Hintergrund der vorliegenden Arbeit ist die weltweit weiterhin steigende Prävalenz von Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Der Geschmackssinn beeinflusst entscheidend die Auswahl der Nahrungsmittel und somit die Anzahl der aufgenommenen Kalorien. Overberg et al. konnten nachweisen, dass das Geschmacksempfinden von Kindern mit einem BMI über der 97. Altersperzentile reduziert ist. Die Studienlage zur Veränderung des Geschmackssinns bei dieser Patientengruppe nach einer Ernährungsumstellung ist jedoch noch unzureichend. In dieser Längsschnittstudie wurde das Geschmacksempfinden von 98 Kindern (BMI > der 97. Perzentile) vor (T0) und nach (T1) einer strukturierten Ernährungsumstellung in einer Rehabilitationsklinik getestet. Dies geschah mithilfe standardisierter Teststreifen, sogenannten „taste strips“. Es wurde sowohl die Erkennung der fünf Geschmacksqualitäten süß, sauer, salzig, umami und bitter getestet als auch ein überschwelliger Bewertungstest für süß durchgeführt. Zudem wurden mögliche Einflussfaktoren (u.a. Geschlecht, Alter, Raucherstatus) auf die Entwicklung des Geschmackssinns erhoben. Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Verbesserung des Geschmackssinns im Gesamtscore über alle Geschmacksqualitäten (p < 0,001) nach Durchführung der Ernährungsumstellung. Bei der Betrachtung der einzelnen Geschmacksrichtungen fiel eine signifikante Verbesserung für bitter und umami auf (p < 0,001 bzw. p = 0,016). Die Wahrnehmung von süß zeigte sich ebenfalls verbessert, der p-Wert lag sehr nah an der Grenze zur statistischen Signifikanz (p = 0,052). Beim überschwelligen Bewertungstest für süß wurden die Papierstreifen mit der höchsten Saccharose-Konzentration nach der Ernährungsumstellung signifikant höher bewertet (p = 0,015) und somit als stärker süß wahrgenommen. Die Entwicklung der Testergebnisse hing wesentlich vom Ausgangsscore in der ersten Testung ab (p < 0,001). Probanden mit einem initial hohen Gesamtscore bei T0 wiesen eine geringere Wahrscheinlichkeit auf, sich in der zweiten Testung T1 zu verbessern. Für die Faktoren Geschlecht, Alter, Raucherstatus, Aufenthaltsdauer in der Klinik und Ausmaß des Gewichtsverlusts konnte kein statistisch signifikanter Einfluss herausgearbeitet werden. Aus den Ergebnissen folgt, dass eine strukturierte Ernährungsumstellung eine signifikante Veränderung des Geschmackssinns bewirken könnte und somit möglicherweise nicht nur kurz- sondern auch langfristig einen positiven Einfluss auf die Gewichtsentwicklung hat. Dies ist von direkter Relevanz für die Adipositastherapie. Zudem fällt auf, dass die Verbesserung des Geschmacksempfindens auf die Geschmacksrichtungen mit G-Protein-gekoppelten Rezeptoren beschränkt war, während für die ionisch vermittelten Qualitäten sauer und salzig kein signifikanter Unterschied zu ermitteln war. Die Gründe hierfür sowie eine genauere Analyse der möglichen Einflussfaktoren sind interessante Fragestellungen für weiterführende Studien.
The prevalence of obesity in children and adolescents continues to increase. The gustatory sense plays a key role in our choice of food and, therefore, influences our uptake of calories. A recent study by Overberg et al. showed that obese children show a significantly inferior sense of taste than children of normal weight. However, how the gustatory sense of obese children adjusts to a change of diet has not been well researched. In this longitudinal study, the gustatory sense of 98 obese children (BMI > 97th percentile) was tested twice, both before (T0) and after (T1) a controlled change of diet during the children’s stay in an obesity intervention clinic. Sensitivity for the taste qualities sweet, sour, salty, umami, and bitter as well as an intensity rating for sweet was analysed by means of impregnated ‘taste strips’ in different concentrations. Furthermore, data concerning potential influencing factors was collected. The ability of the subjects to identify the different taste qualities improved significantly subsequent to the obesity intervention (p < 0.001). Regarding individual taste qualities, the detection rate was significantly higher for umami and bitter (p < 0.001 and p = 0.016 respectively) and very close to the threshold of statistical significance for sweet (p = 0.052). Regarding the intensity rating for sweet, the subjects rated the taste strips impregnated with the highest concentration of sucrose significantly higher after the intervention, thus perceiving them as sweeter than before (p < 0.001). There was a significant correlation between the total score at T0 and the outcome at T1. Subjects with a high score at T0 were less likely to improve at the second test T1 (p < 0.001). The statistical analysis could not detect a significant influence of sex, age, smoker status, duration of stay, and the final amount of weight loss. These results show that a controlled change of diet can induce a change of gustatory perception. Such a change of diet, therefore, could have a positive short- and long-term influence on weight loss. Moreover, it was noticeable that the improvement of gustatory function was limited to the taste qualities detected by G-protein-coupled receptors, while there was no significant change for the qualities salty and sour detected by ionotropic receptors. This finding as well as the further analysis of potential influencing factors for the adjustment of the gustatory function pose interesting questions for further research.