Die Rekonstruktion des Unterkiefers mit mikrochirurgischen Transplantaten des Beckens, Schulterblatts und Wadenbeins ist mit einer relativ hohen Rate an Komplikationen in der Empfängerregion assoziiert, insbesondere bei Patienten mit vorausgegangener und adjuvanter Strahlentherapie, Chemotherapie und bei langstreckigen Defekten mit entsprechend mehrsegmentiger Rekonstruktion. Konsekutiv zeigt sich bei diesen Patienten eine niedrigere Rate an implantologisch-dentaler Rehabilitation. Plattenexpositionen treten zudem häufiger bei Sekundärrekonstruktionen und fehlender dentaler Abstützung beziehungsweise Okklusion auf, während Rauchen und Diabetes eine entsprechende Tendenz bezüglich unvollständiger Segmentspaltverknöcherungen aufweisen. Auch die Rekonstruktion des Symphysen-Corpus-Bereichs erscheint vergleichsweise problematisch. Die Verwendung der derzeit verfügbaren patientenspezifischen CAD/CAM-Platten führt im Vergleich zu konventionellen Systemen nicht zu einer Verringerung der Komplikationsrate, mit gar ungünstigen Tendenzen hinsichtlich Plattenexpositionen und Segmentspaltverknöcherung. Biomechanisch zeigt sich bei CAD/CAM-Systemen eine im Vergleich zu Miniplatten und konventionellen Rekonstruktionsplatten höhere Steifigkeit des Gesamtkomplexes, die bekanntermaßen mit einer Reduktion der Segmentspaltbewegungen einhergeht. Im bei diesen Patienten zu erwartenden Niedrigkraftbereich sind alle drei Systeme ausreichend stabil. Bei langfristiger und höherer Belastung erscheinen die CAD/CAM-Systeme überlegen. Plattenbrüche treten, vor allem wegen des Plattendesigns und der fehlenden Biegebeanspruchung mit konsekutiv auftretenden Sollbruchstellen, bei diesen Systemen auch bei höchster Belastung nicht auf. Dies könnte bei denjenigen Patienten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit keine suffiziente Segmentspaltverknöcherung entwickeln und bei denen ein dauerhaftes Belassen der Platten geplant ist, gegenüber konventionellen Systemen langfristig von Vorteil sein. Aus mechanobiologischer Sicht ist eine abschließende Bewertung bis dato nicht möglich. Auf Grund der hohen Steifigkeit der CAD/CAM-Systeme ist jedoch ein für die Knochenheilung ungünstiges Unterschreiten der notwendigen Segmentspaltbewegungen zu befürchten, sodass zukünftig Optimierungen der Systeme mit dem Ziel einer verbesserten Kallusformation notwendig sein könnten. Hierzu bedarf es umfassender Finite Elemente Analysen sowie in vitro und in vivo Untersuchungen zum Einfluss der Steifigkeit von Osteosynthesesystemen auf die Knochenheilung nach Unterkieferrekonstruktion. Auch aus radiologischer Sicht ist die Weiterentwicklung der vorhandenen Systeme mit dem Ziel einer Materialreduktion wünschenswert, um die postoperative Diagnostik zu verbessern. Zwischenzeitlich ist die Verwendung von speziellen Sequenzen zur Artefaktreduktion eine hilfreiche Ergänzung, wobei deren tatsächliche Qualität hinsichtlich der möglichen Rezidivdiagnostik sowie einer suffizienten Beurteilung der Segmentspaltossifikation vor Metallentfernung im MRT und CT noch nachgewiesen werden muss. Resorbierbare Systeme auf Polylactid- und Magnesiumbasis sowie die Verwendung von glasfaserverstärktem Komposit könnten die Bildqualität deutlich verbessern. Da resorbierbare Systeme auf Polylactidbasis jedoch aus mechanischen Gründen aktuell für die Verwendung am Unterkiefer nicht allgemein zugelassen und magnesiumbasierte Systeme noch nicht hinreichend entwickelt sind, erscheint die Betrachtung nicht resorbierbarer Alternativen sinnvoll, zumal die ungünstigen Degradationsbedingungen die Rate an Weichteilkomplikationen potentiell noch erhöhen könnten. Aus biomechanischer Sicht ist glasfaserverstärktes Komposit hierbei eine mögliche Alternative, wenngleich die dauerhafte zyklisch dynamische Belastung im Bereich unphysiologisch hoher Kräfte eine Unterlegenheit gegenüber patientenspezifischen Titanplatten zeigt. Aus mechanobiologischer Sicht könnte der höhere Grad an Segmentspaltbewegungen im Vergleich zu den CAD/CAM-Titansystemen möglicherweise von Vorteil sein. Hierzu sind weitere Untersuchungen nötig. Für Patienten mit sehr niedrigem Pseudarthrose- und Wundheilungsrisiko (jung, gesund, Nichtraucher, nicht bestrahlt, einsegmentige Rekonstruktion, hohe Compliance) könnte möglicherweise bereits heute die Verwendung mit Polylactidsystemen in Frage kommen, jedoch ist auch hierzu eine kritische Betrachtung der biomechanischen Eigenschaften unter Belastung notwendig. Die Entnahme von mikrochirurgischen Becken- und Fibula-Transplantaten zur Rekonstruktion des Unterkiefers geht in der Langzeitanalyse mit geringen funktionellen Folgen einher. Unter Berücksichtigung der persistenten Bewegungseinschränkungen sowie der vergleichsweise höheren kurzfristigen Entnahmemorbidität ist die Entwicklung bedarfsspezifischer Rehabilitationskonzepte für eine rasche Rekonvaleszenz notwendig. Die Verwendung des CAD/CAM-Workflows kann als sinnvolle Ergänzung gesehen werden, wobei der tatsächliche Nutzen bezüglich einer Verringerung der Entnahmemorbidität bislang nicht belegt ist. Perspektivisch kann die Unterkieferrekonstruktion durch Entwicklungen im Tissue Engineering und der Endokultivierung revolutioniert werden. Die Anwendung derer hin zu ex vivo fabrizierten Transplantaten könnte, in Kombination mit einem tiefgreifenden Verständnis der Mechanobiologie des rekonstruierten Unterkiefers und einer Fixierung mit artefaktfreier, patienten- und anforderungsspezifischer Osteosynthese, die Erfolgsrate langfristig steigern.