In der vorliegenden Arbeit wurde die Interaktion des niedermolekularen Liganden S37 mit dem Thyreotropin-Rezeptor (TSHR) untersucht. Im ersten Teil der Arbeit wurde die Bindungsstelle des Antagonisten am TSHR identifiziert, was zu einem verbesserten Verständnis der intramolekularen Signaltransduktion im Rezeptor führte. Im zweiten Teil der Arbeit wurde das Potenzial von S37 für die Therapie der Autoimmunkrankheit Endokrine Orbitopathie (EO) untersucht. Dabei ist hervorzuheben, dass die für die EO entscheidende TSHR-Aktivierung durch Autoantikörper mit S37 in vitro bzw. ex vivo gehemmt wurde. Im Rahmen einer Schilddrüsenüberfunktion entwickelt sich bei einigen Patienten die EO am Augenhintergrund, eine potenziell visusbedrohende Krankheit, deren Hauptursache – die TSHR-Überaktivierung durch funktionale aktivierende Antikörper in Orbitafibroblasten – bisher nicht pharmakologisch behandelbar ist, sodass für schwere EO-Fälle eine therapeutische Lücke besteht. Der TSHR ist ein G-Protein-gekoppelter Rezeptor (GPCR). Wie die nah verwandten Gonadotropin-Rezeptoren FSHR und LHCGR gehört der TSHR zur Subfamilie der Glykoproteinhormon-Rezeptoren (GPHR). Er weist eine große extrazelluläre Domäne mit leucinreichen Wiederholungen (LRRD) auf, an der das Hormon TSH oder funktionale Autoantikörper binden. In der transmembranären Domäne (TMD) des TSHR ist eine allosterische Bindungstasche zwischen den Transmembranhelices (TMH) 3, 5 und 6 beschrieben, in der niedermolekulare allosterische Modulatoren binden. Der Rezeptor wird durch die extrazelluläre Bindung von TSH aktiviert und kann von transmembranär bindenden negativen allosterischen Modulatoren (NAM) inhibiert werden oder von positiven allosterischen Modulatoren (PAM) unabhängig vom Hormon aktiviert werden. Der intramolekulare Mechanismus für die Weiterleitung des Signals von der extrazellulären zur transmembranären Domäne des TSHR ist nicht vollständig geklärt. In vorangegangenen Arbeiten wurde der selektive TSHR-Antagonist S37 identifiziert. Diese Substanz hatte eine charakteristische gebogene Struktur, lag jedoch als Racemat vor. S37 inhibierte die intrazelluläre cAMP-Bildung mit mikromolarer Affinität und war im Gegensatz zu bisher bekannten TSHR-Antagonisten TSHR-selektiv, inhibierte also nicht die homologen Gonadotropin-Rezeptoren. Daher war S37 besonders interessant als Leitstruktur für die Entwicklung eines Wirkstoffes zur Behandlung der EO. Die bisherigen Versuche wiesen darauf hin, dass S37 kompetitiv zum Hormon wirkt und demzufolge möglicherweise nicht in der bekannten allosterischen Tasche in der TMD bindet. Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit sollte die strukturelle Interaktion von S37 mit dem TSHR im Detail untersucht werden, um die unbekannte Bindungsstelle zu identifizieren. Parallel wurden Struktur-Funktions-Untersuchungen verschiedener S37-Derivate und -Analoga durchgeführt. Im zweiten Teil der Arbeit ging es darum, Endpunkte zu untersuchen, die für die Therapie der EO entscheidend sind, insbesondere die Inhibition von TSHR-stimulierenden EO-Patientenseren ex vivo. Zuerst wurde das Racemat chiral getrennt und das aktive Enantiomer S37a bzw. dessen dreidimensionale Struktur identifiziert. Mithilfe N-terminal trunkierter TSHR-Konstrukte mit sukzessiver Verkürzung der Ektodomäne sowie durch TSHR-FSHR-Chimären wurde die Bindungsregion von S37a auf die TMD eingegrenzt. Im cAMP-Assay war S37 nicht-kompetitiv zum PAM C2, von dem bekannt war, dass es in der allosterischen Bindungstasche zwischen TMH 3, 5 und 6 bindet. Dadurch wurde deutlich, dass es eine weitere, bislang unbekannte Bindungsstelle für kleine Moleküle an der TMD des TSHR geben muss. Die Bindungsregion wurde mithilfe von TSHR-Mutationen weiter eingegrenzt. Die beiden TSHR-spezifischen Residuen E404 und H478 zeigten bei Austausch mit Alanin einen Verlust der Interaktion mit S37a. In der Arbeitsgruppe konnte die Verbindung plausibel in das TSHR-Modell in eine Tasche zwischen internem Agonisten vor der TMH 1, extrazellulärer Helix der Hinge-Region (EH) und extrazellulärem Loop (ECL) 1 gedockt werden. Dadurch konnte das Homologiemodell in diesem Bereich verfeinert werden und das Verständnis der intramolekularen Signalweiterleitung von der Ektodomäne zur TMD verbessert werden. Zusammengefasst kommt es durch die Bindung von TSH an die LRRD des TSHR zur Delokalisierung der EH, vermittelt über eine Disulfidbrücke. Über ein benachbartes Disulfid wird das Signal von der EH auf den internen Agonisten übertragen. Die Konformationsänderung des internen Agonisten, der in Kontakt zu allen drei ECL steht, führt zur Weiterleitung des Signals zu den TMH und zur intrazellulären Seite des Rezeptors. In der identifizierten Bindungstasche interferiert der NAM S37a in diese intramolekulare Aktivierungskaskade an der Schnittstelle zwischen Ektodomäne und TMD des TSHR. Durch die gefundene Docking-Position wurde eine Grundlage für die gezielte Verbesserung der Affinität der Leitverbindung S37a geschaffen. Für die Struktur-Funktions-Untersuchungen wurden einerseits von Kooperationspartnern Synthesen von S37-Derivaten durchgeführt und außerdem kommerziell erhältliche S37-Analoga erworben. Obwohl kein deutlich stärkerer TSHR-Antagonist als S37a identifiziert wurde, lieferten die Struktur-Funktionsanalysen neue Hinweise für weitere Optimierungen an den Phenylringen sowie am heterozyklischen Grundgerüst von S37a für gezielte hydrophile Interaktionen mit dem Rezeptor. Bei den Untersuchungen der für die Therapie der EO potenziell relevanten Endpunkte wurden drei wichtige Ziele erreicht: 1.) Es wurde der Grundsatznachweis erbracht, dass S37a die erhöhte TSHR-Aktivierung durch stimulierende Antikörper inhibieren kann, und zwar sowohl monoklonale Antikörper in vitro, als auch TSHR-aktivierende Seren von EO-Patienten ex vivo. 2.) Es konnte gezeigt werden, dass S37a und dessen Derivate hochselektiv nur den TSHR und nicht die homologen Gonadotropin-Rezeptoren inhibieren. 3.) In ersten in-vivo-Untersuchungen zur Pharmakokinetik in Mäusen war S37a nicht toxisch und es wurde eine geeignete orale Bioverfügbarkeit erreicht. Die Untersuchungen bieten eine Grundlage, durch rationales Wirkstoffdesign weitere hochaffine, TSHR-selektive Verbindungen zu synthetisieren, die für die klinische Prüfung geeignet sind.
The present paper investigates the interaction of the small molecule ligand S37 with the thyroid-stimulating hormone (thyrotropin) receptor (TSHR). The first part delineates the identification of the antagonist’s binding site at the TSHR, which led to a better understanding of the intramolecular signal transduction within the receptor. The second part describes the therapeutic potential of S37 for the therapy of the autoimmune disease Graves’ Orbitopathy (GO). Of note, it was proven that TSHR activation by stimulating autoantibodies, which is a crucial step in GO, was inhibited by S37 in vitro as well as ex vivo. In the course of hyperthyroidism some patients develop GO, a potentially sight-threatening disease due to TSHR over-activation in orbital fibroblasts by functional activating antibodies. GO is not treatable pharmacologically at the level of TSHR, because there are no such drugs available in the clinics. For this reason, there is a therapeutic gap for severe cases of GO. The TSHR is a G protein-coupled receptor (GPCR). Like the closely related gonadotropin receptors FSHR and LHCGR, TSHR belongs to the subfamily of glycoprotein hormone receptors (GPHR). It exhibits a large extracellular leucine-rich repeat domain (LRRD) at which the hormone TSH or functional autoantibodies bind. Located in the transmembrane domain (TMD), there is an allosteric binding pocket between the transmembrane helices (TMH) 3, 5 and 6, where small molecule allosteric modulators bind. The receptor is activated by extracellular binding of TSH and can be inhibited by TMD-binding negative allosteric modulators (NAM) or activated by positive allosteric modulators (PAM) independently of TSH. The intramolecular mechanisms for the signal transduction from the ecto- to the transmembrane domain of TSHR are not completely understood. In