Hintergrund: Die Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie (CIPN) bei Kindern und Jugendlichen ist eine häufige Spätfolge nach antineoplastischer Therapie einer akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL). Wichtigstes schädigendes Agens der aktuellen Therapieprotokolle ist Vincristin (VCR). Mit der vorliegenden Studie wollten wir Schädigungen der klein- und großkalibrigen Nervenfasern sowie der zentralen Schmerzverarbeitung erfassen. Methoden: In einer bizentrischen Querschnittsstudie wurden Kinder und Jugendliche nach stattgehabter Chemotherapie infolge ALL untersucht. Als Einschlusskriterien wurden definiert: Alter bei Untersuchung älter sechs Jahre, Zeitabstand der Untersuchung zur letzten VCR-Gabe mehr als drei Monate, Behandlung mit einer kumulativen VCR-Dosis von 12 mg/m2 sowie Ausschluss eines Rezidivs. Wir verglichen eine klinische Untersuchung (reduzierter “Pediatric - modified Total Neuropathy Score”, rPed-mTNS), die Quantitative Sensorische Testung (QST) nach dem Protokoll der DFNS und die Elektroneurographie (ENG) als aktuell etabliertes neurophysiologisches Messverfahren. Ergebnisse: Wir untersuchten insgesamt 46 Kinder und Jugendliche (28 männlichen Geschlechts). Das Durchschnittsalter betrug bei Untersuchung 9,8 Jahre ±3,1 Jahre Standardabweichung. Der zeitliche Abstand der Untersuchung zum Ende der Chemotherapie betrug im Median 2,5 Jahre. 15 Studienteilnehmer (33%) hatten abnormale rPed-mTNS Werte (≥ 4 Punkte) und fünf Studienteilnehmer (11%) berichteten über chronische Schmerzzustände. Im Vergleich zu einer gesunden gematchten Vergleichsgruppe zeigte sich bei der QST eine signifikant verminderte großkalibrige Nervenfaserfunktion (p<0.001) sowie Schmerzsensibilisierung. Weiterhin zeigte sich eine Pallhypästhesie bei 33 (72%), eine taktile Hypästhesie bei 29 (63%), eine Hyperalgesie für Druckschmerz bei 19 (41%), eine erhöhte mechanische Schmerzsensitivität bei 12 (26%) und eine Allodynie bei 16 (35%) der 46 Studienteilnehmer. Weiterhin zeigten 7 (15%) Studienteilnehmer pathologische Werte in der ENG. Fazit: Die QST ist eine sensitive Messmethode, die Zeichen einer Neuropathie der großkalibrigen Nervenfasern bei zwei von drei Studienteilnehmern und der kleinkalibrigen Nervenfasern bei einem von drei Studienteilnehmern aufzeigte. Zudem fanden sich bei einem von drei Studienteilnehmern Zeichen einer Schmerzsensibilisierung. Weitere prospektive Studien sind notwendig um die Pathophysiologie dieser bisher wenig beachteten Phänomene sowie ihre Auswirkung auf die Lebensqualität der Überlebenden zu klären.
Background: Chemotherapy-induced Peripheral Neuropathy (CIPN) is a common sequel in pediatric survivors of acute lymphoblastic leukemia (ALL) and mainly caused by the vinca alkaloid Vincristine (VCR). We aimed at describing large and small-fiber toxicity as well as pain sensitization in this group. Methods: In a cross-sectional, bicentric study we assessed survivors of pediatric ALL. Inclusion criteria were an age above 6 years, a lag time of at least 3 months after last administration of VCR, a cumulative dose of VCR of 12 mg/m2 and no relapse. We used a reduced version of the Pediatric-modified Total Neuropathy Score (ped-mTNS) as bedside test and Quantitative Sensory Testing (QST) for assessment of small- and large-fiber neuropathy, as well as of pain sensitization. We employed nerve conduction studies (NCS) as the most accurate tool for detecting large-fiber neuropathy. Results: We assessed 46 survivors, of whom 28 were male. Mean age was 9.8 ± 3.1 years SD. Median lag time after therapy was 2.5 years. Fifteen survivors (33%) had abnormal rPed-mTNS values (≥ 4 points) and 5 survivors (11%) reported chronic pain conditions. In QST the survivor group showed significant (p<0.001) inferior large-fiber function and pain sensitization when compared to healthy matched peers. We identified deficits of vibration detection in 33 (72%), tactile hypoesthesia in 29 (63%), hyperalgesia to blunt pressure in 19 (41%), increased mechanical pain sensitivity in 12 (26%), and allodynia in 16 (35%) of 46 survivors. Only 7 survivors (15%) had pathologic NCS. Conclusion: QST is a sensitive tool that revealed signs of large-fiber neuropathy in two thirds, small-fiber neuropathy and pain sensitization each in one third of our survivor cohort. Prospective studies using QST in pediatric oncology shall elucidate the pathophysiology of small-fiber neuropathy and pain sensitization as well as their relevance for quality of survival.