auswirkungen des negativen Ansehens von Veteranen in der zivilen Gesellschaft zu beachten. Angehörige sollten sowohl bei Maßnahmen zur Bekämpfung von Stigma als auch als wichtige Partner in der Gesundheitsversorgung ehemaliger Bundeswehrangehöriger mit einer psychischen Einsatzfolgestörung berücksichtigt werden.
Theoretical Background: Stigma is associated with negative effects on different fields of life. It can function as a barrier to healthcare and can have a negative impact on social relationships. To date, there have been no empirical investigations into the question of how veterans of the German Armed Forces who suffer from service-induced mental health problems and their families experience stigma and which stigma-associated effects they perceive on these areas of life. Methods: In narrative interviews, qualitative data were collected from N = 43 veterans of the German Armed Forces and N = 15 relatives of veterans with service-induced mental health problems. The transcribed data were iteratively coded and systematized with thematic analysis. The connection between stigma and healthcare use (studies 1-3) and the influence of stigma on social relations (study 3) were analyzed. Besides the validation of an established stigma model of Link and Phelan (study 1), the stigma-associated barriers perceived by the sub-sample of veterans with service-induced mental health problems (n = 33) were systematized and context-specifically illustrated (study 2). Results: The stigma model by Link and Phelan could be validated (study 1). The results of the analyses showed an additional stigma topic: the military origin of the mental illness (former soldier stigma). Stigmatization was reported in the form of occupational discrimination and social exclusion both in the civilian and military contexts (studies 1 and 2). However, context-specific effects were also found: in the military context, the incompatibility of stereotypical assumptions about mental illness on the one hand and the deeply rooted military identity on the other was perceived as a barrier to healthcare use (study 2). In the civilian context, the veterans (study 2) and their relatives (study 3) reported a dual stigmatization (mental illness stigma and former soldier stigma) which negatively influenced both the use of help (studies 2 and 3) and the social networks of families (study 3). Discussion and implications: Should urgently needed further research support these results, measures against stigma should not only address mental illness stigma, but it is also necessary to consider the effects of the negative reputation of German veterans in civilian society. Relatives should be taken into account both in measures to combat stigma and as important partners in the healthcare use of German veterans with a service-induced mental disorder.