preceding work in the group the selective TSHR antagonist S37 was identified. This compound had a characteristic rigid, bent shape and was present as racemate. S37 inhibited the intracellular cAMP accumulation with micromolar affinity. In contrast to other known TSHR antagonists the effect of S37 was highly TSHR-selective, meaning that it did not inhibit the homologous gonadotropin receptors. Therefore S37 was a particularly valuable lead compound for the development of a drug for the treatment of GO. Previous experiments indicated that S37 is a competitive antagonist of the hormone TSH, and thus potentially does not bind in the common allosteric small molecule pocket in the TMD of TSHR. In the first part of the present work, the structural interaction of S37 with TSHR was investigated in detail in order to identify its unknown binding site. In parallel, analyses of structure-activity relationships (SAR) of diverse S37 derivatives and analogues was performed. The second part of the work deals with endpoints that are relevant for the therapy of GO, in particular the inhibition of TSHR stimulating GO patients’ sera ex vivo. At first, the racemate was separated by chiral HPLC and the 3D structure of the active enantiomer S37a was determined by two independent methods. With the help of truncated TSHR constructs with successive truncations of the ectodomain as well as with TSHR-FSHR chimaeras, the binding region of S37a was narrowed down to the TMD. However, in the cAMP assay S37a was a non-competitive antagonist of PAM C2, which is known to bind within the allosteric pocket between TMH 3, 5 and 6. It supported the existence of a second, so far unknown binding site for small molecules at the TMD of TSHR. The binding region was further narrowed down by TSHR mutations. The two TSHR-specific residues E404 and H478 showed a loss of interaction with S37a when mutated to alanine. In our group the compound could be reasonably docked into the TSHR model into a pocket between internal agonist prior TMH 1, converging helix of the hinge region (CH) and extracellular loop (ECL) 1, thereby refining the homology model and the understanding of the intramolecular signal transduction within the TSHR. In summary, binding of TSH at the LRRD of TSHR leads to delocalisation of the CH, mediated by a disulphide bond. Via a neighbouring disulphide, the signal is transduced from the CH to the internal agonist, which is in contact with all three ECL. Therefore, the conformational changes of the internal agonist induce via the ECL a shift of the TMH into the active conformation of the receptor. In the identified binding pocket NAM S37a interferes with this intramolecular activation cascade at the interface of the ecto- and transmembrane domain. The proposed docking pose constitutes a basis for the directed improvement of the affinity of the lead structure S37a. For the structure-activity relationships (SAR), syntheses of S37 derivatives were carried out by cooperation partners or commercially available S37 analogues were purchased. Although no considerably stronger TSHR antagonist than S37a was identified, the SAR studies yielded starting points for further optimisation at the phenyl rings and at the heterocyclic scaffold for directed hydrophilic interactions with the receptor. During the analyses of endpoints that are potentially relevant for the therapy of GO, three important objectives were achieved: i) The proof of principle was provided that S37a is able to inhibit the elevated TSHR activation by stimulating antibodies. cAMP accumulation induced by monoclonal antibodies was inhibited in vitro and that of TSHR activating sera from GO patients ex vivo. ii) S37a and its derivatives were highly TSHR-selective and did not inhibit the homologous gonadotropin receptors. iii) In first in vivo pharmacokinetics studies in mice, S37a showed no toxicity and a good oral bioavailability was observed. The study provides a basis for rational drug design to synthesise further TSHR-selective compounds with high affinity suitable for clinical testing.